Psychogramm von Trump: Ein gestörter Mensch

Erstveröffentlicht: 
19.01.2017

Die Hoffnung, Donald Trump könnte im Weißen Haus ruhiger und reifer agieren, hat sich verflüchtigt. Der 45. Präsident Amerikas schlägt wild um sich und teilt die Welt in Gut und Böse auf. Ein Narzisst wie aus dem Lehrbuch.


Um zu verstehen, wie der künftige Präsident der Vereinigten Staaten denkt und handelt, ist die Geschichte seiner einstigen Mitarbeiterin sehr aufschlussreich. Bekannt wurde die Frau nicht etwa, weil sie sich über Trumps Umgang mit ihr beklagte, sondern weil er selbst sich in einem seiner vielen Bücher für diesen Umgang rühmte.

Trump hatte die Frau in den Achtzigerjahren eingestellt. "Ich beschloss, etwas aus ihr zu machen", schreibt er in "Think Big and Kick Ass", einem Buch, in dem er das Geheimnis seines Erfolgs mit der Welt teilen wollte. Er habe ihr einen tollen Job gegeben. "Sie kaufte sich ein schönes Haus."

Anfang der Neunzigerjahre, als seine Firma in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, bat Trump die Frau, einen Bekannten, der eine wichtige Position bei einer Bank bekleidete, dazu zu drängen zu helfen. Die Frau fühlte sich unwohl, sie fand das unangemessen. Trump feuerte sie umgehend.

Später gründete sie ein eigenes Unternehmen, ging aber pleite. "Ich freute mich riesig, als ich das herausfand", schrieb Trump in seinem Buch. Obwohl er so viel für die Frau getan habe, "hatte sie sich gegen mich gewandt".

In Trumps Welt ist bereits der Anschein von Illoyalität eine unverzeihliche Sünde.


Seinen Lesern riet er, solche Fälle mit massiver Vergeltung zu ahnden. Am Ende habe die Frau ihr Haus verloren, und ihr Mann habe sie verlassen, schrieb Trump. "Das war mir eine echte Genugtuung." Er habe auch in den Folgejahren nur schlecht über sie geredet: "Heute tue ich alles, um ihr Leben zu ruinieren."

Am Ende des Kapitels mit dem Titel "Rache" rät Trump, stets Vergeltung zu üben. "Zaudern Sie nicht. Zielen Sie auf die Halsschlagader. Schlagen Sie massiv zurück± Wenn Sie keine Vergeltung üben, sind Sie bloß ein Schlappschwanz±"

Dieser Hardcore-Darwinismus hat Trump, der das Leben als "eine Folge von Schlachten, die mit Siegen enden können oder mit Niederlagen", begreift, auf dem rauen, oft grobschlächtigen Immobilienmarkt zu einem reichen Mann werden lassen.

Auf dieselben Erfolgsformeln scheint Trump, der an diesem Freitag als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird, auch im neuen Amt zu setzen - mit allen unberechenbaren Folgen, die das für sein Land und die Welt haben kann. In der vergangenen Woche ließ sich gleich mehrfach beobachten, dass Trump keinerlei Neigung zeigt, sein Auftreten der Würde des Präsidentenamtes anzupassen. Er scheint weiterhin allein auf seine eigenen Regeln zu vertrauen: "Think Big and Kick Ass".

Am vorvergangenen Mittwoch reagierte Trump zunächst via Twitter, später bei einer Pressekonferenz mit Aggressivität und Härte auf all jene, die es gewagt hatten, Kritik an ihm zu äußern - oder deren Verhalten ihm nicht passte.

We had a great News Conference at Trump Tower today. A couple of FAKE NEWS organizations were there but the people truly get what's going on

— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 12. Januar 2017


Nachdem durchgesickert war,
die US-Geheimdienste hätten Trump über mögliches kompromittierendes Material in Händen der Russen informiert, darunter eine angebliche Pinkelorgie mit Prostituierten in einem Moskauer Hotelzimmer, schlug dieser zurück. Was die Geheimdienste getan hätten, sei eine "Schande", eine "Hexenjagd" sei im Gange. Die Dienste hätten "niemals zulassen dürfen, dass 'Fake News' an die Öffentlichkeit gelangten. Leben wir in Nazideutschland?" Das Ganze sei "ein letzter Angriff auf mich".

Intelligence agencies should never have allowed this fake news to "leak" into the public. One last shot at me.Are we living in Nazi Germany?

— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) January 11, 2017


Seit Monaten wird über die fehlende Reife und die mangelnde Würde Trumps für eines der mächtigsten und ehrwürdigsten Ämter der Welt geredet. Und dennoch hinterließ sein Auftritt am Mittwoch selbst bei Parteifreunden nichts als Fassungslosigkeit.

