Neues aus der Anstalt

JVA Bruchsal

Im Januar hatte ich von den Gedanken und Einfällen des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bruchsal berichtet; u.a. von der Streichung von 23 Besuchstagen für 2010. An diesen Tagen sollte dann gar kein Besuch in der JVA möglich sein. Zwischenzeitlich änderte der Anstaltsleiter seine Verfügung und begründete dies mit der steigenden Belegung der Anstalt, sodass er nicht mehr an der Streichung der Besuchstage für 2010 festhalten wolle.


Der Anstaltsarzt


Dafür macht nun der Anstaltsarzt, Dr. med. Peter Maier von sich reden; seit Sommer 2009 in der JVA Bruchsal tätig, nachdem er eine Hausarztpraxis aufgegeben hatte. Der Gefangenenvertretung gelang es trotz mehrfacher schriftlicher Anfragen nicht, ihn zu einem Gespräch zu bewegen, in der Zeit, in der ich selbst Mitglied dieses Gremiums war.

Arzt-Patienten-Beziehungen sind etwas sehr persönliches und auch fragiles, gerade in einem Gefängnis. Dort kann sich kein Patient den Arzt aussuchen, sondern muss mit dem Doktor vorlieb nehmen, der in der JVA Dienst tut. Auch der Gesetzgeber tut das Seine dazu, eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung auszuhöhlen, indem er den Arzt zwingt, bestimmte Sachverhalte, die diesem durch die inhaftierten Patienten bekannt werden, dem Anstaltsleiter zu melden (sogenannte „Offenbarungspflicht“).

Diabetikerkost gestrichen


Mit Schriftsatz vom 11.06.2010 (Titel: „Umstellung Diabetikerkost“) informierte Dr. Maier seine Patienten, welche an Diabetes leiden, dass sie ab 01.07.2010 keine Diabetikerkost mehr erhalten würden.

Dabei berief sich der Anstaltsarzt auf nicht näher bezeichnete „Fachgesellschaften“, welche sich ihrerseits auf von ihm nicht näher bezeichnete „internationale Studien“ beziehen würden, sodass für die betroffenen Gefangenen die Hintergründe letztlich völlig im Dunkeln blieben, da sie seine Informationen nicht verifizieren können.

Ab sofort, so der Arzt, liege es „in der Eigenverantwortung eines jeden selbst“, auf die der chronischen Erkrankung angemessene „Energiezufuhr zu achten“.

Substitutionstherapie gekürzt


Am 01.07.2010 folgte die nächste Verlautbarung aus dem Arztrevier, in Gestalt des ehemaligen Haus- und nunmehrigen Anstaltsarztes Dr. Maier.

In jeder Haftanstalt findet sich ein erheblicher Anteil an Inhaftierten mit akuten und/oder chronischen Drogenproblemen. Um den Entzug zu mildern, wird deshalb auch in Gefängnissen die Substitution (z.B. mit Methadon) zunehmend praktiziert, welche im Allgemeinen gut angenommen wird. Um „Missbrauch“ des Substitutionspräparats zu verhindern, müssen die entsprechenden Patienten in der JVA Bruchsal morgens gegen 6:20 Uhr von ihrem Stationsbereich in das Anstaltsrevier „vorgeführt“ werden, um dort das Medikament einzunehmen.

Angeblich führe die schiere Zahl von etwa 20 Substituierten „zunehmend zu Problemen organisatorischer Art“, welche, so der Doktor weiter, „mit der derzeitigen Personaldecke nicht mehr zu bewältigen“ seien.

Sich offenbar zügig an die Diktion im Gefängnis angepasst, lässt er uns Gefangene wissen: „Aus diesem Grund wird beschlossen: die Anzahl der Substitutionspatienten wird reduziert.“ Ferner, so der Anstaltsarzt weiter, werde er „bis zum Erreichen einer akzeptablen Anzahl an Substitutionspatienten (12)“ keine weiteren Patienten in das Programm aufnehmen. Dies bedeute, „dass zuerst 8 !! Patienten ausscheiden müssen“ (Ausrufezeichen im Original).

Körperliche Unversehrtheit?

Nun gilt, zumindest in der Theorie, auch im Gefängnis das Recht auf Leben und Gesundheit; außerdem regelt Artikel 104 Absatz 1 Grundgesetz ausdrücklich, dass „festgehaltene Personen (…) weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden“ dürfen.

Es gibt auf den Fluren murrende Insassen, die sich fragen, wofür denn der Arzt und sein Personal so üppig bezahlt werden, wenn „Probleme organisatorischer Art“ herhalten müssen, um die Substitution einzuschränken. Aber wo kein Kläger, da kein Richter – und bereit sich namentlich zitieren zu lassen war keiner der betreffenden Gefangenen. „Den muss man doch anzeigen“, so ein verzweifelter Einwurf eines Inhaftierten; aber aus der Praxis kann berichtet werden, dass selbst wenn Gefangene zu Tode kommen, sich letztlich fast nie eine Verurteilung eines Gefängnisarztes erreichen lässt.

Vorbereitung auf das Leben nach der Haft


Letztlich könnte man die Maßnahmen des Dr. Maier auch als punktgenaue Umsetzung des im Strafvollzugsgesetz verankerten „Angleichungsgrundsatzes“ (in § 3 Abs. 1 StVollzG-Bund heißt es: „Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden.“) werten. Nämlich Kürzung und Rationierung medizinischer Leistungen für das Prekariat!

 

 

Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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