Bochum: 2. Prozesstag im Verfahren gegen Thomas Wulff

Thomas Wulff vor dem Landgericht Passau

Am gestrigen 25. August fand um 10 Uhr in Raum C 247 des Bochumer Landgerichts der 2. Hauptverhandlungstag gegen den NPD-Bundesvorstands-Beisitzenden Thomas Wulff statt. Eine Erklärung des Nazi-Redners, Videos von seiner Rede und die Verhörung des Zeugen Claus Cremer füllten den heutigen Termin.


Der Angeklagte griff die Staatsanwaltschaft in einer Stellungnahme zur Anklage an und erklärte, dass keine seiner Handlungen einer Reue oder Schuld bedürfen.


Die Sichtung des Videomaterials zeigte laut Anwalt, dass seinem Klienten nichts vorzuwerfen sei, im Gegensatz zu den anderen Rednern Axel Reitz und Claus Cremer. Letzerer spielte heute im Zeugenstand den Dementen und machte deutlich, dass dem Gericht wohl nicht an einer ernsthaften Vernehmung gelegen war.


Auf einer NPD-Demonstration am 25.10.2008 in Bochum hatte Wulff bei einer Rede offen gegen Ausländer gehetzt – nun muss er sich wegen §130 (Volksverhetzung) vor der 6. Strafkammer (allgemeine Strafsachen) verantworten.

 

Die Anklage Vertritt die Staatsanwältin Wenzel. Den Vorsitz hat der ‚Richter am Landgericht’ Volker Talarowski, Richterin Wulf und ‚Richterin am Landgericht’ Breywisch-Lapping sitzen ihm bei.

Die Schöffen sind Diane Fell und Waltraud Monstadt.

 

Aktenzeichen: II-6 KLs 10/09

 

Der aus Norddeutschland anreisende Thomas Wulff, hatte natürlich wieder die Bochumer NPD-Posse im Schlepptau: Claus Cremer, Daniela Wegener, und eine weitere NPD-Frau. Die jüngst (wieder) in den Kreisvorstand gewählten André Zimmer und Markus Schumacher kamen ganz undeutsch zu spät und platzten später in den laufenden Prozess rein. Der Jugendbeauftragte Zimmer übrigens in traditionellem Braunhemd und mit Stiefeln.

 

Da Wulffs Anwalt, das Berliner NPD-Mitglied Wolfram Nahrath, am ersten Verhandlungstag eine Einstellung des Verfahrens beantragte, musste zu Anfang darüber entschieden werden, ob diesem stattgegeben wird. Nahrath bezeichnete die Anklage zuletzt als „widersinnig und unschlüssig“.

Der Richter wies den Antrag jedoch erwartungsgemäß zurück und berief sich in der Begründung auf die „Begrenzungsfunktion“, d.h. die „klare Identität des geschichtlichen Vorgangs“, welche in der Anklage gegeben sei. Weiterhin gebe die Anklage auch deutliche Orts-, Personen-, Zeit- und Informations-Angaben; die „Informationsfunktion“ sei also ebenfalls „trotz ungewöhnlicher Formulierung“ erfüllt. Kurz: Die Anlage ist nach Meinung des Richters formal korrekt und deshalb zulässig.

Talarowski gestand dem Angeklagten im Zuge dessen ein, dass die Anklage zwar ein „Werturteil vertritt“ und „vielleicht nicht griffig“ sei, die Aussagen Wulffs seien aber deutlich angeführt und deshalb auch verhandelbar.

Daraufhin entstand ein kleines Wortgefecht zwischen Staatsanwältin und Verteidiger, welches der Vorsitzende Richter unterbrach: „Ich möchte jetzt an die Sache gehen und mich nicht Verzetteln“. Was geschehen ist und was dem Angeklagten zuzurechnen sei, mochte er nun herausfinden.

