Freispruch für Protestierer

Erstveröffentlicht: 
10.08.2010
Schorndorf Ein Demonstrant gegen die NPD in Ulm landet vor Gericht. Von Annette Clauß

 

Wegen Landfriedensbruchs hat sich gestern ein 21-jähriger Student aus Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) vor dem Amtsgericht verantworten müssen. Am Ende wurde der junge Mann freigesprochen. Selbst die Staatsanwaltschaft war am Ende der Beweisaufnahme von ihrer Anklage abgerückt und hatte in ihrem Plädoyer den Freispruch des 21-Jährigen gefordert.

Ursprünglich hatten die Ankläger dem Studenten vorgeworfen, bei einer Gegendemonstration zu einem Aufmarsch der Jungen Nationaldemokraten am 1. Mai 2009 in Ulm strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein. Der 21-Jährige habe damals gemeinsam mit anderen eine Menschenkette gebildet, um die Polizei abzudrängen, so die Anklage. Zudem seien aus dieser Gruppe heraus Steine, Flaschen und Knallkörper auf Polizisten geschleudert worden. Dabei wurde ein Beamter leicht verletzt.

Die Demonstration war als Protest gegen eine Kundgebung der NPD-Jugendorganisation gedacht gewesen. Die Stadt Ulm hatte damals noch versucht, den Aufmarsch der Rechtsextremen von einem Gericht verbieten zu lassen, war damit aber in zweiter Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof gescheitert.

„Ich habe die Tat nicht begangen, mehr sage ich dazu nicht", erklärte der Angeklagte. Ein Polizist, den das Gericht als einzigen Zeugen geladen hatte, war im Urlaub und deshalb nicht erschienen. Lediglich die Filmaufnahmen der Polizei von jenem 1. Mai konnten darum vor Gericht zeigen, was der 21-Jährige getan hatte - oder eben nicht. Denn tatsächlich sprach das Video eher für den Angeklagten.

Der junge Mann war zwar in der Gruppe deutlich zu erkennen. Er hatte weder eine Sonnenbrille noch eine Kappe getragen und auch sonst in keinster Weise versucht, sich unkenntlich zu machen. Auf den Bildern stand er meist am Rande des Geschehens und wirkte - da waren sich Gericht und Staatsanwaltschaft einig - „eher teilnahmslos". Anhand des Videos lasse sich nicht feststellen, ob der Angeklagte überhaupt Teil der Menschenkette gewesen sei, die auf die Einsatzkräfte zugestürmt sein soll, sagte die Staatsanwältin. Möglicherweise sei er sogar selbst geschubst worden. Das beurteilte auch der Richter so. „Man kann dem Angeklagten keinesfalls eine aktive Teilnahme nachweisen", sagte er.

Gleichwohl ist der junge Mann ins Visier der Ankläger geraten, gerade weil er sich nicht vermummt hatte. So war er einer der wenigen, die die Polizei nach der Randale in Ulm über die Videoaufnahmen identifizieren konnte. Bei den Krawallen im Mai 2009 waren 59 Menschen verletzt worden, darunter 38 Polizeibeamte. Die Polizei hatte damals eigens eine Ermittlungsgruppe zur Aufklärung von 104 Straftaten - darunter gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung oder Rauschgiftbesitz - eingesetzt.