Statement einiger kritisch-solidarischer Menschen zum Bildungsprotest in München

Bildungsstreik

In den letzten Monaten hat der Protest für ein besseres Bildungssystem Konjunktur erhalten. Nicht nur die Unibesetzungen, die die Forderungen unüberhörbar in die Gesellschaft trugen und die Politik zwangen zu reagieren, auch die 270.000 Menschen beim letzten Bildungsstreik, die bundesweit auf der Straße waren, zeugen von dem Willen, etwas verändern zu wollen.

 

Was läuft falsch?

 

Die Bildungspolitik des deutschen Staates ist im Prinzip so wie man es erwarten kann. Einerseits dient sie dazu, das kapitalistische System aufrecht zu erhalten, denn der Kapitalismus, in dem alle Menschen in Konkurrenz zueinander stehen und gezwungen sind, sich gegenüber den Anderen zu behaupten, fordert auch von der Bildung einiges ab. So ist zum Beispiel der Zweck bestimmter Reformen, wie der Einführung des G8 im Gymnasium oder des Bachelor- und Master-Systems in der Universität, eine Verkürzung der Ausbildung zu erreichen, um möglichst schnell weiteres Menschenrohmaterial für den Arbeitsmarkt zu erhalten. Dass dabei Individualität auf der Strecke bleibt und nur das für den kapitalistischen Weltmarkt Nötigste gelehrt wird, ist eine logische Schlussfolgerung.


Der andere Aspekt der Bildungspolitik, vor allem in der Schule, ist das nationalstaatliche Interesse. Die Inhalte, wie das deutsch-zentrierte Geschichtsbild und die Lehre von der jetzigen demokratischen Grundordnung, wie sie beispielsweise im Sozialkundeunterricht stattfindet und keine Hinterfragung zulässt, sind stark ideologisch geprägt. Wirkliche Kritik an den herrschenden Zuständen oder die Auseinandersetzung mit solchen Absurditäten wie Staat und Nation wird kein Raum gelassen, sondern das Hier und Jetzt als optimal verklärt.

 

Da sind wir doch dagegen...

 

Schön also, dass sich Widerstand regt und sich viele Leute aktiv für eine Veränderung einsetzen wollen. Doch vor allem der Bildungsprotest ist eine schmale Gratwanderung. Dadurch, dass die Forderungen, die der jetzige Protest an die Politik stellt, im Prinzip leicht erfüllbar wären und allgemein auch größtenteils in der Bevölkerung als positiv anerkannt und als sinnvoll erachtet werden, verliert die sich herausbildende Bewegung schnell an Kraft. Der Bildungsprotest muss sich in einen gesamtgesellschaftlichen Protest ausweiten, und jede und jeden, von SchülerInnen und StudentInnen über Azubis und LohnarbeiterInnen bis hin zu Arbeitslosen mit ins Boot holen. Dabei darf die Bildung niemals losgelöst vom Kapitalismus und anderen Widerwärtigkeiten, wie z.B. Rassismus, der sich genauso wie in der Gesellschaft auch im Bildungssystem wiederfindet, betrachtet werden. Kleine Reformen innerhalb des bestehenden Systems, die wir dennoch einfordern sollten, werden nur zu temporären, minimalen Verbesserungen führen.


Die Unibesetzungen waren eine in dieser Art schon lange nicht mehr dagewesene Aktionsform. Durch die entschiedene Nicht-Akzeptanz der bestehenden Regeln wurde zum Einen viel Öffentlichkeit geschaffen, zusätzlich der Protest für eine Masse an Leuten attraktiv gemacht. Daran sollte auch bei zukünftigen Aktionen angeknüpft werden. Eine wirkliche Veränderung wird nur möglich sein, wenn der Protest Druck aufbaut und unbequem ist, so dass sich Bevölkerung und Politik gezwungen sehen, mit dem Anliegen auseinander zusetzen und schnell zu reagieren. Mehr ziviler Ungehorsam, nicht in Form von Gewalt, erscheint hier als das Sinnvollste, wie z.B. die Autobahnblockaden in Frankfurt a. M. erheblich dazu beitrugen, dass die Studiengebühren abgeschafft wurden.

 

...und dann geht’s ums Ganze!

 

Der Bildungsprotest betrifft jede und jeden in unserer Bevölkerung und genau so sollte er dann auch geführt werden. Wir sollten damit aufhören, uns allein an Staat und Politik zu klammern und Reformen zu erbetteln. Wir haben es selbst in der Hand und sollten das Problem an der Wurzel anpacken, unsere Kritik also dort ansetzen, wo alles was schief läuft herkommt, nämlich aus dem Kapitalismus. Wollen wir wirklich etwas erreichen muss es ums Ganze gehen, um die Abschaffung von Staat, Nation und Kapital!