 

Folgend wurden die möglichen Zeugen vom Richter genannt:

Jansen (Polizeidirektor der Polizei Bochum),

Gödde (Polizist aus Einsatzleitung des 25.10.2008),

Jansen (Staatsanwalt vor Ort am 25.10.2008),

Claus Cremer (NPD-NRW Vorsitzender, Anmelder der Demo),

Pohl (vermutlich der NPDler Markus Pohl aus Vechta),

Sven Skoda (Düsseldorfer „freie Kräfte“ - Aktivist, gilt als Wulffs „Vertreter“),

Stefan Haase (ehem. NPD-NRW-Landesvorstand),

Dr. Feldmann (Bochumer Amtsrichter; richtete sich mit Briefen, über das skandalöse Verhalten der Polizei bei dem Nazi-Aufmarsch, an den NRW-Innenminister),

Martin Budich (Mit-Initiator der Bürgerlichen Proteste),

Alexander Heer,

KK Schunk,

Michael Hermund (DGB-Regionsvorsitzender Ruhr-Mark),

Wessel.

 

Der im Zuschauerbereich sitzende Claus Cremer wurde nun vom Richter hinausgebeten, da er ein „verhandelbares Beweismittel“ sei und deshalb der Verhandlung vor seiner Aussage nicht beiwohnen dürfe. Er sollte um 13 Uhr als Zeuge wieder erscheinen.

Im Anschluss dazu ließ Verteidiger Nahrath verlautbaren, dass sein Angeklagter eine verfasste Erklärung abgeben wird.

 

Nach einer kurzen Pause begann der Teldauer Nazi seine Einlassung stehend, in bester Redner-Manier, vorzutragen. Diese habe er nach dem 1. Verhandlungstag verfasst, da er „vom Prozess unangenehm überrascht“ wurde und ein solches „Konstrukt“ seiner Stellungnahme bedürfe. Die anschließenden Gedanken seien nicht an die Kammer gerichtet, die ja nur ihre Aufgabe mache, sondern an die Staatsanwaltschaft, welche er sehr „bedenklich“ fände.

Er wolle sich „nicht zum Minnesänger der Etablierten“ machen und wisse selber nicht wie, oder wo er sich zu verteidigen hat, da seine Rede Straffrei gewesen sei, wie schon zuvor von Juristen bestätigt worden wäre.

Im folgenden kreierte er ein Opfer-Szenario, in welchem er als Redner Hass & Gewalt, Eier- und Flaschenwürfen von Gegendemonstranten ausgesetzt war und sich der „infernalischen Musik“ aus den Schauspielhaus-Lautsprechern mit „gesteigerter Lautstärke“ widersetzen musste. „Dann kann ich auch lauter, wenn ich muss“ schrie Thomas Wulff plötzlich durch den Gerichtssaal. Das Schauspielhaus Bochum hatte damals eine Musikanlage gegenüber der NPD-Kundgebung aufgestellt und laut Anti-Nazi-Parolen mit Musik abgespielt.

Er empörte sich weiter über den Prozess, er habe so etwas „in 25 Jahren nicht erlebt“ und fürchte um eine verschärfte Verfolgung der „deutschen Opposition“.

Schließlich sei das von ihm damals gesagte nichts Verbotenes, denn auch etablierte Politiker wie Thilo Sarrazzin oder Alt-Kanzler Gerhard Schröder forderten die Abschiebung krimineller Ausländer, was ja ebenfalls ein Hinweis darauf wäre, dass die „Problematik von Multikulti“ offensichtlich allen bekannt wäre. „Je heftiger die Widersacher, desto Straffälliger die deutsche Opposition“ resummierte er die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft.

Er jedoch sei „politischer Aktivist“, sieht keine Fälsche in seinem Handeln und bereue nichts. Deshalb würde er keine Verhandlungsbeiträge mehr machen und auch Fragen nicht mehr beantworten.

Schließlich forderte er eine Entbindung seiner Person vom Prozess, welche sein Anwalt sofort als Antrag hinterher schob.

 

Die Entscheidung über diesen Antrag wurde vorerst zurückgestellt. Zunächst sollten Beweisvideos angesehen werden, da sich der Angeklagte anscheinend nicht an seine Rede erinnern will und kann, so der Richter.

 

Nach einer eingeschobenen Pause ging es um 11:15 weiter. Das von der Polizei zur Verfügung gestellte Videomaterial könne nicht gesichtet werden, so Richter Talarowski, da noch mit der Behörde abzuklären ist, ob die Datei in einer öffentlichen Hauptverhandlung abgespielt werden kann. Wir können auf den Inhalt der Aufnahmen mehr als gespannt sein, wenn diese zur öffentlichen Sichtung freigegeben werden.

