RAA-Bilanz 2016 - Mehr Opfer rechter Gewalt in Sachsen

Erstveröffentlicht: 
28.02.2017

Die Zahl rechtsmotivierter Angriffe in Sachsen bleibt auf einem hohen Niveau. Das geht aus den aktuellen Zahlen der Opferberatung RAA hervor. In der Statistik ganz oben tauchen Dresden und der Landkreis Bautzen auf.

von Deborah Manavi

 

Die Ergebnisse der Regionalen Arbeitstelle für Bildung, Integration und Demokratie Sachsen e.V. (RAA) klingen zunächst verwirrend: Während die Zahl rechtsmotivierter und rassistischer Angriffe in Sachsen im vergangenen Jahr leicht gesunken ist, hat gleichzeitig die Zahl der Opfer zugenommen. 2015 gab es noch 477 rechtsmotivierte Angriffe gab. Im vergangenen Jahr lag die Zahl bei 437. Insgesamt gab es allerdings fast dreimal so viele Angriffe, wie im Jahr 2012. Andrea Hübler, Fachreferentin der Opferberatung der RAA, will trotzdem nicht von einem Abwärtstrend sprechen. Das sei definitiv kein Grund zur Entwarnung. Dass die Zahl der Opfer weiter gestiegen ist, läge unter anderem daran, dass es mehr Angriffe auf Gruppen gegeben habe. 

 

Zahl im Landkreis Bautzen verdreifacht


Angeführt wird die Statistik weiterhin von Dresden, wo 114 Fälle registriert wurden. In Leipzig waren es 50 Fälle. Im Landkreis Bautzen hat sich die Zahl der Fälle mit 51 im Vergleich zum Vorjahr (17 Angriffe) verdreifacht. Damit hat sich der Landkreis vor den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge geschoben. Andrea Hübler erklärt die Entwicklung so, dass in Bautzen im vergangenen Jahr massive Gewalt von einem organisierten Neo-Nazi-Netz verübt worden sei. Die Ereignisse am Kornmarkt seien dabei nur die Spitze des Eisberges gewesen.

 

Zahlen und Fakten 2016 - Quelle: RAA

 

• 437 Angriffe (2015: 477)
• 685 Betroffene (2015: 654)
• 306 Taten rassistisch motiviert (2015: 285)
• 62 Taten gegen politische Gegner (2015: 141)
• 43 weitere Taten (2015: keine Angaben)
• 301 Körperverletzungen (2015: 298)
• 103 Nötigungen (2015: 139)
• 53 Angriffe auf Asylunterkünfte (2015: 74), davon 19 Brandstiftungen (2015: 19)

Zahl der Angriffe auf Minderjährige nimmt zu

Besonders besorgniserregend schätzt Hübler die Zunahme von rechtsmotivierten Angriffen auf Kinder und Jugendliche ein. Elf Prozent der Opfer waren demnach jünger als 16 Jahre. Aber nicht nur die Opfer seien jünger geworden, auch bei den Tätern gäbe es bundesweit schon länger einen Trend in diese Richtung.

 

Ein Rassist, der nicht mal vor Kindern halt macht - das zeigt doch sehr deutlich, wie verfestigt da das Weltbild ist.

Die Hemmschwelle ist weiterhin niedrig, befeuert durch rassistische Hetze in der Politik, auf der Straße und im Internet.

Andrea Hübler, RAA  
Prognose für die Zukunft nicht möglich

Eine Prognose, wie sich die rechte Gewalt in Sachsen entwickeln wird, will Hübler nicht wagen. Viel hänge von politischen und gesellschaftlichen Veränderungen ab. Rückblickend hätte sie 2012 auch nicht gedacht, dass es 2016 solche Zahlen geben würde. Wenn sich die gesellschaftliche Debatte jetzt nicht verändere, gehe sie allerdings davon aus, dass auch die Zahl der Angriffe weiterhin auf einem hohen Niveau bleibe. 

 

Forderung nach politischer Gesamtstrategie


Hübler und ihr Kollege Robert Kusche fordern deshalb unter anderem, dass Politiker nicht nur einzelne Bekenntnisse nach rechtsmotivierten Straftaten liefern, sondern generell Einsicht zeigen, dass Sachsen ein Problem mit rechter Gewalt hat. "Über Bekenntnisse hinaus braucht es eine Gesamtstrategie, wie wir mit dem Problem umgehen und über längere Zeit etwas verändern wollen", fordert Hübler. Diese Gesamtstrategie sei für sie noch nicht zu erkennen. 

 

Keine offizielle Statistik


Die Zahlen der RAA unterscheiden sich von der offiziellen Kriminalstatistik. Das liegt unter anderem daran, dass die RAA nicht nur objektive Fakten zur Bewertung einer Gewalttat miteinbezieht, sondern auch das subjektive Empfinden der Opfer berücksichtigt. Außerdem erstatten nicht alle Opfer rassistischer Gewalt Anzeige bei der Polizei. Laut RAA tun dies rund 75 Prozent der Opfer. Kusche erklärt, mit der RAA-Statistik könne rechte Gewalt sichtbar und greifbar gemacht werden.

 

Laut RAA handelt es sich um rechtsmotivierte Gewalt, wenn ... "[…] die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft, sexuelle Orientierung, Behinderung oder ihres äußeren Erscheinungsbildes bzw. ihres gesellschaftlichen Status richtet."