Reaktionen auf Versäumnisse im Verfassungsschutz

Erstveröffentlicht: 
29.06.2017

Nachdem ein interner Bericht des hessischen Verfassungsschutzes zu der Mordserie des NSU in Teilen öffentlich geworden ist, spricht die Linke von „Staatsversagen“. Die SPD nennt die Behörde „reformbedürftig“.

 

Der interne Untersuchungsbericht des hessischen Verfassungsschutzes, der nach dem Auffliegen der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) in Auftrag gegeben wurde, belegt nach Einschätzung von SPD und Linken massive Versäumnisse in der Behörde. Er belege eindrucksvoll, dass „vieles nur gesammelt und nicht bearbeitet worden“ sei, kommentierte die SPD-Innenpolitikerin Nancy Faeser. Das Dokument mache deutlich, wie „reformbedürftig“ der Geheimdienst sei.

 

Der Linken-Abgeordnete Hermann Schaus sagte: „Der Vorwurf vom Staatsversagen hat mit Blick auf das hessische Landesamt für Verfassungsschutz auf bedrückende Weise seine Berechtigung.“ Es habe in den vergangenen 18 Jahren keinen Innenminister und Verfassungsschutzchef in Hessen gegeben, der nicht Teil dieses „eklatanten Versagens und Vertuschens“ gewesen sei.

 

Die Frankfurter Rundschau hatte am Dienstag berichtet, dass dem hessischen Verfassungsschutz bereits 1999 ein Hinweis auf „National Sozialistische Untergrundkämpfer Deutschlands“ vorgelegen hatte. Er sei „im Rahmen der Aktensichtung geprüft“ und an ein anderes Verfassungsschutzamt weitergeleitet worden.

 

Der Hinweis ging anscheinend unter. „Der Sachverhalt war im Rahmen der Dokumentation relevanter Themen nicht aufgeführt“, heißt es in dem Bericht, welcher der FR vorliegt. „Auch eine Befragung der Bediensteten brachte dazu keine Klärung oder weiteren Hinweise.“ Erst im März 2013 fiel er Mitarbeitern des Verfassungsschutzes wieder in die Hände.

 

Sie waren im Juni 2012 von Innenminister Boris Rhein (CDU) beauftragt worden, alle Akten nach Hinweisen auf NSU oder gewalttätige Rechtsextremisten zu prüfen, nachdem im November 2011 der NSU aufgeflogen war. Durchforstet wurden Akten der Jahre 1992 bis 2012. Ein erster Bericht kam im März 2013, ein „fachlicher Abschlussbericht“ vom Dezember 2013 wurde vom Innenministerium zurückgewiesen. Im September 2014 folgte ein endgültiger Abschlussbericht.

Diese Dokumente waren an den NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags gegangen, aber als geheim eingestuft. SPD und Linke drangen erfolgreich darauf, dass zumindest Teile davon „herabgestuft“, also im Ausschuss zitiert werden konnten.

 

Die Aktenprüfung in der Behörde erbrachte, so heißt es in dem Bericht, „keine Bezüge zu den Rechtsterroristen des NSU und ihren Straf- und Gewalttaten“, die für das NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München relevant wären.

 

„Allerdings gab es inhaltliche Erkenntnisse, die mögliche indirekte Bezüge zum NSU-Umfeld oder Hinweise auf nicht immer zu qualifizierende Bezüge zu Personen des NSU-Umfeldes bzw. gewaltorientiertes Verhalten sowie Hinweise für mögliche terroristische Ansätze aufwiesen.“ Etlichen Hinweisen sei „nicht wirklich nachgegangen“ worden.

 

Der Verfassungsschutz behauptet in dem Bericht, er arbeite inzwischen besser. „Insbesondere in den 1990er Jahren wurde Sachverhalten nicht immer adäquat nachgegangen“, heißt es. „Der Bearbeitungsstandard hat sich seither deutlich verändert.“

 

Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der von 1999 bis 2010 als Innenminister für den Verfassungsschutz verantwortlich war, versicherte als Zeuge im NSU-Ausschuss am Montag nur allgemein: „Die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz ist immer einer kritischen Prüfung unterzogen worden.“ Zudem betreffe der Bericht auch Vorgänge, die vor seiner Amtszeit lägen – als noch die SPD-Innenminister Herbert Günther und Gerhard Bökel amtiert hatten.