Hannover/Leipzig, Prozess gegen Tierbefreiungsaktivist_innen: Prozessbeobachter nach 5 Tagen Ordnungshaft wieder frei!

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Nach fünf Tagen Ordnungshaft wurde am 14.11.2010 ein kritischer Beobachter des sogenannten Boehringer Prozesses in Hannover wieder aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig entlassen. Bei dem Prozess wurden Tierbefreiungsaktivist_innen verurteilt, die die Baustelle des Tierversuchskonzerns Boehringer-Ingelheim bestzt hatten.

 

Nach fünf Tagen Ordnungshaft wurde am 14.11.2010 ein kritischer Beobachter des sogenannten Boehringer Prozesses in Hannover wieder aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig entlassen.

Grund des fünftägigen Freiheitsentzuges war seine Weigerung gewesen, sich zur Urteilsverkündung im Prozess gegen 5 Besetzer_innen zu erheben, die im August 2009 an der zweiten Besetzung des Hannoveraner Geländes, auf dem der Pharma Konzern Boehringer-Ingelheim inzwischen ein Tierversuchslabor zur Optimierung der Massentierhaltung baut, beteiligt gewesen waren.

Die Angeklagten hatten 15 Verhandlungstage lang eine offensive Verteidigungsstrategie verfolgt, bei der sie in zahlreichen Anträgen und Zeug_innenvernehmungen nicht nur versuchten, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen, sondern auch immer wieder vorherrschende Herrschaftsverhältnisse und die Rolle von staatlichen Apparaten wie Gerichten zur Erhaltung dieser thematisierten.
Die Unterstützung aus dem Publikum, die auch darin bestand, aus der Rolle der passiv Zuschauenden auszubrechen und sich aktiv zu beteiligen und offen zu hinterfragen, hat einen große Teil dazu beigetragen, dass es immer wieder gelang, während der Verhandlungstage nicht nur über Paragraphen zu reden, sondern politische Inhalte zu thematisieren.

Andre, der am Samstag aus dem Knast entlassen wurde, wurde wegen seines „ungebührlichen Verhaltens“ im Gerichtssaal immer wieder vom Vorsitzenden Richter Süßenbach bestraft. So saß Andre gerade erst vor zwei Wochen für zwei Tage in Ordnungshaft, weil seine Füße während der Verhandlung auf der Balustrade gelegen hatten. Richter Süßenbach kannte nach den ersten Repressalien gegen A. bald dessen Personalien beinahe vollständig auswendig und auch daher suchte er sich wohl aus einem immer wieder zahlreichen und kreativen Publikum mit Vorliebe ihn im Laufe der 15 Verhandlungstage heraus, um seine richterliche Allmacht im Verhandlungssaal deutlich zu machen und ein warnendes Exempel für alle potentiellen Störer_innen (wobei Richter Süßenbach weiblich definierte Personen fast ausschließlich nur in solchen Fällen mit Ordnungsgeldern bzw. –haft bestrafte, wenn diese seinem Augenschein nach „männlichen Geschlechts“ schienen) zu statuieren. Es wurde immer wieder deutlich gemacht, dass eine Nichtbefolgung der richterlichen Anordnungen im Zweifelsfall mit der prügelnden Gerechtigkeit der Justizwachtmeister_innen durchgesetzt wird.
Als sich am letzten Verhandlungstag des Strafprozesses der vorsitzende Richter in der vollen Würde seines Amtes in den Gerichtssaal begab, ansetzte „im Namen des Volkes“ ein Urteil zu sprechen und alle im Saal befindlichen Personen sich zu erheben hatten, blieb A. sitzen. Richter Süßenbach ließ ihn daraufhin aus dem Saal räumen, zuvor verhängte er aber noch eine Strafe in Form eines zu zahlenden Ordnungsgeldes von 150 € oder wahlweise fünf Tagen Ordnungshaft.

„Das Urteil spricht der Richter „im Namen des Volkes“ und in dieses Volk werde ich ungefragt und ungewollt hineindefiniert und er behauptet somit, auch in meinem Namen sprechen zu können. Aber für mich sind Völker Konstrukte, die das ausüben von Herrschaft über viele Menschen erleichtern und auch Gerichte haben diesen Zweck, es werden Gesetze durchgesetzt, die Privilegierten ihre Privilegien erhalten sollen, ich glaube nicht an die Möglichkeit gerechter oder neutral gefällter Urteile. Insofern sehe ich auch keine Veranlassung, mich an dieser Geste der Ehrerbietung vor einer Rechtsprechung zu beteiligen, sondern bleibe sitzen.“ , so Andre.

Die fünf Angeklagten wurden an diesem letzten Prozesstag zu 35 und 40 Tagessätzen zu 15 € verurteilt. Sie haben inzwischen das Rechtsmittel der Revision gegen dieses Urteil eingelegt.

Andre indes entschied sich, seine Strafe abzusitzen. Obwohl fünf Tage Knast ziemlich unangenehm sein können, sei für ihn die Vorstellung, einfach so die Strafe zu bezahlen noch um einiges unangenehmer.
Während dieser fünf Tage bekam er viel Post von Unterstützer_innen und er meinte nach seiner Entlassung, dass es ihm gut gehe und die Briefe geholfen hätten, um die Zeit im Knast leichter auszuhalten. Er bedankt sich bei allen, die ihm geschrieben und ihn unterstützt haben. Es sei außerdem, wie bei seinem letzten Kanstaufenthalt, schwer gewesen, an veganes Essen zu kommen. Er wurde heute von Unterstützer_innen an der JVA Leipzig abgeholt, in diesem Zuge wurden Vorplatz und Knastmauern mit knast- und justizkritischen Sprüchen auf Kreidebasis versehen.

Auch künftig werden Leute, die sich während des Prozesses gegen die Boehringer-Besetzer_innen „ungebührlich verhalten“ haben, ihre Strafen bezahlen oder absitzen müssen und längst ist noch nicht gegen alle mutmaßlichen Besetzer_innen von damals verhandelt worden.
Ihr könnt sie unterstützen, indem ihr ihnen schreibt, wenn es soweit ist, aber auch finanzielle Hilfe ist willkommen, genauso wie Aktionen, die sich gegen herrschaftsförmige Verhältnisse richten.


Linksammlung

Adressen von politischen Gefangenen, die sich über Post freuen:
http://www.abc-berlin.net/gefangenenliste
http://weggesperrt.blogsport.eu/

Blog der aus der Besetzung 2009 hervorgegangen ist:
www.boehringerbesetzung.blogsport.de

Viele Artikel zu den einzelnen Boehringer-Prozesstagen auf Indymedia, nutzt die Suchfunktion

Weitere Termine offensiv geführter Prozesse:
http://bloxberg.blogsport.de/termine/
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