Zu besichtigen war ein Mann, der den Aussagen Wladimir Putins mehr Glauben schenkt als den Erkenntnissen seiner eigenen Geheimdienste. Ein Mann, der aggressiv auf jede Kritik reagierte. Der den CNN-Reporter Jim Acosta mit ausgestrecktem Zeigefinger einzuschüchtern versuchte und ihm das Fragerecht verweigerte, weil Trump die Berichterstattung von dessen Sender nicht passte.

Es war ein Auftritt, der alles vermissen ließ, was man bislang von amerikanischen Präsidenten erwartete: Souveränität, Diplomatie, Zurückhaltung, Distanz zu sich selbst.


Trump reihte Sätze wie "Ich bin irre erfolgreich", "Ich werde der größte Jobproduzent sein, den Gott je erschaffen hat", oder die Feststellung "Mir gebührt da großes Lob" aneinander, ohne jedes Augenzwinkern, ohne Anflug von Selbstironie. Selbst für die USA, wo die Bereitschaft, andere auf die eigenen Vorzüge hinzuweisen, deutlich ausgeprägter ist als in Deutschland, ist ein solches Maß an Selbstlob einzigartig.

Die Stunde des Sieges sollte eigentlich die Stunde der Demut sein. Trump aber lässt seit dem 8. November keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, wie "überragend" sein Wahlsieg gewesen sei und was für ein "totales Desaster" Hillary Clinton erlebt habe. Wer nach seiner beinahe versöhnlichen Ansprache in der Wahlnacht gehofft hatte, das Land erlebe fortan einen anderen Trump, sieht sich eines Besseren belehrt.

Am Sonntag darauf hatte dann die Schauspielerin Meryl Streep Trump in ihrer Rede bei der Golden-Globe-Verleihung dafür kritisiert, dass er sich im Wahlkampf über einen körperlich behinderten Reporter der "New York Times" lustig gemacht hatte. Es war Trumps Art der Rache gewesen, weil der Reporter ihn einer Lüge überführt hatte. Trump schlug gegen Streep umgehend zurück: Die Geschichte mit dem Reporter stimme nicht, behauptete er, obwohl es Videos gibt, die zeigen, wie Trump die körperliche Behinderung des Mannes nachäfft. Streep sei "eine der meistüberschätzten Schauspielerinnen Hollywoods", twitterte er, und "nichts als Hillarys Hofschranze". Die meistausgezeichnete Schauspielerin der Gegenwart "überschätzt" - das ist die Welt nach Trumps Willen und Vorstellung.

Meryl Streep, one of the most over-rated actresses in Hollywood, doesn't know me but attacked last night at the Golden Globes. She is a.....

— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 9. Januar 2017


Seine Reaktionsmuster sind immer gleich, egal ob er sich von einer Mitarbeiterin, einem Reporter, einer Schauspielerin oder den Geheimdiensten schlecht behandelt fühlt. In seiner Vergeltung kennt er keine Abstufungen, sie ist immer maßlos.


Trumps Verhalten lässt sich
sehr oft auf die simple Frage zurückführen: War jemand nett oder nicht nett zu mir? Sehr viel komplexer wird es nicht. So liegt der Schlüssel zum Verständnis des neuen Präsidenten weniger in seinen politischen Aussagen oder den Motiven seiner Anhänger als vielmehr in seiner Persönlichkeitsstruktur.

Trump sei ein 13-jähriger Junge im Körper eines 70-Jährigen, sagt Trump-Biograf und Pulitzerpreisgewinner David Cay Johnston. In all den Gesprächen über dessen Leben sei ihm Trump wie ein kleiner Junge vorgekommen, sagt Michael D'Antonio, der andere große Trump-Biograf. "Wie ein Sechsjähriger, der vom Sportplatz heimkommt und es gar nicht abwarten kann, endlich zu verkünden, dass er das entscheidende Tor geschossen hat."

Johnston und D'Antonio haben Hunderte Stunden mit der Aufgabe verbracht, diesen Mann zu verstehen. Überboten werden ihre Einschätzungen nur noch von Trump selbst.

"Wenn ich mich zurückerinnere, wie ich als Erstklässler war, und wenn ich mich heute betrachte, muss ich sagen: Ich habe mich nicht groß verändert", erklärte Trump vor wenigen Jahren. "Mein Temperament ist dasselbe geblieben."

