Niemand ist vergessen - In Gedenken an alle Opfer rechter Gewalt

„Niemand ist vergessen“

Kommt am 01.07.2017 nach Neuruppin und unterstützt unsere Demonstration! Eine Gedenktafel ist nicht genug! Am 01. Juli 1992 wurde im Neuruppiner Rosengarten der 50-jährige Emil Wendland von einer Gruppe Neonazis ermordet. Die Täter wollten einen „Assi klatschen“. Nachdem Sie ihn brutal misshandelten, stach der 21-jährige Haupttäter 7 Mal auf den bereits Bewusstlosen ein und töte ihn so.

 

Am 1. Juli 2017 rufen wir erneut zum Gedenken an den Mord von Emil Wendland auf. In der Nacht zum 1. Juli 1992 überfielen nach einem Saufgelage Naziskinheads den schlafenden, damals wohnungslosen Wendland. Sie traten mit Springerstiefeln auf ihn ein und zerschlugen eine Bierflasche an seinem Kopf. Vorerst ließen sie den schwer Verletzten zurück, bis einer der Gruppe zurückkehrte und mit einem Jagdmesser auf ihn einstach, sodass er verblutete. Später kehrte die Gruppe noch einmal zurück und sammelte mögliche Beweismittel ein. Emil Wendland starb in dieser Nacht in Neuruppin. Seitdem 2012 gibt es ein regelmäßiges Gedenken durch Antifaschist*Innen zu seinem Todestag. In diesem Jahr jährt sich sein Todestag zum 25. Mal. In den vorigen Jahren waren immer wieder Neonazis in der Nähe der Kundgebung, um diese zu stören und ebenso eine Kundgebung abzugeben. Dies ist eine immer wiederkehrende Aktion unter vielen Weiteren in dieser Region. In den letzten Jahren gab es mehrere schwere Angriffe auf linksalternative Jugendliche und auf unser linkes Jugendprojekt „Jwp-MittenDrin“ in Neuruppin. Wir haben kein Bock auf rechte Gewalt, auf den Versuch uns Angst machen zu oder uns unsere Meinung ausprügeln zu lassen. Wir haben kein Bock auf dieses ekelhafte, sozial-darwinistische Gedankengut, welches Menschen in wert und wertlos einteilt. In einer Welt, in der täglich Menschen gequält, verfolgt oder ermordet werden, wird es immer Menschen geben, die dagegen kämpfen. Deswegen rufen wir alle Antifaschist*Innen am 1. Juni 2017 um 12 Uhr dazu auf, in Neuruppin Emil Wendland ein würdiges und ehrenvolles Gedenken zu geben und ein Zeichen gegen Nazis und faschistische Gewalt zu setzen! Kein Vergeben! Kein Vergessen! Im Gedenken an Emil Wendland und an allen Betroffenen rechter Gewalt.

 

Die 90er Jahre – Straßenterror der Nazis

Hintergründe:

Die Nazigewalt der frühen 90er Jahre ging auch an Neuruppin nicht vorbei. Es gab nur wenige Tage ohne Meldungen in den Zeitungen von rechten Übergriffen, Anschlägen auf Asylsuchendenheime, Treffen von 200+ Nazis, rechten Parolen, Sprühereien usw. Es gab damals noch keinen funktionierenden Justiz- oder Polizeiapperat und keine Zivilgesellschaft oder organisierte Gruppen, sodass die Nazis mit ihrer Gewalt auf der Straße leichtes Spiel hatten. Ziel der Angriffe waren insbesondere Migrant_Innen, linke Jugendliche und Punks, Menschen ohne Wohnung sowie homo- und transsexuelle Menschen. Der vorläufige Höhepunkt in Neuruppin war der Mord an Emil Wendland und ein Brandanschlag auf eine Unterkunft von Spätaussiedler_Innen im November 1992.

