Valentin Lippmann (B90 / Die Grünen) ist als Sprecher für Datenschutz seiner Fraktion im sächsischen Landtag eine der rührigsten Personen, wenn es um Überwachungsmaßnahmen im Freistaat geht. Dass ihm dabei die Arbeit nicht ausgeht, hat einmal mehr mit der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden zu tun. Mal wieder sind die Ermittler bei einem dreijährigen Lauschangriff auf im Kern 14 Leipziger Verdächtige nicht nur ohne Ergebnis geblieben, sondern erneut deutlich übers Ziel hinausgeschossen. Drei Journalisten, welche für LVZ, VICE und L-IZ.de arbeiten, wurden sozusagen als „Beifang“ mit belauscht.
Sehr geehrter Herr Lippmann, laut der heutigen Mitteilung des NDR wurden nicht nur nunmehr drei Journalisten (L-IZ.de, LVZ & ein freier Autor von „Vice“) als „Beifang“ der Überwachungen mit abgehört, es wurden zudem Inhalte dieser Gespräche auch gespeichert und fanden auch nach Erkenntnissen der L-IZ.de Eingang in die Ermittlungsakten. Zudem wurden sie nicht – wie rechtlich vorgeschrieben – wieder gelöscht, in einem Fall laut NDR bis heute nicht.
Wie bewerten Sie diese Informationen auch vor dem Hintergrund der bislang getätigten Aussagen der Staatsregierung?
Offensichtlich hat mir der Justizminister nicht die Wahrheit gesagt. Das riecht einmal mehr nach Vertuschung der wahren Ausmaße der Überwachungsmaßnahmen. Sowohl auf eine Kleine Anfrage als auch auf Nachfrage in der Innenausschusssitzung des Sächsischen Landtags im Juni wurde mir versichert, dass zum einen zwei (und nicht drei) Journalisten betroffen seien und zum anderen die betreffenden Aufzeichnungen zu Gesprächen der Berufsgeheimnisträger unverzüglich gelöscht worden seien. Das stellt sich nun als falsch heraus.
Ebenfalls wurde nunmehr bekannt, dass die Gesprächsinhalte eines Kollegen der L-IZ.de bis heute nicht aus den Akten entfernt wurden. Wie bewerten Sie diese Informationen auch vor dem Hintergrund der bislang getätigten Aussagen der Staatsregierung?
Wir wissen, dass der Großteil der Abhörmaßnahmen bereits im Jahr 2014 stattgefunden hat. Wenn die Aufzeichnungen – wie ZAPP berichtet – erst im Herbst 2016 gelöscht wurden, wurden sie rechtswidrig viel zu lang gespeichert. Dass sich Aufzeichnungen zu Gesprächsinhalten mit einem Journalisten bis heute in den Akten befinden, ist ein Skandal.
Wenn sich offenbar nicht mal mehr bei Berufsgeheimnisträgern um die Einhaltung geltenden Rechtes durch die Ermittlungsbehörden geschert wird, lässt das schlimmste Vermutungen für den Rest der Bevölkerung zu.
In allen drei Fällen entfiel auch die gesetzlich vorgeschriebene Information über die Überwachungen an die Journalisten nach erfolgloser Einstellung der Ermittlungen im Verfahren Ende 2016 – alle drei Journalisten bestätigen gegenüber dem NDR, keine Mitteilungen erhalten zu haben.
Fand die Post in den vergangenen acht Monaten die Briefkästen nicht oder was könnte Ihrer Meinung nach hinter dieser Unterlassung seitens der Generalstaatsanwaltschaft Dresden stecken?
Von den Telekommunikationsmaßnahmen waren laut Antwort auf eine weitere Kleine Anfrage 240 Personen betroffen. Nur 177 Personen wurden nach Abschluss der Ermittlungen benachrichtigt. Dass die Journalisten und möglicherweise auch der Rechtsanwalt nicht unter den Benachrichtigten waren, ist meines Erachtens kein Zufall. Hier wollte man wahrscheinlich keine schlafenden Hunde wecken und einen aufziehenden Skandal unter den Teppich kehren.
Im Übrigen wurden auch die Bestandsdaten von 838 Handyanschlüssen erhoben. Auch diese Personen hätten nach Abschluss der Ermittlungen informiert werden müssen. Seit dem Handygate im Jahre 2011 wissen wir jedoch, dass sich das Ministerium entgegen den gesetzlichen Verpflichtungen weigert, zum Beispiel Betroffene von Funkzellenabfragen zu unterrichten. Damit wir fortgesetzt Rechtsbruch begangen.
Unabhängig davon halte ich aber das gesamte Verfahren für einen inakzeptablen Ermittlungsexzess zur Erforschung der linken Szene/Fußballszene. Dies umso mehr, als neben den offensichtlich zu Unrecht Beschuldigten zahlreich Dritte und darunter Berufsgeheimnisträger betroffen sind. Wir GRÜNEN haben daher einen Antrag in den Landtag eingebracht, der eine umfassende Aufklärung des gesamten Ermittlungsverfahrens fordert. Den Justizminister fordern wir u.a. auf, umfassend über das gesamte Verfahren zu berichten und aufzuklären, wie viele Berufsgeheimnisträger betroffen waren und warum sie nicht über die Überwachung informiert wurden.