Angriff auf Fluchtboote

Menschen die mit Schwimmwesten aus dem Schlauchboot springen um zum nächsten Schiff zu gelangen

Am 23. Mai kam es während unserer Rettungsoperationen zu einem bewaffneten Angriff auf zwei Flüchtlingsboote. Die Angriffe gingen von mehreren Schnellbooten mit Emblem der libyschen Küstenwache aus. Unter Schusswaffeneinsatz und Schlägen wurden die Insassen der Schlauchboote in einer illegalen “Push-Back-Aktion” nach Libyen zurückgebracht.

 

Jugend Rettet e.V.·Mittwoch, 24. Mai 2017 

 

Vorweg möchten wir sagen, dass unsere Crew wohlauf ist und niemand von ihnen verletzt wurde. Aktuell können wir jedoch nicht sagen, wie viele Menschen insgesamt durch die Gewalt der libyschen Küstenwache verletzt oder gar gestorben sind.

 

Der Einsatztag

 

Der Einsatztag begann für unsere Crew um 05:23 Uhr mit der Information über ein Schlauchboot mit 120 Personen. Gleichzeitig sahen wir ein weiteres Boot am Horizont. Zusammen mit Save the Children Italia konnten wir alle Menschen versorgen. Nur eine Stunde später informierte uns die Luxembourg Aircraft, dass sich 8 bis 10 Boote in unserer Nähe befinden. Wir informierten Save the Children und SOS MEDITERRANEE zur Unterstützung.

 

Zu dieser Zeit waren wir noch guter Dinge und erwarteten einen anstrengenden, aber berechenbaren Einsatztag. Im Laufe der Zeit kamen deutlich mehr Schlauch- und Holzboote. Die Zahl belief sich am Abend auf 1800 Personen in 14 Booten. Gerade als wir inmitten der Rettungen waren, fuhren gegen Mittag mehrere Schnellboote mit der Kennzeichnung der libyschen Küstenwache in das Einsatzgebiet. Zu dem Zeitpunkt waren wir in internationalem Gewässer und etwa 14 Seemeilen von der libyschen Küste entfernt. Aus den Schnellbooten wurden plötzlich Schüsse in Richtung eines Fischerbootes abgefeuert. Anschließend wurden auch Schüsse in Richtung der Boote in Seenot abgegeben. Es ging alles sehr schnell. Wir sahen uns gezwungen, unseren Einsatz abzubrechen, da wir die Rettungen der Menschen nicht mehr leisten konnten, ohne nicht selbst in Gefahr zu kommen. Auf den Schlauchbooten brach plötzlich Panik aus. Zahlreiche Menschen sprangen ins Wasser, um zur IUVENTA und der Aquarius zu schwimmen. Wir konnten die Zahl der Schüsse durch das Chaos nicht zählen. Die Crew hielt einen sicheren Abstand ein, um sich selber nicht zu gefährden. Ob Menschen auf den Booten durch Schusswaffengebrauch zu Schaden gekommen sind, konnten wir aus der Entfernung nicht beurteilen.

 

Im Anschluss verschafften sich Besatzungsmitglieder der libyschen Boote Zugang zu zwei Holzbooten, um sie schließlich zurück in libysches Hoheitsgebiet zu manövrieren.

 

"Mehrere Boote der libyschen Küstenwache haben während der Rettung für Unruhe gesorgt, indem ihre Besatzungen auf die Boote der Flüchtenden stieg und nach Angaben meiner Crew auch Schüsse abfeuerten und die Flüchtenden schlugen. Über 100 Menschen sind aus Panik ins Wasser gesprungen. Zum Glück hatten die meisten Rettungswesten an, die wir schon verteilt hatten. Zwei Holzboote sind von der libyschen Küstenwache in libysche Hoheitsgewässer zurückgefahren worden. Für uns selber war die Situation äußerst kritisch: Wir sind hier, um zu helfen, waren aber gezwungen tatenlos zuzusehen, um nicht selber eine Kugel einzufangen." - Jonas, 25, Kapitän an Bord der IUVENTA der Mission Federica Mogherini

 

Gewaltvoller Schutz der Festung Europa

 

Aktuell können wir nur eines machen: Wir können von der Situation berichten und hoffen, dass das eine Veränderung bewirken wird. Dabei kann jede_r Unterstützer_in helfen.

 

Ob die Besatzung der libyschen Schnellboote zu den von der Operation Sophia (EUNAVFORMED ) trainierten Küstenwächtern zählt, ist unklar. Fraglich bleibt die aktuelle Haltung der EU und Frau Federica Mogherini, die libysche Küstenwache auszubilden, um damit die Grenzen militarisiert zu schützen.

 

Wir verurteilen sowohl den brutalen Waffeneinsatz als auch die menschenrechtswidrige Rückführung der Geflüchteten nach Libyen. Die Genfer Flüchtlingskonvention enthält den “Grundsatz der Nichtzurückweisung”, der verbietet, einen Flüchtling "auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten auszuweisen oder zurückzuweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde." (Art. 33 der 1951 Genfer Flüchtlingskonvention).

 

Diese Push-back Aktionen, die durchgeführt wurden, sind ein klarer Rechtsverstoß. Menschen, die sich in internationalen Gewässern in Seenot befinden, müssen zum nächsten sicheren Hafen gebracht werden. Durch die aktuelle politische Situation in Libyen befindet sich der nächste sichere Hafen in Italien.

 

Mit der Abwesenheit der Operation SOPHIA im Einsatzgebiet und dem fehlenden Mandat der Seenotrettung überlässt die Europäische Union private Seenotrettungsvereine und Menschen auf der Flucht bewusst sich selbst. Sie verhindert damit, dass schwerwiegende Menschenrechtsverstöße dieser Tragweite geahndet werden. Wir werden de facto allein gelassen. Eine Staatengemeinschaft, die den Friedensnobelpreis trägt, hat jetzt die moralische und rechtliche Pflicht, zu handeln. Wir fordern sofortige Unterstützung der Europäischen Union zur Sicherung so vieler Menschenleben wie möglich.

 

Unterstützt uns, indem ihr den Beitrag teilt und Menschen in eurer Nähe informiert. Auch sind wir auf Spenden angewiesen, um weiterhin diese Fälle zu dokumentieren. Wir sind in Gedanken bei unserer Crew, die sich nun in den nächsten Tagen wieder auf dem Weg nach Malta machen wird.

 

Rette mit.