Kläger gegen Kontext

AfD-Demo in Berlin. Ohne Worte. Foto: Endstation rechts
Erstveröffentlicht: 
31.05.2017

Ausgabe 322 // Medien
Verschwiegene Informationen, systemgesteuerte Medien, tendenziöse und nicht wahrheitsgetreue Berichterstattung: Das, gespickt mit einer großen Portion Empörung, ist die Haltung der AfD gegenüber der Presse. Sobald diese aber in Sachen AfD-Recherche ihren Job gut macht, springt das braune Unterdrückungs-Netzwerk an.

 

Von Anna Hunger

 

Vor anderthalb Monaten haben wir in Kontext einen Artikel veröffentlicht, in dem es um die Gleichgültigkeit von Baden-Württembergs AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen ging gegenüber extrem rechtem Personal. "Sein Name ist Hase", so die Überschrift, denn Meuthen weiß zu brenzligen Situationen meist von nichts. Zumindest offiziell.

 

Er weiß zum Beispiel auch nichts über die Vergangenheit von Marcel Grauf. Der war NPD-Mitglied, hat als Landesorganisationsleiter der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) zu einer Schulung eingeladen, ist Mitglied der schlagenden, extrem rechten Marburger Burschenschaft Germania. Heute arbeitet er für die beiden AfD-Abgeordneten Heiner Merz und Christina Baum. Wir haben das geschrieben, weil wir finden, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu erfahren, wie die AfD zu rechten und verfassungsfeindlichen Organisationen steht.

 

Marcel Grauf, der Mitarbeiter der beiden AfD-Abgeordneten, sieht das anders und hat sich einen Anwalt genommen, der uns die Berichterstattung über ihn und seine Umtriebe unter Klarnamen untersagen möchte. Dafür ist die AfD bekannt – dass sie unliebsame Informationen durch Drohungen und Geldforderungen unterbinden möchte.

 

Anwalt der Rechten

 

Klage angedroht hat uns Rechtsanwalt Matthias Brauer, der unsere Rechercheergebnisse nicht einmal anzweifelt. Der ist kein Unbekannter. Laut der Seite "Sachsen-Anhalt-Rechtsaußen" vertrat Brauer erst Anfang des Jahres nach Protesten gegen eine Veranstaltung der AfD-Hochschulgruppe an der Uni Magdeburg, unter anderem Luca Hart, der nach Darstellung des Portals Vorsitzender des Gebietsverbands Magdeburg/Börde der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" ist. Letzterer soll den Recherchen von Sachsen-Anhalt-Rechtsaußen zufolge aktiv bei den Identitären und Mitglied der JN gewesen sein.

 

Auch die "Volksstimme" schreibt über Hart, sogar von Bildern, die ihn bei Nazi-Aufmärschen und einem JN-Kongress zeigen, und zitiert dann JA-Landeschef Jan Wenzel Schmidt: "Diesbezügliche Falschbehauptungen werden derzeit abgemahnt", sagt er. Auf die Fotos angesprochen sagt er: "Das sehe ich nicht so dramatisch, wenn junge Menschen Orientierung suchen. Ich habe in meiner Jugend auch Fehler gemacht und beispielsweise eine SPD-Veranstaltung besucht."

 

Jugendliche Verfehlung also, eine bekannte Argumentation der AfD, um Rechtsextremismus in den eigenen Reihen herunterzuspielen. Auch der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Heiner Merz hatte Marcel Graufs NPD-Vergangenheit auf Nachfrage unter jugendlichem Überschwang und Suche nach politischer Orientierung abgehakt.

 

Holzkreuz angezündet

 

Rechtsanwalt Matthias Brauer arbeitet unter anderem auch für die Kanzlei Komning Rechtsanwälte, die von Enrico Komning gegründet wurde. Komning, laut seiner Homepage gesegnet mit einer "wertkonservativen Prägung durch Elternhaus", war um die Jahrtausendwende Mitglied im Landesvorstand der Schill-Partei, dann FDP-Mitglied und ist seit 2016 Mitglied und stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Komning ist Team Björn Höcke auf ganz rechtsaußen, außerdem alter Herr der rechten Greifswalder Burschenschaft Rugia, Wahlspruch "Numquam Retrorsum - Niemals weichen".

 

Brauer wiederum ist Mitglied der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn, ein selbst in Burschenschaftskreisen als radikal angesehener Verband. Wie auch die Rugia ist sie Mitglied des Dachverbands Deutsche Burschenschaft, aus der noch vor ein paar Jahren wegen deutlicher Ausfälle in die rechtsextreme Richtung liberalere Bünde austraten.

 

Den Streit entfacht hatte vor allem der sogenannte "Arierparagraph", eine Art Abstammungsnachweis reinen Deutschtums für Verbandsbrüder. Zentrale Figur des Streits: Matthias Brauer, der sich in den Burschenschaftlichen Blättern, der Verbandszeitschrift des Dachverbands, verantwortlich zeichnet für den Text "Erklärung zum volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff" – einem Plädoyer für das "Abstammungsprinzip", und eine von andere Burschenschaften unterzeichnete Erklärung, "jeder weiteren Aushöhlung des Volkstums- und Vaterlandsbegriffs entschlossen entgegenzutreten".