Trump weist die klassischen Sicht- und Verhaltensweisen von Menschen mit narzisstischer Störung auf. Eigentlich verbietet es das Berufsethos von Psychologen, Diagnosen aus der Ferne zu stellen. Bei Trump aber machen viele eine Ausnahme, weil er sämtliche Kriterien erfüllt.

Howard Gardner, Professor für Entwicklungspsychologie an der Harvard-Universität, beschrieb den künftigen Präsidenten schon vor Jahren als "ausgeprägt narzisstisch". Der klinische Psychologe Ben Michaelis sieht in Trump gar eine narzisstische Persönlichkeit "wie aus dem Lehrbuch". Sein Kollege George Simon benutzt sogar Videos von Trump, um dieses Persönlichkeitsbild in Seminaren zu veranschaulichen.

Zu den klassischen Verhaltensweisen zählen nach Ansicht der Experten: eine übergroße Sucht nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bewunderung, die Unfähigkeit zur Empathie, das ständige Kreisen um sich selbst und grotesk übertriebenes Selbstlob. Für Narzissten ist die Welt, die sie umgibt, nur als Spiegel der eigenen Person interessant. Die Betroffenen sind so überempfindlich gegenüber Kritik, dass jeder, der ihnen Anerkennung verweigert, zum Gegner wird.

Hochgradige Narzissten, auch dies eine Erkenntnis der Forschung, sind so süchtig nach Aufmerksamkeit und Bewunderung, dass sie häufig lügen. Und sie sind so überzeugt von sich selbst, dass Reue ihnen fremd ist - weil das Eingeständnis von Fehlern in ihren Augen kein Zeichen von Größe ist, sondern den Eindruck der eigenen Grandiosität schmälert.

Selbstreflexion, das kritische Hinterfragen der eigenen Verhaltensweisen, hält Trump ohnehin für schädlich. "Ich mag es nicht, mich selbst zu analysieren, denn es könnte sein, dass ich nicht mag, was ich da zu sehen bekomme", sagte Trump 2014 in einem Interview. Dies sei die hervorstechendste Eigenschaft des gesamten Clans, befand Biograf Michael D'Antonio, der unzählige Gespräche mit Trump und dessen Familienangehörigen geführt hat: "Die beharrliche Verweigerung der Reflexion. Nichts wird kritisch hinterfragt."


Betrachtet man Trumps Reaktionen,
Ankündigungen und Drohungen, lässt sich vieles mit diesem Befund erklären. Da ist es kaum verwunderlich, dass er sein Verhalten nun, da er zum Präsidenten gewählt wurde, nicht einfach ändert. Er kann es schlicht und einfach nicht.

Als Trump sich wochenlang gegen die Einschätzung wehrte, Russland habe mit Hackerangriffen und der Veröffentlichung interner Mails aus der Parteizentrale der Demokraten das Ziel verfolgt, ihm ins Amt zu verhelfen, sprach auch da der gekränkte Narzisst. Trump fürchtete, der Glanz seines Wahlsiegs könne geschmälert werden.

I win an election easily, a great "movement" is verified, and crooked opponents try to belittle our victory with FAKE NEWS. A sorry state!

— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 11. Januar 2017


Man darf davon ausgehen, dass er weiß, welche Gefahr professionelles Hacken und die Einflussnahme fremder Mächte für sein Land darstellen. In solchen Momenten aber scheint er nicht in der Lage zu sein, sich auf das größere, relevantere Problem zu konzentrieren. Er sieht nur sich, die vermeintliche Entwertung seines Wahlsiegs - mit der Folge, dass er Russlands Präsidenten Wladimir Putin oder WikiLeaks' Julian Assange, die eine Beteiligung Russlands bestritten, mehr Glauben schenkte als den eigenen Geheimdiensten.

Auch die Tatsache, dass Hillary Clinton beinahe drei Millionen Stimmen mehr erzielt hat, empfand Trump als eine so tiefe Kränkung, dass er sich zu der Aussage verstieg, er hätte locker die Mehrheit der Stimmen geholt, hätten nicht Millionen Illegale, die gar kein Wahlrecht besäßen, für Clinton gestimmt.

Es gibt keinerlei Beweis für diese absurde Theorie. Dass Trump mit diesem Vorwurf die Rechtmäßigkeit der Wahl anzweifelte und das Vertrauen in den demokratischen Prozess untergrub, war ihm egal. Es gab Wichtigeres. Das eigene Ansehen.