Aufgrund der noch zu klärenden Umstände, wurden nun die von der NPD Münster auf www.youtube.com hochgeladenen Videos der rechten Kundgebung am Schauspielhaus Bochum abgespielt. Darauf zu sehen sind die Reden von:

 

Thomas Wulff:

http://www.youtube.com/watch?v=qw5nvuRD6Mk

http://www.youtube.com/watch?v=3InJ7HMcN6c&feature=related

Axel Reitz:

http://www.youtube.com/watch?v=MpZ7Nrqa3To&feature=related

Claus Cremer:

http://www.youtube.com/watch?v=F-T3l4pLAzM&feature=related

http://www.youtube.com/watch?v=pxNjmcCakc4&feature=related

 

Zu Beginn der Sichtung gab es noch eine Ermahnung an Daniela Wegener & Co., da die Nazi-Zuschauer eine anfangs fehlerhafte Wiedergabe der Videos, bei der die Stimme der Redner verzerrt hoch klang, so lustig fanden, dass Sie lauthals lachten. Dem Richter, der die technischen Probleme nicht richtig in den Griff bekam, passte das nicht und so gab’s ne Rüge vom Unparteiischen.

 

Zu den Videos gab die Verteidigung am Anschluss folgende Erklärung ab: Die Störungen seitens der Audio-Anlage vom Schauspielhaus wären unüberhörbar, weshalb der Redner hätte lauter sprechen müssen. Wulffs Rede sei „maßvoll und zurückhaltend“, er habe eine „sparsame Gestik“. Im Gegensatz zu den beiden anderen Rednern [sic] würde er angemessen sprechen – von Aufheizen könne keine Rede sein.

Das Verhalten Wolfram Nahraths ist an diesem Punkt erstaunlich, da er die beiden Redner Reitz und Cremer per Argument der Staatsanwaltschaft zum Fraß vorwirft. Denn in der Anklage geht es eben darum, ob aufwiegelnd, d.h. eben nicht „angemessen“ auf die Zuhörer eingewirkt wurde. Tja, da scheint jede Kameradschaft egal, wenn der eigene (Mandanten-)Arsch gerettet werden muss.

 

Nach einer erneuten Pause ging es um 13:15 Uhr mit der Zeugenvernehmung von Claus Cremer (31, Angestellter im Rat der Stadt Bochum) weiter. Dieser stellte direkt zu Beginn einen Zeugenverweigerungsantrag laut §55 StPo. Nahrath lenkte an diesem Punkt ein und beanstandete, dass offensichtlich auch gegen den Zeugen ein Verfahren eröffnet werden könnte, wenn man sich die Anklageschrift und die Videos ansehe. Nach der Steilvorlage des Anwalts bei seiner Erklärung zu den Aufnahmen tatsächlich nicht grade abwegig, entgegnete die Staatsanwältin, dass kein Verfahren beabsichtig ist und deshalb kein Anspruch auf ein umfassendes Zeugenverweigerungsrecht bestehe.

Der Berliner Anwalt erklärte weiter, dass alleine die Beantwortung der Frage wann sich Cremer wo aufgehalten haben soll, eine Belastung darstellen könnte. Eine überaus interessante Aussage, auf die leider weder Staatsanwaltschaft noch Richter weiter eingingen!

Letzterer erklärte, dass keine Strafverfolgung beabsichtigt ist und deshalb eine Nichtbeantwortung der Fragen zu Ordnungsgeld und Ordnungshaft führen können. Als Nahrath erneut versuchte zu verdeutlichen, dass die Anklageschrift und das Urteil des OLGs zur Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Thomas Wulff auch zwangsläufig zu einer Anklage des Zeugen führen müsste beendete der vorsitzende Richter die Diskussion, da es ja auch wenig Zeit gäbe.

