Die AfD will Björn Höcke wegen seiner Dresdner Rede ausschließen. Doch es geht nicht um die Abgrenzung von rechtsextremem Gedankengut, sondern um die Bundestagswahl.
"Die Dresdener Rede vom 17. Januar hat für den Bundesvorstand das Maß des demokratisch Erträglichen innerhalb einer bürgerlich-freiheitlichen Partei überschritten": So begründet die AfD-Vorsitzende Frauke Petry den Antrag auf Parteiausschluss des Thüringer Landesvorsitzenden und Parteirechten Björn Höcke. Der hatte in seiner viel beachteten Rede unter anderem gefordert, die Gedenkkultur an den Zweiten Weltkrieg und die Judenvernichtung "um 180 Grad zu drehen", und das Holocaustmahnmal in Berlin als "Denkmal der Schande" bezeichnet, und damit auch einige in seiner eigenen Partei empört.
Der Beschluss des AfD-Vorstands, über den nun zunächst das Landesschiedsgericht der Partei in Thüringen zu befinden hat, das unter dem Einfluss von Höcke stehen dürften, ist indes kein Hinweis darauf, dass sich die Partei gegen rechtsextremes Gedankengut abgrenzen will. Wäre das der Fall, müsste er sich auch gegen den sachsen-anhaltinischen Landesvorsitzenden André Poggenburg wenden, der im Landtag NS-Vokabular in eine Rede einflocht. Oder gegen eine ganze Reihe weiterer Landtagsabgeordneter, die keinen Hehl aus ihren Verbindungen in die rechte Szene machen.
Vielmehr muss man die Sache von hinten her denken. Hinten heißt in diesem Fall: vom 24. September aus. An diesem Tag wird der Bundestag neu gewählt. Die AfD wird aller Voraussicht nach in Fraktionsstärke ins Parlament einziehen. Die Frage, die sich der Partei stellt, ist: Wer wird diese Fraktion führen, wer wird ihre politische Ausrichtung bestimmen?
Um diese Frage tobt ein Machtkampf. Die Fronten dieses Kampfes laufen nicht immer entlang ideologischer Grenzen, sondern werden ebenso von persönlichen Allianzen bestimmt. Petrys Ko-Vorsitzender Jörg Meuthen beispielsweise galt lange als vergleichsweise gemäßigt. Dennoch hat er gegen den Ausschluss Höckes gestimmt. Schon früher hat er das Bündnis mit Alexander Gauland gesucht, dem Vize-Bundesvorsitzenden und starken Mann der AfD aus Brandenburg. Gemeinsam stützten sie dann Höcke. Eine Allianz, die nur einem Zweck dient: Frauke Petry in Schach zu halten. Dieses Bündnis verhinderte schon, dass Petry alleinige Spitzenkandidatin der Partei wird.
Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, noch einmal darauf zu hören, was Höcke in Dresden sagte. Er sprach dort nämlich nicht nur über "dämliche Bewältigungspolitik". Höcke redete auch über die Partei und zog über künftige Bundestagskandidaten her. Er schimpfte auf übrig gebliebene "Luckisten", die "keine innere Haltung" besäßen. Die so schnell wie möglich zum Establishment gehören wollten: "Nicht wenige werden ganz schnell vom parlamentarischen Glanz und Glimmer der Hauptstadt fasziniert werden. Nicht wenige werden sich ganz schnell sehr wohlfühlen bei den Frei-fressen- und Frei-saufen-Veranstaltungen."
Möglich, dass diese Angriffe jene in der Partei, die nicht auf rechte Radikalopposition setzen, viel härter trafen als die Mahnmal-Beschimpfung. Höcke ist für sie nicht zu kontrollieren. Er ist kein Mitglied im Bundesvorstand und lässt sich nicht in die disziplinarischen Strukturen der Bundespartei einbinden. Zugleich ist er für viele einfache Parteimitglieder weit über Thüringen und Sachsen hinaus ein Star. Als die AfD beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern in den Landtag einzog, ließ sich Frauke Petry einer Fürstin gleich mit dem Boot über den Schweriner See zur Wahlparty schippern. Höcke aber brachte an jenem Abend das Publikum zum Toben.
Der Beschluss des Bundesvorstands ist deshalb wenig mehr als der Versuch, den Agitator aus Erfurt einzuhegen. Denn kaum war er bekannt geworden, stellten sich Gauland und Meuthen schon hinter Höcke. Gauland warnte, ein Ausschluss Höckes käme einer Spaltung der Partei gleich. Der Machtkampf geht also weiter. Seinen nächsten Höhepunkt könnte er am 22. April erreichen. Dann trifft sich die AfD in Köln zu ihrem Bundesparteitag.