Reform der Sicherungsverwahrung

thomas meyer falk

Nachdem im Dezember 2009 der EGMR (Europäische Gerichtshof für Menschenrechte) ein Urteil gegen Deutschland im Zusammenhang mit der SV (Sicherungsverwahrung) fällte, ist diese in den letzten Monaten verstärkt in der öffentlichen Diskussion.

Nunmehr legte die Koalition von CDU/FDP auf Bundesebene ein Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung vor (vom 26.10.2010, Drucksache 17/3403).

Diesen Entwurf, wie auch die mediale Berichterstattung möchte ich im folgenden darstellen. Als erstes gehe ich auf geplante Änderungen im Bereich der SV ein (1.), danach werde ich auf die Führungsaufsicht eingehen (2.). Hieran anschließend die Berichterstattung (3.) behandeln, um mit einem Ausblick (4.) zu schließen.

 

1.) Änderungen bei der Sicherungsverwahrung

aa.) gegenwärtige Situation

 

Aktuell befinden sich knapp 500 Menschen in der SV. Die Nationalsozialisten hatten 1933 die sogenannten „Maßregeln der Sicherung und Besserung“ in das Strafgesetzbuch eingeführt, u.a. die SV. Danach sollten „Gemeingefährliche“ durch Verwahrung im Anschluss an die Strafhaft „unschädlich“ gemacht werden.

Heute gibt es drei verschiedene Arten von SV: Jene, die schon im Strafurteil angeordnet wird, jene, die mit dem Urteil „vorbehalten“ wird (über die definitive Anordnung entscheidet dann das Gericht in einer neuen Verhandlung erst vor Ende der Freiheitsstrafe), sowie die nachträgliche SV. Dort kamen Anstalt und andere erst während des Strafvollzugs auf die Idee, der/die Gefangene könne gefährlich sein und müsse deshalb nach der Strafhaft weiter verwahrt werden.

 

Die gesetzlichen Regelungen finden sich in §§ 66, 66a, 66b Strafgesetzbuch. Verkürzt gesagt, muss man einen „Hang zu erheblichen Straftaten“ haben, durch welche Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, oder aber schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (für die nachträgliche SV gilt letzteres nicht), um in der SV zu landen.

Es gibt noch einige formelle Voraussetzungen, wie etwa vorhergehende Verurteilungen (für die reguläre SV wären dies zwei Vorstrafen von mindestens jeweils einem Jahr, sowie mindestens ein Mal für zwei Jahre in Haft befindlich gewesen), welche hier nicht weiter interessieren sollen.

 

Jedenfalls kann nach einem Rückgang der Verwahrtenzahlen Anfang der 90-er Jahre auf unter 200, seitdem ein unaufhörliches Steigen der Sicherungsverwahrtenzahlen beobachtet werden; dies bei zeitgleichem Rückgang der Kriminalität. D.h., obwohl die Zahl der Straftaten sinkt, steigt die Zahl der Verwahrten.

 

Für die Inhaftierten bedeutet das Stigma SV eine enorme psychische Belastung und beeinträchtigt auch den Haftalltag, da dieser Personenkreis gemäß Verwaltungsvorschrift erstmal von jeglichen Vollzugslockerungen ausgeschlossen ist.

Demgemäß treten auch über 95 % der zu SV verurteilten Gefangenen die SV an, werden also nicht vorher entlassen.

Und jene, über denen das Damoklesschwert der nachträglichen SV schwebt (aktuell circa 7.000 – 10.000 Gefangene), sind auch nicht besser dran.

 

bb.) geplante Änderungen

 

Im Bereich der Anordnung der SV soll künftig zwar die „nachträgliche“ Sicherungsverwahrung wegfallen, jedoch ausschließlich für Taten, welche nach dem In-Kraft-Treten der Reform begangen werden. Für Taten, die zuvor begangen wurden, wie bei den erwähnten 7.000 – 10.000 Gefangenen, ändert sich nichts, für diese soll weiterhin eine nachträgliche SV möglich sein.

 

Wegfallen soll die Möglichkeit, auch einfache Diebe und Betrüger (zum Stichtag 31.03.2009 saßen laut Statistischem Bundesamt 36 Personen wegen Diebstahls, Betrugs und Urkundenfälschung in SV) mit der SV zu belegen.

 

Nichts ändert sich jedoch für Einbrecher, für Fälle des Diebstahls, bei welchem jemand z.b. ein Messer dabei hat oder gewerbs- und bandenmäßigem Betrugs. All diese Personen können weiterhin zur Sicherungsverwahrung verurteilt werden.

 

Auch wenn es schon nach jetziger Gesetzeslage möglich war, wegen Verstoßes gegen die Auflagen im Rahmen der Führungsaufsicht bestraft und in SV untergebracht zu werden, so wird dies nun ausdrücklich in § 66 Abs. 1 StGB erwähnt werden. Worum geht es? Wer heute seine Haftstrafe voll verbüßt, bei dem tritt Führungsaufsicht ein (sofern es um einen Freiheitsentzug von mindestens zwei Jahren ging). Die Betroffenen unterstehen der Aufsicht und Kontrolle eines Bewährungs- und Führungsaufsichtshelfers. Die möglichen Auflagen reichen von Meldung der Wohnanschrift und des Arbeitgebers, über Therapieweisungen, Weisung, bestimmte Gegenstände nicht zu besitzen, zu bestimmten Personen keinen Kontakt aufzunehmen, bestimmte Örtlichkeiten nicht aufzusuchen, den Wohnort oder gar einen bestimmten Stadtteil nicht ohne Erlaubnis zu verlassen.

