Rechtsradikalismus in der Ukraine - Linker Aktivist niedergestochen

Aufgeheizte Stimmung: Waffentraining an einem Frühjahrstag in einem Park in der Hauptstadt Kiew Foto: ap
Erstveröffentlicht: 
23.04.2017

Übergriffe nationalistischer oder rechtsradikaler Gruppen auf politische Gegner nehmen zu. Die Lage in der Ukraine ist angespannt.

 

KIEW taz |Als Stas Sergienko am Donnerstag nach Hause kam, wurde er schon erwartet. Zwei junge Männer fielen über den ukrainischen Antifaschisten her, stachen ihn mit Messern nieder. Sergienko wurde sofort nach dem Überfall in ein Kiewer Krankenhauses gebracht, wo die bis zu 12 Zentimeter tiefen Stichwunden im Beckenbereich und an den Beinen operiert wurden.

 

Auch wenn die Täter, die die Geldbörse ihres Opfers nicht angerührt hatten, unerkannt entkommen konnten, sind sich Sergienkos Weggefährten von der linken Vereinigung „soziale Bewegung“ sicher, dass der Überfall dem nationalistischen und rechtsradikalen Umfeld zuzurechnen ist. Dafür würde auch sprechen, dass die Täter ihren Überfall filmten und das Video auf einschlägigen Seiten im Internet publizierten.

 

Mehrfach war Sergienko in den letzten Wochen von Nationalisten bedroht worden. Am Freitag erklärte Jewgenij Karas von der nationalistischen Gruppe S-14 auf dem Internetportal „Zensor.net“, der Messerangriff der Unbekannten auf Sergienko sei „keineswegs der letzte Angriff auf Bazillen des Terrorismus“ gewesen.

 

Angst vor Destabilisierung


Viele seiner Widersacher werfen Sergienko seine Unterstützung der Separatisten 2014 in Charkiw und auf der Krim vor. Sergienko, der sich inzwischen von seinen damaligen Weggefährten getrennt hat, zählt zu den aktivsten Mitgliedern der kleinen linken Szene in Kiew. Im Januar 2016 hatte er eine Aktion für die ermordeten russischen Antifaschisten und Menschenrechtler Stanislaw Markelow und Anastasia Baburowa mitorganisiert.

 

Wenige Tage vor dem 2. Mai, dem Jahrestag des Brandes im Gewerkschaftshaus von Odessa, bei dem 2014 offiziellen Angaben zufolge 48 Menschen ihr Leben verloren hatten, und dem 9. Mai, traditionell der Gedenktag der Opfer des Hitler-Faschismus, brodelt es unter der Oberfläche.

 

Am Ostersonntag haben die Behörden der ostukrainischen Stadt Mariupol eine Prozession der orthodoxen Gemeinde des Moskauer Patriarchats verboten. Am vergangenen Samstag haben Unbekannte eine orthodoxe Kirche in Odessa geschändet. Der Vorsitzende des Bezirksrates von Odessa, Anatolij Urbanskij, fürchtet eine weitere Destabilisierung. Die Gegner der Kiewer Regierung fühlen sich von der Polizei diskriminiert.

 

Von Bernhard Clasen