Endingen: Fall Carolin G.: Warum die Polizei nicht auf Mautdaten zurückgreifen darf

Erstveröffentlicht: 
27.01.2017

Der Mörder von Carolin G. könnte ein Lasterfahrer sein. Wäre es da nicht sinnvoll, bei der Fahndung Daten hinzuzuziehen, die über die Lkw-Maut erfasst werden? Wäre es. Darf man aber nicht.

 

Von Charlotte Janz

 

Bei dem Mörder von Carolin G. handelt es sich möglicherweise um einen Lkw-Fahrer. Das legt eine Eisenstange nahe, mit der Carolins Mörder eine andere junge Frau 2014 in Österreich umgebracht haben soll. Derartige Rohre kommen oft als Hebel zum Einsatz, wo mit hydraulischen Werkzeugen hantiert wird, etwa bei Wagenhebern – oder zum Abkippen von Lkw-Fahrerkabinen. Der Abgleich von DNA-Spuren hatte die deutschen und österreichischen Ermittler dazu gebracht, vom selben Täter auszugehen.

Wenn es sich bei dem Täter also möglicherweise um einen Lasterfahrer handelt: Wäre es da nicht am einfachsten, bei der Fahndung nach dem Täter Mautdaten hinzuzuziehen? Den Betreiber Toll Collect zu fragen, welche Lastwagen die Autobahn A5 im Zeitfenster des Mordes bei Endingen verlassen haben und dann wieder aufgefahren sind? Das wäre es. Darf man aber nicht.

Ein Gesetz verbietet die Weitergabe der gesammelten Daten – ohne Ausnahme


"Es ist nicht zulässig, Mautdaten zu Strafverfolgungszwecken zu nutzen," sagt Ralf Langenbach, Staatsanwalt in Freiburg . Dieses Verbot ergibt sich aus dem "Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen" – kurz: Bundesfernstraßenmautgesetz. Darin ist geregelt, welche Daten das vom Verkehrsministerium beauftragte Unternehmen Toll Collect für die Lkw-Maut speichern darf. Und das ist eine ganze Menge: Vom Foto und Nummernschild des Lasters über den Namen des Fahrers bis hin zu Ort und Zeit der Autobahn-Nutzung. Im Gesetz ist explizit festgeschrieben, dass die Daten "ausschließlich zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften" genutzt werden dürfen. Eine Übermittlung der Daten sei unzulässig. Der Grund dafür: Datenschutz. Aber kann man da bei Mord keine Ausnahme machen? "Nein", sagt Langenbach. "Es sei denn, das Gesetz ändert sich."

Viele haben schon versucht, das Gesetz zu ändern – und sind gescheitert


Versuche, eben das zu tun, gibt es, seit Einführung der Lkw-Maut. In den Tätigkeitsberichten des Bundesdatenschutzbeauftragten ist die politische Diskussionen über die Verwendung von Mautdaten protokolliert. Dort steht etwa: "Nach verschiedenen Kapitalverbrechen, in die schwere Lastwagen beziehungsweise ihre Fahrer verwickelt waren, wurde im parlamentarischen Bereich die Frage aufgeworfen, inwieweit die im Gesetz verankerte strikte Zweckbindungsregelung wirklich angemessen sei."

Bis heute ist sie jedenfalls noch in Kraft. 2005 ist der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit dem Vorstoß gescheitert, Informationen aus dem Maut-System für die Strafverfolgung zu nutzen. 2013 misslang der Versuch dann einem weiteren Innenminister, Hans-Peter Friedrich (CSU).

Für den Fall Carolin G. bedeutet das: Die Polizei muss sich ihre Informationen über das Kommen und Gehen von Lastwagen rund um Endingen woanders besorgen. Beispielsweise bei Speditionsunternehmen, sagt Langenbach. Aber der Staatsanwalt sagt auch: "Es ist noch keineswegs sicher, dass es sich bei dem Täter um einen Lkw-Fahrer handelt."

Seitdem bekannt wurde, dass der Mörder von Carolin G. schon vor drei Jahren in Österreich zugeschlagen hat, sind laut Polizeisprecher Walter Roth gut 100 neue Hinweise zu dem Fall eingegangen. Darunter auch solche, die mögliche Bezüge zwischen den Fällen im Kaiserstuhl und in Tirol herstellen. Mehr will Roth erstmal nicht sagen.