Neonazi-Vorwürfe gegen Mannheimer Straßenbahnfahrer

Erstveröffentlicht: 
08.06.2017

In Mannheim sollen Straßenbahnfahrer den Hitlergruß gezeigt und gegen Flüchtlinge gehetzt haben. Drei Mitarbeiter wurden suspendiert, der Täterkreis könnte jedoch viel größer sein.

 

Die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) sieht sich einem Rassismus unter den 2000 Mitarbeitern ausgesetzt, dessen Ausmaß bislang nicht annähernd abzuschätzen ist. Gegen Straßenbahner werden Neonazi-Vorwürfe erhoben, auch rassistisch motiviertes Mobbing komme vor. Die Verkehrsbetriebe der Städte Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen haben deshalb eine Rechtsanwältin eingeschaltet, weil das Unternehmen "bei der internen Aufarbeitung an Grenzen gestoßen" sei, wie der Technische Geschäftsführer Martin in der Beek sagt.

Die RNV will damit den "schweren Vorwürfen gegen das Unternehmen und einzelne Mitarbeiter" begegnen, betont in der Beek. "Das sind wir der Öffentlichkeit und den Fahrgästen schuldig."

Die RNV hat erste Konsequenzen gezogen und drei Mitarbeiter vom aktiven Dienst suspendiert. RNV-Sprecher Moritz Feier befürchtet, "dass der Täterkreis sehr viel größer ist". Die Anwältin Ruhan Karakul stellt nun die Frage, ob die Vorkommnisse überhaupt ein derartiges Ausmaß erreichen durften. Denn erste Hinweise auf Verfehlungen des Personals auch gegenüber Fahrgästen gab es schon vergangenes Jahr. Ein Straßenbahnfahrer hatte nach mehreren Abmahnungen die Kündigung erhalten und in diesem Zusammenhang die RNV-Geschäftsleitung mit den Neonazi-Vorwürfen konfrontiert. Der entlassene Straßenbahner, nach RNV-Angaben selbst mit Migrationshintergrund, hatte Kollegen mit dem Smartphone gefilmt und diese Aufnahmen dem Chef gezeigt. Seit Mai 2016 ist wenig geschehen, jetzt überstürzen sich die Ereignisse und Geschäftsführer in der Beek verspricht "lückenlose Aufklärung".

Muslime und Afrikaner seien rassistisch beschimpft worden, versicherte der Ex-Straßenbahner, und sprach auch vom "Hitler-Gruß", den Kollegen gezeigt und den er gefilmt habe. Auch sei eine Frau in der Straßenbahn sexuell belästigt worden. Die Videoaufnahmen freilich seien von minderer Qualität, womit in der Beek das anfangs zögerliche Vorgehen der RNV rechtfertigt. Auf die kurzen Videos angesprochen, sagt er, "das erschien uns alles recht wirr". Dennoch sei versucht worden, den Vorwürfen nachzugehen. Herausgefunden haben die internen Ermittler inzwischen, dass es durchaus zu einer Hetze gegen Flüchtlinge etwa in den sozialen Netzwerken gekommen sei. Das Videomaterial wurde der Polizei übergeben, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

"Es ist unerträglich, was man hier erfahren muss", sagt in der Beek nun. Die Ereignisse wirken sich auf die Unternehmenskultur aus, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zu rund 40 Prozent mit Migrationshintergrund, machten sich große Sorgen. "Die letzten Tage waren für mich und mein Team sehr belastend und wir haben konstatieren müssen, dass wir das nicht mehr alleine leisten können." Deshalb wurde die Rechtsanwältin Ruhan Karakul, Justiziarin des Zentralrats deutscher Sinti und Roma in Heidelberg, als Ombudsfrau ins Boot geholt. Unterstützt wird Karakul von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young.

Die Anwältin ist nicht überrascht von den Vorwürfen. "Die Gesellschaft ist nicht frei von Rassismus", auch nicht in der in dieser Hinsicht als liberal geltenden Stadt Mannheim. Deshalb könne sie nicht sagen, "dass das ein Novum ist". Gleichwohl: "Rassismus darf weder in Unternehmen noch sonst wo in der Gesellschaft geduldet werden."