Anschlag auf Justizminister nur wegen einer Verwechslung?

Erstveröffentlicht: 
07.08.2017

20 Monate nach der Buttersäure-Attacke auf die Wohnung von Sachsens Justizminister begann der Prozess gegen zwei Tatverdächtige. Es dürfte nicht leicht werden. Von Tino Moritz

 

Leipzig. Seit Montag müssen sich zwei 30-jährige Männer vor dem Amtsgericht Leipzig wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung verantworten. Was den Fall so besonders macht: Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen die Beteiligung am Anschlag auf die Wohnung des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU) vor. Als Beweis führt sie am Tatort gesicherte DNA-Spuren an. In der Nacht zum 24. November 2015 waren kurz nach 2 Uhr mehrere Pflastersteine und mit Buttersäure gefüllte Christbaumkugeln durch die Fenster von Gemkows damaliger Hochparterrewohnung in der Leipziger Südvorstadt geworfen worden. Der jetzt 39-Jährige sprach danach von Glück, dass seine schlafende Familie - seine Frau und zwei kleine Kinder - körperlich unverletzt blieb. Der Sachschaden belief sich auf knapp 11.000 Euro.

 

Laut Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz wurde der Anschlag von den Angeklagten zusammen "mit mehreren unbekannten Personen" verübt, die damit die Verletzung von Menschen billigend in Kauf genommen hätten. Vor der Verlesung der Anklage scheiterte ein Befangenheitsantrag gegen Richterin Ute Fritsch. Verteidiger Mario Thomas hatte ihr vorgehalten, seinem Mandanten Thomas K. gegenüber nicht unvoreingenommen zu sein. Andernfalls hätte sie die Anklage mangels Belegen nicht zulassen dürfen. Dabei verwies Thomas auch auf die aus seiner Sicht unzutreffende These der Staatsanwaltschaft, wonach eine "mögliche Verwechslung" des Anschlagsziels das Tatmotiv erklären könne. Im Gerichtssaal äußerte sich Schulz am Montag nicht zu dieser Frage. Tatsächlich firmiert ein in der linken Szene beliebter Online-Modeversand auf Internetseiten sogar jetzt noch fälschlicherweise unter der Adresse von Gemkows früherer Wohnung. Zudem soll der gebürtige Leipziger K. bereits an mehreren Überfällen auf linke Gruppierungen beteiligt gewesen sein, so etwa auch an den Ausschreitungen von mehr als 200 Neonazis und Hooligans im Januar 2016 in Leipzig-Connewitz.

 

Der zweite Angeklagte, Roman W., ließ am Montag durch seinen Verteidiger Andreas Meschkat erklären, dass er Thomas K. nicht kenne und auch nichts mit der Tat zu tun habe. Er gehöre weder der linken noch der rechten Szene an und sei bis zum Prozessbeginn noch nie in Leipzig gewesen. Dass er auch zur Tatzeit im November 2015 zu Hause in einem Reihenhaus im von Leipzig mehr als 500 Kilometer entfernten Meckenheim bei Bonn geweilt habe, könnten seine Frau und seine Schwiegereltern bezeugen. Nachfragen ließ W., der im internationalen Autohandel tätig ist und sich so die DNA-Spur in Leipzig erklärt, nicht zu.

 

Zum zweiten Prozesstag nächsten Montag wird Gemkow im Zeugenstand erwartet. Aussagen soll dann auch eine Polizei-Hundeführerin. Die Geruchsprobe eines Pflastersteins hatte ihren Fährtenhund bis vor ein Haus in Leipzig-Connewitz geführt, mit dem beide Angeklagten nichts zu tun haben wollen.