Terror-Verfahren gegen Neonazis eingestellt

Erstveröffentlicht: 
21.08.2017

Sie sollten Anschläge auf Flüchtlinge, Juden und Polizisten geplant haben: Die Bundesanwaltschaft hatte im Januar ein mutmaßlich rechtsterroristisches Netzwerk ausgehoben. Bundesweit durchsuchten Ermittler Wohnungen und Verstecke der Gruppe, fanden nach Behördenangaben Waffen, Munition und Sprengstoff. Zwei Neonazis kamen in Haft. Jetzt hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung eingestellt.

 

Von Julian Feldmann & Nino Seidel

 

Vorwürfe gegen "Terrorzelle" nicht haltbar


Noch im Januar 2017 betonte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Wichtigkeit des Kampfes gegen Verfassungsfeinde. Etwaiger entstehender Rechtsterrorismus werde von den Sicherheitsbehörden im Keim erstickt, so De Maizière nach den Razzien. Fünf Rechtsextreme sollten eine Terrororganisation gegründet haben, ein weiterer hätte sie dabei unterstützt. Insgesamt sollte die "klandestine Zelle" sogar aus zwölf bis 18 Personen bestanden haben, heißt es in Ermittlungsunterlagen, die Panorama 3 einsehen konnte. Die Mitglieder sollten "unter Nutzung von Codenamen untereinander in Verbindung stehen". Schwere Vorwürfe, die sich inzwischen in Luft aufgelöst haben.

 

Im Fokus der Ermittlungen stand der als "Druide" auftretende Neonazi Burghard B. aus Baden-Württemberg. Die Polizei nahm den als "Burgos von Buchonia" bekannten Mann im brandenburgischen Rietz-Neuendorf fest. Seine vor allem antisemitischen Hasstiraden verbreitete er vor allem über soziale Netzwerke, worüber sich auch die Angehörigen der angeblichen Terrorzelle ausgetauscht haben sollen.

 

Im Interview mit Panorama 3 sprach einer der Beschuldigten über diese "Terrorzelle". Der Neonazi Markus J. aus Braunschweig hatte an einem Treffen der Gruppe in Mannheim teilgenommen, das von den Behörden observiert worden war. Von geplanten Anschlägen wisse er nichts, sagte J. einige Tage nach der Hausdurchsuchung bei ihm. Nach seiner Aussage sei es bei dem Treffen um Möglichkeiten der Selbstverteidigung und Vorbereitungen auf einen möglichen Krieg gegangen. 

 

"Verquere Vorstellungswelt"


Diese Erkenntnis hat jetzt - knapp sieben Monate später - auch die Bundesanwaltschaft. Die Vorwürfe der Bildung und Unterstützung einer rechtsterroristischen Vereinigung hätten "sich im Zuge der Ermittlungen nicht erhärten lassen", heißt es aus Karlsruhe. Auch die sichergestellten Waffen sollten offenbar doch nicht für Anschläge auf Repräsentanten des Staates genutzt werden. "Vielmehr ist davon auszugehen, dass Burghard B. in einer verqueren Vorstellungswelt lebte. Unter anderem befürchtete er innerstaatliche Unruhen bis hin zum Ausbruch des Dritten Weltkrieges." Dafür wollten sich die Rechtsextremisten offenbar wappnen - und legten dafür Waffenlager an. Wegen der Verstöße gegen das Waffengesetz ermitteln jetzt die örtlichen Staatsanwaltschaften.

 

In den Ermittlungsakten war auch von einem Stellvertreter B.s die Rede, den die Beamten des Landeskriminalamts Baden-Württemberg mindestens bis Dezember 2016 nicht identifizieren konnten. Er sollte unter den Namen "Curd Ben Nemsi" und "Curd Schuhmacher" in sozialen Netzwerken auftreten. Tatsächlich ist Curd Schuhmacher jedoch kein Pseudonym, sondern der richtige Name eines rechten Aktivisten, der regelmäßig auch bei Pegida als Redner auf der Bühne steht. Gegenüber Panorama 3 erklärte Schuhmacher, dass er B. zwar von einem persönlichen Treffen kenne, von terroristischen Aktivitäten jedoch nichts wisse. Beide hätten sich über das Internet ausgetauscht. Es wundere ihn daher, dass er B's Vize in einer Terrorgruppe sein sollte. Schumacher ist in rechtsextremen Kreisen bekannt, er veröffentlicht regelmäßig Videos, in denen er sich lautstark über die aktuelle Politik echauffiert. 

 

"Druide" weiterhin in Haft


Ausgelöst hatte die Ermittlungen ein "Hinweisgeber", der dem Bundesamt für Verfassungsschutz über die Gruppe berichtete. B. habe damit geprahlt, Waffen zu besitzen. Die Behörden ermittelten - doch offenbar nicht sehr gründlich: So konnten bei der Observation des Mannheimer Treffens der Gruppe im Mai 2016, an dem auch der Braunschweiger Markus J. teilgenommen hatte, mehrere Anwesende nicht identifiziert werden. Dass die Ermittlungen jetzt jedoch eingestellt wurden, verwundert. Vor anderthalb Wochen sagte die Pressesprecherin der Bundesanwaltschaft noch gegenüber der "Schwetzinger Zeitung": "Unsere bisherigen Ermittlungen haben ergeben, dass sich an der bisherigen rechtlichen Einschätzung unserer Vorwürfe gegenüber B. nichts geändert hat." "Druide" B. sitzt jedoch nach wie vor wegen anderer Delikte in Haft.