Zweifel von britischem Expertenteam Mord an Halit Yozgat: Sah Andreas Temme doch den Täter?

Erstveröffentlicht: 
31.05.2017

War der ehemalige Kasseler Verfassungsschützer Andreas Temme zum Zeitpunkt des Mordes an Halit Yozgat am 6. April 2006 in dessen Internetcafé an der Holländischen Straße?

 

Kassel. Oder hat er, wie er behauptet, den Tatort kurz zuvor verlassen und nichts von der Tat mitbekommen? Auch elf Jahre nach der Ermordung Yozgats sind diese Fragen ungeklärt.

 

Britische Wissenschaftler wollen nun bewiesen haben, dass es „mit höchster Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist“, dass Temme das Café zum Tatzeitpunkt bereits verlassen hatte. Das teilte die „Kasseler Initiative 6. April“ mit. Sie hatte gemeinsam mit dem „Tribunal NSU-Komplex auflösen“ britische Wissenschaftler des Londoner Instituts „Forensic Architecture“ (FA, dt. Forensiche Architektur) mit einem Gutachten zum Fall Temme beauftragt.

 

Im April – zum elften Todestag Yozgats – hatten die Londoner Experten erste Untersuchungsergebnisse vorgestellt. Demnach muss Temme die Schüsse gehört und den Körper Halit Yozgats hinter dem Tresen im Café gesehen haben, wenn er zur Tatzeit noch am Tatort war. Jetzt wollen die Forscher herausgefunden haben, dass es unmöglich ist, dass der Ex-Verfassungsschützer das Café zur Tatzeit bereits verlassen hatte.

 

Dazu stellten sie die Szene am Tatort, so wie Temme sie beschrieben und bei einer Tatort-Begehung rekonstruiert hatte, mehrfach nach. Ihr Ergebnis: Das sich daraus ergebende Zeitfenster von rund 40 Sekunden ist zu klein, als dass sich die Beteiligten, also Temme, Halit Yozgat und dessen Mörder nicht begegnet sind.

Zudem beziehen sie sich auf die Aussage zweier Zeugen, die Aufschluss über die Tatzeit geben. Demnach soll der Mord zwischen 17.01 Uhr und 17.02 geschehen sein. Temme meldete sich um 17.01 Uhr und 40 Sekunden von seinem PC ab. Selbst wenn der Mord erst 20 Sekunden später geschah, hätte er noch im Café sein müssen.  

 

Mord an Yozgat wird dem NSU angelastet


Der Mord an Halit Yozgat wird der rechten Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) angelastet. Den Ermittlungen zufolge war der damalige Kasseler Verfassungsschützer Andreas Temme am Tatort oder verließ das Café wenige Sekunden vor dem Mord. Temme hatte sich nach der Tat nicht bei der Polizei gemeldet. Als er später als Zeuge ermittelt wurde, gab er an, nichts von den Geschehnissen mitbekommen zu haben. Zudem habe er sich nicht gemeldet, weil er auf einer Flirtseite unterwegs gewesen sei und nicht gewollt habe, dass seine Frau davon erfährt. Andreas Temme ist heute beim Regierungspräsidium Kassel tätig.