Ein Präsident, der seine eigenen Emotionen nicht hinter das Wohl eines größeren Ganzen zurückstellen kann, ist zweifellos ein Problem. Ebenso problematisch ist ein "Commander in Chief", der Wichtiges nicht von Unwichtigem unterscheiden kann. Legendär ist inzwischen seine nächtliche Twitter-Eruption fünf Wochen vor dem Wahltag, als er ab 3.20 Uhr unablässig Tweets verfasste. Es war nicht die Lage in Syrien, die ihn umtrieb, auch nicht die Endphase des Wahlkampfs. Es ging schlicht um Rache. Rache an einer Schönheitskönigin aus dem Jahr 1996, die die Frechheit besessen hatte, sich im Wahlkampf auf Clintons Seite zu schlagen. Sie sei "ekelhaft" und habe nach ihrer Wahl "massiv an Gewicht zugelegt". Ein solch impulsiver Geist wird nun also mitverantwortlich für den Weltfrieden sein.


Natürlich hört es niemand gern,
wenn etwas Unvorteilhaftes über ihn gesagt wird. Aber die Zivilisation, die Aufklärung, die menschliche Scham oder schlicht taktisches Kalkül haben bei den meisten einen Puffer zwischen Impuls und Reaktion gesetzt. Mit Trump erlebt die Welt nun eine Rückkehr in archaische Zeiten.

Sein Vorteil ist, dass er in einem aufgepeitschten Zeitalter agiert, in dem es ein Bedürfnis nach archaischem Reden und Handeln gibt, in dem Besonnenheit und Mäßigung als "Political Correctness" verspottet werden und taktisches Denken als Grundübel des korrupten "Establishments" gilt.

Während eines Motivationsvortrags, den Trump vor zwölf Jahren in Denver hielt, forderte er sein Publikum zu äußerstem Misstrauen auf. "Seien Sie paranoid", beschwor er die Leute. Diese ständige Angst, hintergangen zu werden, und Trumps Verlangen nach bedingungsloser Loyalität bestimmten auch die Besetzung seines Kabinetts. Unter den designierten Ministern finden sich vornehmlich Menschen, die Trump früh und lautstark unterstützten.

Justizminister soll Jeff Sessions werden, der erste Senator, der sich in den Vorwahlen für Trump aussprach. Als Städtebauminister fiel Trumps Wahl auf Ben Carson, obwohl der nach eigenem Bekunden keinerlei Ahnung von der Materie hat. Seine Hauptqualifikation bestand darin, dass er sich als Erster aus dem Kreis der republikanischen Mitbewerber freundlich über Trump äußerte. Nationaler Sicherheitsberater wird mit Michael Flynn ein Ex-Militär, der Trump schon früh vergötterte. Als Chefberater im Weißen Haus berief Trump Stephen Bannon, den Chef der ultrarechten Breitbart News, des einzigen Mediums, das im Wahlkampf konsequent für Trump geworben hatte.

In all diesen Nominierungen zeigt sich eine der großen Gefahren, wenn Narzissten in Machtpositionen gelangen. Ihr Verlangen nach Loyalität, gepaart mit dem Wunsch, heller zu strahlen als alle anderen, ist bei der Aufstellung von Führungsmannschaften eine unglückliche Mischung. Meist führt sie zu einer Riege aus Jasagern und blassen Gestalten.


Überraschend wirkte Trumps
zwischenzeitliches Interesse an Mitt Romney für den Posten des Außenministers. Der hatte ihn im republikanischen Vorwahlkampf wie kein Zweiter kritisiert. Würde Trump die Größe haben, ihm dennoch einen seiner wichtigsten Posten zu übertragen? Mehrfach ließ er ihn zu Gesprächen antanzen, die Trump wie ein Casting inszenierte. Immer wieder gab er kurze Zwischenstände durch, wie sich der Kandidat so machte. Am Ende entschied Trump sich für Rex Tillerson, nicht für Romney. Und plötzlich wirkten all die öffentlich inszenierten Bewerbungsrunden wie ein Racheakt an Romney.

"Die Welt ist ein gefährlicher Ort, und du musst jederzeit bereit sein zu kämpfen", das ist einer der zentralen Sätze, die Fred Trump seinem Sohn Donald beibrachte. Wenn der Vater, ein Immobilienunternehmer, an den Wochenenden losfuhr, um persönlich die Miete einzutreiben, nahm er Donald oft mit. In den einkommensschwächeren Gegenden stand Fred Trump beim Klingeln meist neben der Haustür. Als sein Sohn fragte, warum, antwortete Fred: "Weil sie hier manchmal gern durch die Tür schießen."

Für Donald waren diese Fahrten mit dem Vater Ansporn, "tough" zu werden und, wie der Vater forderte, ein "Killer", ein harter Hund, der keine Kompromisse macht, für den nur der Sieg zählt und Verlieren eine existenzvernichtende Schande ist. "Winner takes all, loser gets nothing", dieser Satz wurde zu Trumps Mantra. Und um ein Sieger zu sein, schreibt er in seinem Buch "Crippled America", sei es notwendig gewesen, "das toughste Kid in unserer Nachbarschaft" zu werden.

