MZ: Umbenennung der Hindenburgstraße

Bismarck-Karikatur

Die Hindenburgstraße in Mainz wurde im Zuge einer Protestaktion umbenannt und heißt jetzt Lea-Zitronenbaum-Straße. Die Straßenschilder wurden bereits ausgetauscht und die AnwohnerInnen schriftlich informiert.

Paul von Hindenburg übernahm während des ersten Weltkrieges im August 1916 die Oberste Heeresleitung und betrieb in dieser Funktion die expansive Fortführung eines deutschen Angriffskrieges. Gleichzeitig baute er die Machtposition des Militärs gegenüber dem Parlament und der Regierung aus. Nach Kriegsende gehörte er zu denjenigen, die die Verantwortung für den verlorenen Krieg fälschlicherweise einem „inneren Feind“ (gemeint waren damit die sozialistische Linke und die Sozialdemokratie) zusprachen, der das deutsche Militär „von hinten erdolcht“ habe (Dolchstoßlegende).

 

Nachdem Hindenburg 1925 Reichspräsident wurde, schlug er bereits 1930 den Weg zur Aushöhlung des parlamentarischen Systems ein, indem er am Reichstag vorbei, durch von ihm abhängige Präsidialkabinette, regierte. Trotz anfänglichem Zögern Hindenburgs mündete dieser Kurs in der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933. Kurze Zeit später unterzeichnete er das Ermächtigungsgesetz und die Reichstagsbrandverordnung, die die Verfolgung zahlreicher sogenannter GegnerInnen des neuen Regimes ermöglichte. Damit gab er den Weg frei zum Aufbau der NS-Diktatur.

Lea Zitronenbaums Eltern stammten aus dem polnischen Jaslo (früher Österreich-Ungarn). Ihr Vater, Oskar Zitronenbaum, kam 1912 nach Mainz, im Jahr 1919 folgte ihm seine Frau Amalie. Die beiden betrieben in der Augustinerstraße 51 ein Wäschegeschäft. 1920 wurde ihre Tochter Lea geboren, Leas Bruder Leo kam 1920 zur Welt. Nach der Grundschule besuchte sie von 1920 – 1933 die Höhere Mädchenschule, das heutige Frauenlobgymnasium in der Adam-Karillion-Straße 35. Als Folge der Repressalien gegenüber jüdischen BürgerInnen im nationalsozialistischen Deutschland, denen sie und ihre Familie nach 1933 ausgesetzt waren, verbrachte sie ihre letzten Schuljahre an der jüdischen Bondi-Straße (Flachsmarktstraße / Ecke Margaretengasse). Am 28. Oktober 1938 wurde Lea Zitronenbaum gemeinsam mit ihrem Vater nach Polen deportiert. Wie etwa 12.000 – 17.000 aus Polen stammende Juden und Jüdinnen wurde die Familie aus Deutschland ausgewiesen. (Der Beschluss gilt als deutsche Reaktion auf die Entscheidung der polnischen Regierung, die Pässe der länger als fünf Jahre im Ausland lebenden polnischen Jüdinnen und Juden ab dem 31. Oktober 1938 für ungültig zu erklären.)  Ihre Mutter Amalie und ihrem Bruder Leo war es am 29. Oktober nicht mehr möglich, nach Polen einzureisen. Sie kehrten nach Mainz zurück. Dort erlebten sie in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November die Zerstörung ihres eigenen Geschäftes, der Synagoge und der Bondi-Schule. Amalie Zitronenbaum gelang es, ihren Sohn Leo im April in einem der rettenden Kindertransporte nach England unterzubringen. Sie selbst wurde wie ihr Mann Oskar und ihre Tochter Lea in einem der deutschen Vernichtungslager in Polen ermordet. Lea Zitronenbaums Name und ihre Lebensgeschichte sind wie die zahlreicher anderer im öffentlichen Raum nicht mehr sichtbar.