Hasskriminalität im Web steigt stark

Erstveröffentlicht: 
02.02.2017
Wegen Volksverhetzung gibt es immer mehr Strafverfahren. Nicht alle Fälle kommen aus dem rechtsextremen Spektrum.

 

Bei den sächsischen Staatsanwaltschaften sind im vergangenen Jahr allein rund 300 Menschen wegen Volksverhetzung und Gefährdung des inneren Friedens durch Kommentare im Internet angezeigt worden. Insgesamt ermittelten die Behörden sachsenweit gegen rund 1 000 Beschuldigte wegen Volksverhetzung. Dies geht aus der Antwort des Justizministeriums auf eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Enrico Stange (Linke) hervor.

 

Wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Gefährdung des inneren Friedens im Internet registrierten die Justizbehörden knapp 60 Tatverdächtige. Die Zahlen beziehen sich auf politisch motivierte Kriminalität mit rechtem Hintergrund. Viele dieser Straftaten würden vermeintlich anonym im Internet verübt, sagt Enrico Stange. Die Polizei sollte deshalb intensiver ermitteln und vor allem anlassunabhängige Internetrecherchen durchführen, denn so Stange: „Es gibt eine hohe Dunkelziffer.“ Wegen Volksverhetzung aus dem linken Spektrum wurde 2016 ein Verfahren gegen eine Person eingeleitet.

 

Der prominenteste Fall dürfte Lutz Bachmann sein. Er hatte 2014 vor der Gründung von Pegida Flüchtlinge auf Facebook als „Viehzeug“, „Gelumpe“ und „Dreckspack“ bezeichnet. Im Prozess dauerte allein das Verlesen des Vorstrafenregisters eine Dreiviertelstunde. Anfang Mai 2016 wurde der 44-Jährige zu einer Geldstrafe in Höhe von 9 600 Euro wegen Volksverhetzung verurteilt, akzeptierte das Urteil Ende November.

 

Allein die Polizeidirektion Dresden und die Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft haben im vergangenen Jahr 300 Verfahren wegen Volksverhetzung bearbeitet – ein Vielfaches der Vorjahre, so die Einschätzung der Staatsanwaltschaft.

 

Nicht nur die Zahl der Strafanzeigen ist stark gestiegen. Wie die Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtet, seien 2016 von sächsischen Amts- und Landgerichten mehr Menschen wegen Hetze zur Rechenschaft gezogen worden als in den Jahren zuvor. Die Zahl der Strafbefehle wegen Volksverhetzung hat sich demnach im Vergleich zum Vorjahr von 67 auf 147 mehr als verdoppelt, die Anzahl der Anklagen wegen Volksverhetzung gegenüber 2015 von 32 auf 97 sogar verdreifacht. Der längerfristige Trend zeigt die Entwicklung der Hasskriminalität im Internet noch deutlicher. Gegenüber 2014 hat sich die Zahl der Anklagen 2016 verfünffacht, die Zahl der Strafbefehle lag etwa 15 Mal so hoch, sagt Jörg Herold, Sprecher des Justizministeriums.

 

Die Delinquenten stammen dabei nicht zwingend aus dem rechtsextremen Spektrum. Ende Juli musste ein 85-jähriger Dresdner eine Geldstrafe über 3 000 Euro akzeptieren, weil er Kinder auf einem Spielplatz mit „Ausländerschweine verschwindet“ und „Ausländerdreckspack“ angebrüllt hatte. Anfang August verurteilte das Amtsgericht Grimma einen 43-jährigen Hartz-IV-Empfänger zu einer Geldstrafe von 1 950 Euro. Der bereits elfmal vorbestrafte Mann hatte in einem Online-Kommentar Asylbewerber unter anderem als „Viehzeug“ und „Viecher“ bezeichnet, die „unsere Frauen vergewaltigen“.

 

Eine 20-jährige Auszubildende aus Zwickau musste 50 Euro bezahlen, weil sie auf ihrer Facebookseite Asylbewerbern den gewaltsamen Tod gewünscht hatte. Der 38-jährige Chef einer Bautzner Sicherheitsfirma wurde im Oktober zu einer Geldstrafe von 1 400 Euro verurteilt, weil er auf Facebook schrieb: „Meiner Meinung nach brennen noch zu wenige Asylunterkünfte.“

 

Offenbar gehen Staatsanwaltschaften inzwischen konsequenter gegen Hassbotschaften im Internet vor, um das Zeichen zu setzen: Hetze ist teuer.