Im Festzelt noch mehr Sieg-Heil-Rufe

Erstveröffentlicht: 
22.06.2017

Die rassistische Gewaltorgie beim Polenzer Sonnenwend-Fest ist auch nach zwei Monaten noch nicht aufgeklärt. Von Alexander Schneider

 

Am längsten Tag des Jahres 2017 hat der Prozess um ausländerfeindliche Übergriffe in Polenz einige überraschende Neuigkeiten ans Licht befördert. Schon seit zwei Monaten befasst sich das Landgericht Dresden mit der Gewaltorgie dreier mutmaßlicher Rechtsextremisten, die seit dem längsten Tag im Jahr 2016 – anlässlich der Sonnenwendfeier des Schalmeienorchesters Polenz – den Ortsteil von Neustadt in Sachsen in Atem hält. Am späten Abend des 18. Juni sollen die drei Männer laut Anklage gezielt einen 28-Jährigen verhöhnt und zusammengeschlagen haben, weil sie ihn für einen Ausländer hielten. Sie hätten ihn als „Islamistenschwein“ beschimpft, „Scheiß-Ausländer haben auf dem Fest nichts verloren“. Sebastian K. (33) aus Bad Schandau habe zuvor zwei Bulgaren niedergeschlagen. Weil er mehrfach mit einem Bierkrug auf den Kopf eines der wehrlos am Boden liegenden Männer geschlagen und ihn erheblich verletzt habe, muss er sich neben gefährlicher Körperverletzung auch wegen versuchten Mordes verantworten.

 

Der Abend begann seltsam. So seien die Drei etwa 17.30 Uhr bereits in einem Audi auf dem Radweg in das Festgelände gefahren, hätten Warnbarken weggeräumt und gesagt: „Hier ist ja noch nichts los“. Kurz darauf kontrollierte die Polizei das Auto in einem Nachbarort. Der Fahrer – Maik R. (38) – war erheblich alkoholisiert. Er erhielt auch eine Anzeige wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und kam mit zum Revier. Als in Polenz um 19 Uhr die Schalmeien aufspielten, waren alle drei Angeklagten wieder da. Ein Zeuge sagte nun, während des Konzerts sei Sebastian K. zur Bühne gelaufen, habe den Hitlergruß gezeigt und Heil Hitler gerufen. Die Gruppe um die Angeklagten habe auch am Biertisch mehrmals „Sieg Heil“ gebrüllt – später hätten sie sich vom Orchester ein Nazi-Lied gewünscht. 

 

„Kommunikation“ kritisiert


Ein Musikerehepaar sagte, ihr Orchesterchef Uwe W. habe sich an eine Polizistin gewandt, weil sie als Veranstalter des Festes wegen dieser Vorfälle ein ungutes Gefühl gehabt hätten. Die Beamtin habe ihm „nur“ eine Polizei-Telefonnummer gegeben. Der Mann, ein 50-jähriger Installateur, sah den wenig später geschädigten 28-Jährigen, wie er sich im Versorgungszelt versteckte: „Er hatte panische Angst.“ Dann seien die Angeklagten gekommen und hätten ihn geschlagen und getreten. Neben K. als Haupttäter habe auch der Mitangeklagte Sebastian S. (24) zugetreten. Der Zeuge berichtete, wie er dazwischen sei und K., der auf dem 28-Jährigen saß, den Arm auf den Rücken verdrehte. Erst als umstehende Polenzer die Polizei alarmiert hätten, sei das Trio weggerannt.

 

In der Vernehmung des Einsatzleiters (36) vor Ort kritisierte der Vorsitzende Richter Herbert Pröls „Kommunikationsprobleme“. Die Beamten hätten ihre Maßnahmen nach den beiden Gewalttaten nicht abgestimmt. Die Folge war, dass Sebstian K. – als Verdächtiger – zunächst einen Platzverweis erhielt, weil er aggressiv war. An die Sicherung von Spuren hatte offensichtlich niemand gedacht. Die Polizisten sprachen demgegenüber von einer „Wand des Schweigens“, da sich keine Zeugen gemeldet hätten. Der Prozess wird fortgesetzt.