 

Die Zeugenvernehmung verlief schließlich extrem schleppend, da sich der Bochumer Nazi so blöd und vergessliche stellte, dass es schier unglaublich schien, wie gelassen der Richter die Befragung durchzog. So konnte Claus Cremer sich unter anderem nicht an folgende Umstände Erinnern:

 

- Ob er als NPD-Landesvorstand (und Versammlungsleiter) die Demo, die der NPD-

  Landesverband angemeldet hat, mit plante

- Ob er Wulff angefragt hat die Rede zu halten

- Wann die Demo am 25.10.08 stattfand (Tageszeit)

- Wer Versammlungsleiter war

- Dass er Versammlungsleiter war

- Wie lange die Demo gelaufen ist

- Ob/Dass er Kontakt zur Polizei hatte

- Wo die Demo endete

- Anzahl der Redner

- Ob er Transparente von der Demo wieder erkennen kann

- Dass das (ehem.) Vorstandsmitglied Stefan Haase anwesend war

- Dass ihm mitgeteilt wurde, dass eventuell ein Transparent beschlagnahmt wird

- Dass er auf den Lauti gegangen ist, vor einer Beschlagnahmung gewarnt hat, und   

  davor, dass 2 Demo-Teilnehmer vielleicht nicht bis zum Ende mit kommen können

  und suggerierte, dass der Rest der Demo weiß, wie man sich solidarisch verhält

- Ob das Transparent “Multikulti ist Völkermord“ an die Polizei übergeben wurde

- Ob im Nachhinein besprochen wurde, dass Strafverfahren anstehen könnten

 

Als die Staatsanwältin ihn darauf ansprach, dass er ja unglaubliche Erinnerungslücken habe, entgegnete er: „Ich bin ja auch 31 Jahre alt!“

Dies blieb die einzige Reaktion seitens des Gerichts, auf den besorgniserregenden Gedächtnisschwund eines Anfang-30ers.

 

Der aus dem Zeugenstand entlassene Lügenbaron nahm dann im Zuschauerbereich neben seiner Daniela W. Platz, die ihm tätschelnd auf die Schulter klopfte: Das hast du gut gemacht, Clausi-Mausi.

 

Zuletzt wurde der Kammerbeschluss erlassen, dass der Antrag auf Entbindung vom Erscheinen des Angeklagten zurückgewiesen wird. Dem Gericht sei ja bewusst, wie weit der Weg von Norddeutschland bis Bochum ist, aber das Erscheinen eines Angeklagten ist „nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht“.

Hierbei scherzt der vorsitzende Richter noch ein wenig mit Nazi Wulff, dass es ab Hamburg ja ganz gut auf der Autobahn laufe, der aber entgegnet, dass es ab Bremen viel besser sei.

 

Der für den 17.9. anberaumte Termin fällt aus, da Anwalt Wolfram Nahrath eine Berufung in Ulm hat. Der Termin am 30.8. fällt ebenfalls aus, da es in der Familie des Berliner Nazi-Anwalts einen Trauerfall gab. Oooh.

 

Die nächsten anberaumten Termine sind:

 

08.09.’10                   Raum C 247             9:00

13.09.’10                   Raum C 141             9:00

17.09.’10                   -                                  9:00

11.10.’10                   Raum C 141             9:00

20.10.’10                   -                                  9:00

08.11.’10                   Raum C 141             9:00


1.Prozesstag am 17.08.’10 in Bochum:

http://linksunten.indymedia.org/de/node/24267

 

Demobericht vom 25.10.’08:

http://ajb.blogsport.de/2008/10/27/demo-gegen-naziaufmarsch-in-bochum/

 

 Claus Cremer:

http://ajb.blogsport.de/images/werimglashaussitzt.pdf

 

Wolfram Narath:

http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/nahrath-wolfram

 

Thomas Wulff:

http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Wulff

 

 Dr. Ralf Feldmann an Innenminister:

http://www.bo-alternativ.de/2008/12/04/npd-und-polizei-in-bochum/


http://www.ruhrnachrichten.de/lokales/bochum/NPD-Vorstand-Thomas-Wulff-erhebt-Vorwuerfe-gegen-Bochumer-Staatsanwaltschaft;art932,1009865

http://www.derwesten.de/staedte/bochum/gericht/NPD-Vorstand-will-sich-nicht-verteidigen-id3606900.html