Umstrittenes Thema: Stadtverwaltung und Polizei überlegen, problematische Plätze in Freiburg von Videokameras beobachten zu lassen und so die Kriminalität einzudämmen.
Im Februar 2001 war die Welt in Freiburg noch in Ordnung. "Entsprechend 
der Stellungnahme der Polizeidirektion Freiburg existieren in der Stadt 
Freiburg keine Kriminalitätsbrennpunkte, die den Einsatz von 
Videoüberwachungsmaßnahmen rechtfertigen würden", hieß es damals in 
einer Vorlage für den Gemeinderat, "dieser Auffassung schließt sich die 
Stadt an."
Das ist heute anders. "Ich meine, dass wir prüfen sollten, ob die 
Videodokumentation im öffentlichen Raum ausgeweitet werden kann", sagte 
Polizeipräsident Bernhard Rotzinger im Gespräch mit dem Sonntag im 
Dezember. Man wolle mit der Stadt darüber sprechen, bestimmte 
neuralgische Punkte künftig zu überwachen. Diese Punkte werden nicht 
genannt, sind in Freiburg aber allseits bekannt: Die Achse 
Bahnhof–Stühlinger Kirchplatz–Runzmattenweg, die Ausgehmeile in der City
 und auch der Colombi-Park – Gegenden, die in den vergangenen Jahren zu 
Kriminalitätsschwerpunkten wurden. Im Laufe der nächsten Wochen soll 
eine Ortsbegehung der Polizei mit Mitarbeitern der Stadt stattfinden.
				
Denn auch im Rathaus ist man an Videotechnik interessiert. "Das 
Bürgermeisteramt hat sich in den bisher stattgefundenen Gesprächen offen
 gezeigt, die objektive und subjektive Sicherheit der Bürgerinnen und 
Bürger an sicherheitsrelevanten Punkten mit Videotechnik zu 
unterstützen, sofern die gesetzlichen Grundlagen gegeben sind", lautet 
eine vom Presseamt der Stadt angefertigte Antwort auf Anfrage des 
Sonntag.
Die Gespräche dazu laufen. Am Mittwoch waren Polizeipräsident Rotzinger,
 Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon und Erster Bürgermeister 
Otto Neideck in Stuttgart, um über die sogenannten 
"Sicherheitspartnerschaft" zwischen Stadt und Land zu sprechen. Was 
genau dahintersteckt, will derzeit keiner der Beteiligten so recht 
verraten (siehe Kasten) – der Einsatz von Kamerasystemen aber soll 
Bestandteil dieser Partnerschaft sein.
Gegenstand der Gespräche werden nach Auskunft der Stadt auch 
intelligente Videoüberwachungssysteme sein, wie sie schon seit einigen 
Monaten in Baden-Württemberg diskutiert werden. Solche Systeme lassen 
das Leben vor ihrer Linse vorbeiziehen, bis sie Muster erkennen – 
beispielsweise einen am Boden liegenden Menschen –, dann geben sie 
Alarm. Sie können aber auch zur Gesichtserkennung verwendet werden.
In Freiburg waren Anläufe zur Kameraüberwachung in der Vergangenheit 
stets umstritten. Um die Kameras in den Stadtbahnwagen und an den 
Haltestellen der VAG gab es immer wieder Debatten. Interessant wird, ob 
das aktuelle Sicherheitsgefühl oder auch die Aufklärung des Falls Maria 
L. die öffentliche Meinung verändert haben. Ihrem mutmaßlichen Mörder 
war man nach Auswertung von Kameras in Straßenbahnen und von privaten 
Kameras auf die Spur gekommen.
Der Betrieb von Kameras mit Bezug auf das Polizeirecht sei möglich, 
erklärt der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink dem Sonntag. "Aber
 es müssen schon einige Kriterien erfüllt sein." Beispielsweise müsse 
eine Analyse zeigen, dass ein Ort eine spezifisch höhere 
Kriminalitätsrate aufweise und eine Prognose ergebe, dass sich das 
künftig – ohne Kameras – auch nicht ändern werde. Sind Kameras in 
Betrieb, seien die Behörden verpflichtet, die Delikthäufigkeit weiter zu
 untersuchen. Und gehen die Vorfälle deutlich zurück, müssen auch die 
Kameras abmontiert werden – ihre Voraussetzung, erklärt Brink, sei dann 
ja weggefallen.
Im Dezember hatte Martin Jäger, Staatssekretär im Landesinnenministerium, eine solche zwischen Land und der Stadt Freiburg verkündet. Was das bedeutete, sagte Jäger nicht. Diese Woche hieß es im Rathaus, man bastele jetzt daran. Erklärung auf Nachfrage: "Die Stadt steht zu diesem Thema im engen Austausch mit der Polizei und dem Innenministerium." Und wenn Ergebnisse vorlägen, würde man die Öffentlichkeit informieren.
Das Innenministerium teilt mit: "Im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft gehen Kommunen und Polizei gemeinsam Hand in Hand Herausforderungen für die öffentliche Sicherheit an. Dabei bringt jeder Partner seine Stärken und Erkenntnisse ein." Oberbürgermeister Dieter Salomon erklärt auf Anfrage, beim damaligen Besuch von Staatssekretär Jäger sei der Begriff Sicherheitspartnerschaft noch nicht wirklich mit Bedeutung gefüllt gewesen, jetzt aber schon. Also? "Dazu möchte ich jetzt noch nichts sagen."
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Dieser Artikel erschien am 5. Februar in "Der Sonntag"