Verletzt man nun eine dieser Weisungen, so stellt dies eine Straftat dar (§ 145 a StGB), zu ahnden mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Die Betroffenen brauchen also niemanden geschlagen, beraubt, bestohlen zu haben, es reicht, wenn sie gegen die Weisungen verstoßen. Wird dann seitens des Gerichts aus dem Verstoß gegen die Auflagen gefolgert, beraten von psychiatrischen Gutachtern, dass der/die Betroffene „gefährlich für die Allgemeinheit“ sei, muss das Gericht, so es eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren auswirft, zwingend auch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen.

 

Hinsichtlich jener Sicherungsverwahrten, welche auf Grund eines Urteils des EGMR ihre Freiheit erhoffen, soll das „Therapieunterbringungsgesetz“ (ThUG) diese Freilassung verhindern helfen. Wer nämlich eine psychische Störung attestiert bekommt und nach Ansicht von mindestens zwei Gutachtern auf Grund dieser Störung „mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird“, kann dauerhaft in „geeigneten geschlossenen Einrichtungen“, die jedoch räumlich von Gefängnissen getrennt sein müssen, untergebracht werden. Alle 18 Monate prüfen dann Zivilrichter des Landgerichts, ob eine weitere Unterbringung notwendig erscheint, oder eine Freilassung verantwortet werden kann.

Auch jene ehemaligen Sicherungsverwahrten, über die man in den letzten Monaten so viel in den Medien las (vgl. beispielsweise http://de.indymedia.org/2010/09/290997.shtml) und welche von BILD und RTL gehetzt werden, können nach diesem ThUG wieder inhaftiert werden.

 

 

2.) Änderungen bei der Führungsaufsicht

 

Weiter oben hatte ich schon erläutert, worum es sich bei der Führungsaufsicht handelt.

Neben der geplanten Ausweitung der Möglichkeit der lebenslangen Führungsaufsicht von – bisher – nur Sexualtätern, auch auf alle anderen Personen, welche Verbrechen gegen Leib, Leben, Freiheit oder Raub-/Erpressungsdelikte begangen haben, ist die gravierendste Änderung eine beabsichtigte „Elektronische Aufenthaltsüberwachung“.

So kann im Rahmen der Weisungen dem Probanden auferlegt werden, ein elektronisches Fußband und zusätzlich bei Verlassen der Wohnung eine PTU (Personal Tracking Unit) zu tragen, die ggf. in Echtzeit die GPS-Positionsdaten an die Überwachungsstelle sendet. Verstößt er/sie gegen diese Weisung, handelt es sich um eine Straftat (nach § 145a, StGB, siehe oben, kann dies letztlich auch dazu führen, dass Sicherungsverwahrung verhängt wird).

In ihrer Gesetzesbegründung lobt die Koalition die angeblich guten Erfahrungen mit solchen Systemen in den USA, Groß-Britannien und Frankreich. So hätten Betroffene aus Frankreich geäußert, dass „ihnen die elektronische Überwachung helfe, keine Straftaten mehr zu begehen“.

 

 

3.) Die Berichterstattung

In der Presse wird im Regelfall das Bild der „Sexbestie“ gezeichnet, oder das des brutalen Mörders, der in SV sitzt und nur darauf wartet, in Freiheit gekommen, wieder zu vergewaltigen und zu töten.

Dabei belegen einschlägige Untersuchungen, dass 80 Prozent und mehr der in der SV untergebrachten Personen tatsächlich „ungefährlich“ für jedermann und jede Frau sind, es nur nicht beweisen können, denn „im Zweifel“ entscheiden sich die Gerichte für das Wegsperren.

 

Zugleich wird in den Medien behauptet, zum 01.01.2011 falle die nachträgliche SV weg. Dass dies nur für künftige Taten und Täter(innen) gilt, wird dabei unterschlagen und es werden bei betroffenen Gefangenen, wie auch deren Angehörigen falsche Hoffnungen geweckt (und zugleich bei Opferorganisationen und Polizeigewerkschaften die reflexhaften Protestnoten provoziert). Nicht anders verhält es sich, wenn überall geschrieben wird, die Reform führe dazu, dass die Sicherungsverwahrung „auf schwerste Fälle (wie Mord und Vergewaltigung)“ beschränkt werde (so exemplarisch Dr. Bode in „Das Parlament“ vom 01.11.2010). Es trifft nach wie vor auch Einbrecher und andere vergleichbare Deliktgruppen.

 

Alles in allem ist die mediale Berichterstattung wenig geprägt von sachlicher oder inhaltlich zutreffender Information des Publikums.

 

 

4.) Ausblick

 

Die Verwahrtenzahlen werden wohl auch in den kommenden Jahren steigen; dies wird weder die Sicherung für die Allgemeinheit erhöhen, noch wird es den Verwahrten helfen. Überwiegend handelt es sich um arme, vielfach auch intellektuell hilfsbedürftige Personen, die bei adäquater anwaltlicher Vertretung (aktuell denke man an den Fall Kachelmann, der mit einer Phalanx von drei prominenten Anwälten und einer Schar an Privatgutachtern seine Position verteidigt) möglicherweise nie in der SV gelandet wären. Pflichtverteidiger erhalten keine 200 Euro für ein Mandat eines Sicherungsverwahrten, der seine Entlassung beantragt (allenfalls verdoppelt sich dieser Betrag, wenn es zu einer Anhörung vor Gericht kommt).

 

Nach der aktuellen medialen Hysterie über Einzelfälle von Ex-Verwahrten, welche rund-um-die Uhr von der Polizei überwacht werden, darf damit gerechnet werden, dass das Thema alsbald wieder in der Versenkung verschwinden wird, und mit ihnen die Betroffenen, ihre Schicksale, ihr Leben .......

 

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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