Von Postergirls und Dunklen Rittern – Wie man über die Neue Rechte schreiben sollte und wie nicht

Erstveröffentlicht: 
19.06.2017

Schaut man sich den Journalismus zum „Institut für Staatspolitik“ und „Identitärer Bewegung“ an, so entdeckt man neben einigen guten Artikeln etliche, die auf die Selbstinszenierung der „Neuen Rechten“ reinfallen. So ist es offenbar wichtig geworden, Götz Kubitschek zuhause auf seinem Grundstück zu besuchen und ihn in weichgezeichneten Farben beim Melken seiner Ziege oder vor dem Bücherregal zu zeigen. 

 

Von Michael Barthel


Ebenso interessant wie die Ernährungsgewohnheiten der Familie, sind die Umgangsformen des Ehepaars Kositza-Kubitschek. Die Botschaft: Ist er nicht herrlich schräg und gleichzeitig so gefährlich, der “dunkle Ritter” vom Rittergut? Zuletzt schoß eine Reportage des SPIEGEL den Vogel ab. Eine Aktivistin der „Identitären Bewegung“ aus Halle wurde dort als “Postergirl der ‘Identitären Bewegung’” präsentiert.

 

Solche Artikel sind der Höhepunkt einer Entwicklung zu der etliche publizistische Darstellungen beigetragen haben. Dadurch wurde ein Resonanzraum geschaffen, in dem es nicht mehr ohne weiteres möglich ist, Fakten oder Einschätzungen zu den Aktivitäten der „Neuen Rechten“ zu präsentieren ohne das Narrativ der dynamischen Kämpfer für Volk und Vaterland zu bedienen. Auch wenn sich in den Organen der Neuen Rechten regelmäßig über die falsche Darstellung der “Lückenpresse” echauffiert wird, so verfahren ihre Protagonisten doch nach dem Motto “all news is good news”, halten ihr Gesicht in jede Kamera, reden mit jedem Journalisten. Die vorgetragene Distanz zu den etablierten Medien braucht es zur Selbstvergewisserung im eigenen Milieu und geriert dabei zur bloßen Haltung, wissen doch zumindest die führenden Köpfe insgeheim, dass die zu vermittelnde Botschaft nicht das ideologische Programm, sondern die Story von der “patriotischen Jugendbewegung” bzw. dem “verschrobenen Rechtsintellektuellen” ist.

 

Artikel, die mit dem Anspruch, Fakten über die Vernetzung des Milieus zu präsentieren und zu analysieren erscheinen, können in diesem Resonanzraum als Beitrag zum neurechten Narrativ gelesen werden. Statt nüchternes Gegenstück zur boulevardesken Homestory, sind faktenreiche Artikel antifaschistischer Recherche-Gruppen ihre Ergänzung, wenn sie nicht auf die Widersprüche der Selbstinszenierung eingehen, untermauern sie doch die Erfolgsstory der völkischen Netzwerker.

 

David Begrich hat im Störungsmelder auf den Punkt gebracht, wie die Berichterstattung zur “Identitären Bewegung” gestaltet sein muss, um nicht in die Falle zu tappen: Demnach sollte sie “die geplante, wiewohl indirekte, unbeabsichtigte Mitwirkung an der strategischen Bildkommunikation der Identitären verweigern. Sie muss entweder auf Bilder verzichten oder solche Bilder suchen, die die heroische Inszenierung der Identitären dekonstruiert.”

 

Zu einer Dekonstruktion gehört auch den Widerstand, der sich im Alltag gegen die Aktivitäten der Extremen Rechten richtet, nicht zu unterschlagen. In Halle wurde die Selbstinszenierung der Gruppe “Kontrakultur” mehrfach gestört – leider ohne dass dies größere Schlagzeilen gemacht hätte. Die Interventionen zielten darauf ab, die Bildproduktion zu irritieren.

 

Zuletzt geschah dies auf dem Campus der Martin-Luther-Universität als ein Kamerateam des MDR ein Interview führen wollte. Etwa 30 Studierende stellten sich ins Bild und störten den Vorgang. Aus journalistischer Sicht ist das durchaus zu kritisieren, jedoch muss man eben auch beachten, dass die “Identitäre Bewegung” es in der Vergangenheit vermocht hat, die Presse als Vehikel ihrer Inszenierung zu nutzen. Dass die Interviewpartner nun ausgerechnet die Löwen-Skulpturen auf dem Campus, die auf ihre bisher erfolgreichste Aktion hinweisen, ausgewählt haben, lässt darauf schließen, dass auch in diesem Fall das Bild die Botschaft war. Daran ändern auch kritische Nachfragen nichts. Diese werden mit den immer gleichen auswendig gelernten Satzhülsen pariert.

 

Man sollte bedenken, dass es sich bei “Kontrakultur Halle” um eine Truppe von 15 bis 20 Mittzwanziger handelt, denen zwar regelmäßig auf einschlägigen Websites und Social Media Kanälen beim politischen Aktivismus zugeschaut werden kann, die im Alltag der Stadt aber kaum präsent sind. Als Politsoldaten und ob der entsprechenden Vermarktung mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet, reisen “Kontrakultur”-Kader durch ganz Deutschland und auch Europa um an verschiedenen Schauplätzen Bewegung zu inszenieren. Dabei haben Recherchen von ZEIT Online kürzlich gezeigt, dass die gesamte “Identitäre Bewegung” in Deutschland gerade mal ca. 400 Fördermitglieder und 100 Aktive hat.

 

Die unverhältnismäßige Aufmerksamkeit durch die Medien hat dazu geführt, dass sich die Protagonisten der IB mittlerweile wie Popstars – oder eben Postergirls – vorkommen müssen. Ein Autor der FAZ berichtete davon, dass ihm sogar ein Vertrag vorgelegt wurde, mit dem festgelegt werden sollte, was er nicht zu schreiben hat. (7) Dass der Vertrag nicht unterschrieben, das Interview aber doch gegeben wurde, ist bezeichnend für die identitäre Gier nach Aufmerksamkeit.