 

 Emil Wendland wurde getötet, weil er in den Augen der Nazis lediglich „unwertes Leben“ war. Er war obdachlos und alkoholkrank und auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Gegenüber solchen Menschen findet eine extreme gesellschaftliche Ausgrenzung statt. Diese reicht von Vorurteilen („Assi“, „Alki“, faul, „Schmarotzer“, kriminell etc.), über ordnungspolitische Maßnahmen (Vertreibung von möglichen Schlaforten, Anzeigen etc.) bis hin zur direkten körperlichen Gewalt. Dabei verlassen sich die Nazis und andere Tätergruppen darauf, dass die Gewalt gegen Obdachlose zum einen auf keinen relevanten gesellschaftlichen Widerspruch trifft und zum anderen auch in den meisten Fällen straffrei bleibt. Dies liegt am offensichtlichen Desinteresse von Presse, Justiz und Polizei, aber auch daran, dass die Betroffenen sich mit Schikanen seitens der Behörden konfrontiert sehen, wenn sie sich dann doch trauen, Anzeige zu stellen. Ein Mord an einem obdachlosen Menschen schafft es selten weiter, als in die Randspalte der lokalen Tageszeitung.

 

 Es geht uns darum, das Schickal von Emil Wendland bekannt zu machen und ihm einen Teil seiner Menschlichkeit zurückzugeben, der ihm durch die Nazis genommen wurde. Ein erster Schritt ist für uns, sein Leben zu skizzieren und durch eine Gedenktafel dauerhaft an die Tat zu erinnern.

Es muss aber auch darum gehen, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu benennen, die solche Taten ermöglichen. Und dazu gehören ein zutiefst verinnerlichtes, kapitalistisches Konkurrenzdenken, Legenden wie „Jeder ist seines Glückes Schmied“ und eine generelle Verachtung, die Menschen erfahren, die nicht zur „Mehrheitsgesellschaft“ gehören. Menschen, welche diesem täglichen Wahnsinn nicht standhalten oder deren Leben durch private Erlebnisse aus den Fugen gerät, laufen Gefahr, bis ans Ende der „sozialen Leiter“ durchgereicht zu werden. Dort einmal angekommen, ist es fast unmöglich, aus eigener Kraft wieder „auf die Beine zu kommen“.

Wenn eine Gesellschaft Unmengen an Reichtum produziert, aber großen Teilen der Bevölkerung der Zugang zu diesem Reichtum verwehrt ist, wenn Lebensmittel weggeworfen werden, obwohl es hungrige Menschen gibt, wenn mit Leerstand Profite gemacht werden, statt den Wohnraum Bedürftigen zur Verfügung zu stellen, dann hat diese Gesellschaft ihre Existenzberechtigung verloren! Dann müssen wir uns umschauen nach gesellschaftlichen Alternativen!

 

 Wir wissen nicht, was Emil Wendland für ein Mensch war. Wir haben ihn nie kennengelernt. Was wir wissen, haben wir aus Zeitungen erfahren, von damaligen Freunden oder Nachbar_Innen erzählt bekommen oder schlicht aus den Prozessunterlagen. Wir wollen ihn nicht als Märtyrer verklären oder aus seinem Schicksal politische Vorteile ziehen! Aber ebenso ist die Tat nicht einfach nur „irgendein“ Mord an „irgendeinem Obdachlosen“. Dem Sozialdarwinismus der Tat (den die Nazis gegen obdachlose Menschen praktizieren) geht zuerst ein Sozialdarwinismus des Wortes voraus (z.B. abwertende Haltungen oder Vorurteile gegen vermeintliche „Assis“).

Wenn es also darum geht, solche Taten in Zukunft zu verhindern, ist das Problem nicht allein die Nazigewalt, sondern die grundsätzliche Akzeptanz dieser Gewalt durch das herrschende, gesellschaftliche Klima. Und genau da setzen wir an!

 

Kommt am 01.07.2017 nach Neuruppin und unterstützt unsere Demonstration! Eine Gedenktafel ist nicht genug!

 

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