 

Bevor Brauer zu den Raczeks wechselte, war er Mitglied der Marchia Bonn, bis Bundesbrüder ihn rauswarfen, so berichtete unter anderem die "Frankfurter Rundschau", weil er auf deren Grundstück und in bester Ku-Klux-Klan-Manier ein selbst gemachtes Holzkreuz angezündet und dazu "Hail White Power" gerufen haben soll.

 

Joachim Paul, ebenfalls in der Raczek und seit 2016 Mitglied der AfD-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz hat den Burschenschaftlichen Blättern, vor einiger Zeit ein Interview gegeben. "Für Korporierte ist die AfD doch längst erste Wahl, weil man sich gerade in der "Jungen Alternative" einbringen kann, ohne seine Mitgliedschaft in einer schlagenden Studentenverbindung verleugnen oder herunterspielen zu müssen." Außerdem betont er: "Es war richtig, dass Frauke Petry den Brückenschlag zur FPÖ gewagt hat – wir können sehr viel von unseren Freunden in Österreich lernen."

 

Beste Verbindungen nach Österreich

 

RA Matthias Brauer hat in Österreich, an der Uni Wien, promoviert. Im Netz findet sich das Dissertations-Exposé, Arbeitstitel: "Die familienrechtliche Konzeption der Akademie für Deutsches Recht", wissenschaftliche Zentralstelle für die Umgestaltung des deutschen Rechts in der NS-Zeit.

 

Betreut wurde die Doktor-Arbeit von Prof. Dr. Christian Neschwara, einem der wenigen Akademiker, die die österreichische Rechtspartei FPÖ vorzuweisen hat, und alter Herr der Burschenschaft Gothia Wien mit großdeutschem Ziel: "Das große übergreifende Ziel bleibt jedoch stets die Vollendung der Einheit des deutschen Volkes im geistig-kulturellen Sinne", schreiben die Brüder in der Selbstdarstellung auf ihrer Homepage.

 

Und noch was hat es aus Österreich in die Kanzlei Komning geschafft: Matthias Brauer verschickt seine Post mit stilisierter Kornblume im Briefkopf, die spätestens seit der Bundespräsidentenwahl im Nachbarland als FPÖ-Symbol gilt. Die blaue Kornblume sei in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts das Erkennungszeichen für illegale Nationalsozialisten in Österreich gewesen, berichtete der ORF. Der "Standard" wiederum berichtet, wie FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky umgehend "rechtliche Schritte sowie die Einbringung einer "Protestnote" an den designierten ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz" ankündigt. Die FPÖ lasse sich "von einzelnen, offensichtlich wild gewordenen Redakteuren nicht in das Nazi-Eck rücken".

 

Abmahnungen sind bei der AfD beliebt

 

Rechtliche Schritte, "kennste, kennste", würde Komödiantenleuchte Mario Barth dazu sagen. Kennste wohl.

 

Auch "Zwischenzeit", ein Online-Magazin aus Mainz, kennt die Drohgebärden und Unterdrückungstaktiken der AfD. Im Februar 2016 hatte das Magazin berichtet, wie ein Wahlkampfhelfer an einem AfD-Stand einen Antifaschisten mit Pfefferspray angriff. Es gibt sogar ein Foto des Angreifers. "Das Schreiben der Kölner Anwaltskanzlei Komning erreichte die Redaktion wenige Tage nach dem Bericht", schreibt die Redaktion des Magazins. "Wegen unwahrer Tatsachenbehauptungen" wurde verlangt, den Bericht über den Übergriff aus dem Netz zu nehmen. Der bearbeitende Anwalt: Matthias Brauer. Die Kanzlei verlangte die Zahlung einer Gebühr von fast 900 Euro. "Für den Fall einer Verletzung der Frist droht die Kanzlei unverhohlen damit, die Redaktion mit ruinös teuren Klagen zu überziehen." Die "Zwischenzeit" allerdings bekam Recht. Das "Radio Brennessel" aus Dortmund berichtete.

 

Einige Zeit später sogar noch einmal, denn Rechtsanwalt Brauer verlangte, seinen Namen aus dem Bericht zu entfernen. Dort steht er bis heute. Und bei der Gelegenheit recherchierten die Brennessel-Macher noch einmal weiter: "Dabei stießen wir leider auf eine weitere unerfreuliche Sache. Wie 'Der Westen' am 28.10.16 berichtete ist dieser pfeffersprayende Wahlkampfhelfer namens Patrick Wilke mittlerweile Sprecher des Dortmunder Kreisvorstands der AfD." Offenbar blieb er das nicht lange. Die Partei trennte sich auf dem Kreisparteitag im Mai von Wilke, mit der Erklärung: "Vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl erschien dieser Schritt notwendig."

 

Marcel Grauf, das ehemalige JN-Mitglied, dagegen sei ein sehr guter Mitarbeiter, sagt dessen Arbeitgeberin Christina Baum am Telefon lachend. Und später schreibt sie per Mail, dass selbiger auch nach der Berichterstattung in der "taz", der "Südwestpresse", Kontext und dem "Hohenloher Tagblatt" weiterhin für sie arbeitet.