»Holowitz« und historische Zinnfiguren

Erstveröffentlicht: 
15.10.2010

»Holowitz« und historische Zinnfiguren

 

Von Peter Sonntag / 15.10.2010 / Inland

 

Autonome Antifa Freiburg outet sächsischen Kreisrat als Mitglied des Internet-Naziforums »Thiazi«
Die Freiburger Antifa outet erneut ein Mitglied des Nazi-Internetforums »Thiazi«. Hinter dem Benutzernamen »Saxus« soll sich ein NPD-Abgeordneter des Kreistages Mittelsachsen verbergen.


»Saxus« ist ein Nazi. Diese Behauptung ist erst einmal nicht überraschend. Schließlich handelt es sich bei dem Namen um ein Pseudonym im Internet-Naziforum Thiazi.net. Der Benutzer »Saxus« ist seit gut zwei Jahren Mitglied in dem Forum und hat gut 2000 Beiträge verfasst.


Das Pikante ist, dass sich laut einem heute veröffentlichten Dossier der Autonomen Antifa Freiburg (im Breisgau) und der Antifaschistischen Gruppe Freiberg (Sachsen) hinter »Saxus« ein NPD-Abgeordneter aus dem Kreistag Mittelsachsen verbergen soll.


»Saxus« debattiert im Thiazi-Forum über »Kamikaze-Selbstopferungseinsätze«, den richtigen Weg zum nationalsozialistischen Umsturz und gibt Argumentationshilfen, wie man den Holocaust mit gezieltem Fragen infrage stellen kann ohne ihn zu leugnen. Außerdem preist er sein Hobby an – das Bemalen von historischen Zinnfiguren.

 

Bekennender Holocaustleugner


Aber »Saxus« kann auch doller und leugnet in verschiedenen Beiträgen offen den Holocaust. So schreibt er am 2. Juli 2009: »Es gibt keine historische Faktenlage zur ›Kriegsschuld‹ und zum ›Holo‹! Diese historischen Lügen als ›Faktum‹ anzuerkennen bedeutet Verrat an unserem Volk. Seit über sechzig Jahren wird es meisterlich genutzt, um unser Volk auszubeuten.« Am 18. Juni des gleichen Jahres wurde er noch deutlicher: »Sechs Millionen Holo-Opfer werden Deutschland vorgeworfen, deren Zahl wir aber nicht akzeptieren. Ich bestreite die Zahl von 6 Millionen!« Er spricht an anderer Stelle vom »Holowitz« und schreibt am 16. August in einem anderen Naziforum: »Denk mal darüber nach, warum der ›Holo‹ so sehr seit 65 Jahren dem Volk vorgebetet wird- weil er die beste Geldanlage für die Juden ist!«

 

Mit seiner Partei, der NPD steht der vermeintliche Kreisrat indes augenscheinlich auf Kriegsfuß. »Wer wirklich Verantwortung fürs Vaterland in den Reihen der NPD tragen will, der muss schleimen, anderen zu Munde reden und darf niemanden in der Führung kritisieren!« schreibt Saxus und sagt über den sächsischen NPD-Landesverband: »Für mich kann daher die Partei unter der jetzigen ›Führung‹ keine führende Rolle in nationalen Kampf einnehmen – auch wenn sie diese so gern für sich in Anspruch nimmt.«


»Saxus«, der nach seiner Zeit als Grenzsoldat die letzten Jahre bis zur Wende bei der DDR-Bahnpolizei seinen Dienst tat, konnte hier nach eigenem Bekunden seinen Rassismus auf brutale Art und Weise ausleben. Darüber, was passierte, wenn ein mosambikanischer oder angolanischer Vertragsarbeiter beim Schwarzfahren erwischt wurde berichtet er offenherzig mit vielen »Smileys« im Text: »Das waren für uns regelrechte Festtage. Rein in den Zug, Polizeigriff und dann erst mal raus mit dem Dreck. Auf dem Weg zur Wache ›fiel‹ der Affe oft ›zufällig‹ hin oder wir mussten zum Teleskopi greifen, wegen seiner ›Gegenwehr‹.‹ Belangt wurde »Saxus« anscheinend nie: »Anzeigen von dem Ungeziefer gab es, die wurden aber alle abgeschmettert!!«

 

Größtes Naziforum Deutschlands


Die vermutlich echte Identität von »Saxus« wurde bekannt, nachdem Hacker dem Naziforum Thiazi am 17. September einen Besuch abstatteten. Sie erbeuteten dabei unter anderem das »Nationalsozialistische Privatforum«, einen Unterbereich auf Thiazi. Darin fanden sich Hinweise auf die Identität des Kreisrates.


Die Autonome Antifa Freiburg (AAF) betreibt in dem Sinne »klassische« Antifaarbeit, dass sie Informationen über Nazis sammelt und diese an die Presse gibt sowie Outingaktionen mit Flugblättern im Wohngebiet der rechten Kader durchführt. Im Juli 2009 outete die Antifagruppe den Vorsitzenden der Freiburger NPD. Der NDP-Verband löste sich daraufhin auf. Ein anderes Mal erwischte die Polizei aufgrund der Informationen der AAF einen jungen Neonazi, der in seinem Elternhaus genug Technik und Chemikalien hatte, um eine Bombe zu bauen.


Die AAF widmet sich seit dem Sommer der mit rund 25 000 angemeldeten und gut 3500 aktiven Nutzern größten Internetplattform von und für Nazis im deutschsprachigen Raum. »Bei allen Outings, die wir gemacht haben, kam Thiazi vor. Die haben alle da geschrieben«, sagt ein Sprecher der AAF gegenüber ND. Irgendwann sei klar gewesen, dass es sich dabei um die wichtigste Vernetzungsplattform für die rechte Szene handelte.


Im Juni veröffentlichte die AAF ihr erstes Communiqué über Sabine Rasch, eine der rund 20 Moderatorinnen und Moderatoren des stramm hierarchisch und klandestin organisierten Naziforums. Das Outing fand ein sehr breites Medienecho. Rasch zog sich daraufhin zurück. Am 15. September erfolgte der nächste Schlag gegen Thiazi. Mit dem Münchner Gebrauchtwagenhändler Patrick H. wurde ein weiterer Thiazi-Moderator geoutet. Die Aktionen der AAF lösten in den Foren teils scharfe Debatten aus, andere Moderatoren strichen die Segel, die Betreuerstruktur des Forums wurde neu geordnet.


Die jetzt zugänglichen Informationen straften die sächsischen Behörden Lügen, »die weiter konsequent behaupten, die sächsische Neonaziszene agiere weitgehend unkoordiniert und zersplittert«, sagte die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (LINKE) in einer Mitteilung am Donnerstag. Sie frage sich, warum den Behörden die jährlichen Treffen von Thiazi-Nutzern entgangen seien und forderte die Staatsregierung auf, »die Öffentlichkeit umgehend, umfassend und nachvollziehbar über die bekannten Verbindungen zwischen der NPD und den so genannten ›Freien Kräften‹ zu informieren.«


http://linksunten.indymedia.org/de/node/26474