Weißer Ring: Mehr Opfer von Sexualdelikten – Online-Beratung voller Erfolg

Erstveröffentlicht: 
03.05.2017

Der sächsische Landesverband des Opferhilfe-Vereins Weißer Ring hat seine Statistik des Jahres 2016 vorgestellt. Im Mittelpunkt stand der erfolgreiche Start der Online-Beratung.

 

Im August 2016 startete die Online-Beratung des Weißen Rings – und etwa 1000 Menschen aus Sachsen haben dieses Hilfsangebot bisher angenommen. „Definitiv ein großer Erfolg“, resümiert Lucia Groß diese Bilanz. Am Mittwoch stellte das Landesbüro Sachsen des Opferhilfe-Vereins auf ihrer jährlichen Pressekonferenz weitere Zahlen vor.

 

Die Statistik zeigt: Ein Viertel aller Fälle, mit denen die sächsischen Mitarbeiter konfrontiert waren, gehen auf häusliche Gewalt und Körperverletzung zurück. Das entspricht einem Rückgang von neun Prozentpunkten, dem aber leichte Zunahmen bei sexuellem Kindesmissbrauch (von 24 auf 27 Prozent), Vergewaltigung (zehn auf 14) und Stalking (sechs auf acht) gegenüber stehen. 

 

Vor allem Männer nutzen Online-Beratung


Schwerpunkt der Pressekonferenz war die Online-Beratung des Weißen Rings. Das Angebot habe sich fest im Angebot der Organisation etabliert und verzeichne eine große Akzeptanz, teilte der Landesvorsitzende Geert Mackenroth mit. Besonders Männer nehmen diese anonyme Form der Beratung zunehmend an und sprechen tabuisierte Themen an, beispielsweise Gewalt an Männern in der Beziehung oder sexueller Missbrauch im Kindesalter.

 

„Der Frauenanteil der Hilfesuchenden in der Face-to-Face-Beratung lag im vergangenen Jahr bei 78 Prozent“, berichtet Lucia Groß „Der Anteil der Männer, die die Online-Beratung nutzen, liegt im Vergleich dazu deutlich höher. Konkrete Zahlen haben wir aber noch nicht.“ Auch jüngere Menschen würden das Angebot vermehrt nutzen. Derzeit werde an einer Chatfunktion gearbeitet, die eine noch schnellere und bessere Beratung ermögliche – „und das bei höchster Anonymität. So können wir hoffentlich noch mehr Opfer von Straftaten dazu ermutigen, auf uns zuzukommen.“

 

Auch zur finanziellen Lage des Landesverbandes wurden Daten präsentiert. Positive Entwicklungen gab es bei der Höhe der Spendengelder, die um 6000 Euro auf rund 40.000 stiegen, sowie in der Haushaltsbilanz. Zwar übersteigen die Ausgaben für die Opferhilfe noch immer die Einnahmen. Doch während die Differenz 2015 noch bei 15.000 Euro lag, schrumpfte sie 2016 auf 5.500 Euro. Mackenroth dazu: „Der kontinuierliche Rückgang der Bußgeldzuweisungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Sachsen lässt uns buchstäblich im Regen stehen.“ Die Einnahmen durch Bußgeldzuweisungen sanken 2016 um ein Drittel. Der Landesverband ist damit weiterhin auf die Solidarität des Gesamtverbandes angewiesen. 

 

Die Arbeit des Weißen Rings in Leipzig


„Rund 85 bis 90 Prozent der Leipziger, die sich bei uns melden, sind Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden“, berichtet Beate Günther, Leiterin der Außenstelle des Weißen Rings in der Messestadt. An zweiter Stelle folgen Betroffene von Raub oder Mord, an dritter Opfer von Stalking. „Wer uns kontaktiert, dem können wir beratend und begleitend zur Seite stehen. Wir unterstützen die Betroffenen beispielsweise beim Umzug oder durch Ferienhilfe.“ Der erste und wichtigste Schritt sei jedoch: Zuhören.

 

In Leipzig arbeiten derzeit 14 Mitarbeiter beim Weißen Ring, darunter Lehrer, Krankenschwestern oder Rechtsanwälte – allesamt ehrenamtlich. Zeitlich anspruchsvolle Leistungen, zum Beispiel die Begleitung durch einen gerichtlichen Prozess, seien deshalb leider nicht möglich, so Günther. Ein weiteres Problem: Durch die langen Wartelisten bei den örtlichen Psychologen könne nicht direkt vermittelt, sondern lediglich auf die entsprechenden Stellen hingewiesen werden. 

 

Immer mehr Opferberatungsstellen in Sachsen


Die Anzahl jener, die sich beim Weißen Ring in Leipzig melden, ist in den vergangenen Jahren rückläufig. Den Grund dafür sieht Günther in der gestiegenen Zahl von Opferberatungsstellen, die von den Hilfesuchenden in Anspruch genommen werden können. In Leipzig sind unter anderem die Frauenberatungsstelle „Frauen für Frauen“, das Männerberatungsnetzwerk, das Traumanetz oder die Opferhilfe Sachsen aktiv.

 

Der Weiße Ring wurde 1976 vom Fernsehjournalisten Eduard Zimmermann in Mainz gegründet. Der Verein ist auch in Österreich, Luxemburg, Ungarn, Tschechien und der Schweiz aktiv. In Deutschland zählt er circa 3000 ehrenamtliche Helfer, in Sachsen sind 130 Mitarbeiter in 21 Außenstellen aktiv.

 

Von Christian Neffe