Der Glaube, nach dem das Leben ein Krieg ist und nur der gewinnt, der sich durchsetzt und den Verlierer verhöhnt und demütigt, dieses Weltbild vervollkommnete sich, als Donald mit 13 Jahren auf ein Militärinternat geschickt wurde.

In dieser konkurrenzbetonten Umgebung galt er als einer der rücksichtslosesten Schüler. Freunde hatte er keine. Freunde waren ein Zeichen für Schwäche. Zuverlässigere Werte waren: Stärke zeigen, die Umgebung einschüchtern, Autorität haben, ein Mann sein.

Eines seiner Idole in der Militärschule wird der dortige Baseballcoach Theodore Dobias. Schwäche, so wird Trump später schwärmen, habe dieser verachtet, wer Schwäche zeigte, der wurde von Dobias auch noch gedemütigt. Starke Jungs dagegen habe er wie Männer behandelt.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht schwer, Trumps Bewunderung für Wladimir Putin zu verstehen. Es mag sein, dass Putin seit Langem kompromittierendes Material über Trump besitzt. Es mag sein, dass er Trump gezielt im Wahlkampf half. Am Anfang aber stand, quasi als Türöffner, freundliche Zuwendung. Putin war der erste Staatschef, der Trump Beachtung schenkte und lobende Worte für ihn fand.

"Er ist ein sehr auffälliger Mann und ohne Zweifel sehr talentiert", sagte Putin über Trump - zu einem Zeitpunkt, als ihn in den USA viele noch nicht ernst nahmen. "So wie es aussieht, ist er der große Favorit im Präsidentschaftsrennen." Trump reagierte vorhersehbar: "Wenn Leute dich brillant finden, ist das immer gut, besonders wenn diese Person Russland anführt."

In Sachen Führungsstärke bekomme Putin von ihm eine Eins, lobte er den Russen und fügte bewundernd hinzu: "Er macht Hackfleisch aus unserem Präsidenten." Es ist die Aura von Stärke und Ruchlosigkeit, die Trump an Putin fasziniert.

"Er hält Putin für einen starken Mann, und so sieht er sich selbst auch", beschreibt der Trump-Vertraute Newt Gingrich die Anziehungskraft Putins auf Trump (Lesen Sie hier das vollständige Interview).

Das größte Schaufenster seiner Seele ist Trumps Twitter-Account. Seine Tweets werden zwar von 19,6 Millionen Menschen abonniert, er selbst folgt jedoch nur 42 Personen, was zugleich ein gutes Abbild seiner Weltsicht ist: Es reicht doch, wenn einer was sagt.

Trump kennt nur zwei Arten von Tweets: solche, in denen er die eigenen Erfolge oder all jene Menschen preist, die irgendwie nett zu ihm sind. Und solche, in denen er auf die eindrischt, die es nicht sind. Es gibt keinen Raum für Differenzierungen oder Zwischentöne, und es gibt kaum einen Tweet, der sich nicht mit seinem Lieblingsthema beschäftigt - Trump. Als er seinen Followern jüngst eine Weihnachtskarte schickte, zeigte die nicht etwa die versammelte Großfamilie, sondern Trump allein vor einem geschmückten Baum. In Trumps Twitter-Welt ist auch das Private stets politisch, er kennt da keine Trennung.

Am 6. Januar, zwei Wochen vor Amtsantritt, twitterte der gewählte Präsident über ein Thema, das für ihn ähnlich große Relevanz zu haben scheint wie die Beziehungen zu China oder die Zukunft der Nato: die Einschaltquoten jener Show, der Trump einen großen Teil seiner Bekanntheit verdankt. Weil er Präsident werden wollte, hatte NBC die Moderation von "The Apprentice" an Arnold Schwarzenegger vergeben, der am 6. Januar Premiere feierte. Trump kommentierte die schwachen Einschaltquoten der Sendung und lieferte auch gleich die Erklärung: Da fehlte eben die "Quotenmaschine DJT", also er selbst. Im Vorwahlkampf hatte Schwarzenegger John Kasich unterstützt.

Wenn Trump durch die Fernsehsender zappt, schaut er sich nur Sendungen an, in denen er vorkommt oder über ihn geredet wird. Sehr häufig kommentiert er die Talkshows selbst live auf Twitter. Seine Kritiker sind dann erfolglose Nieten eines pleitegehenden Senders, Sympathisanten sind tolle Typen mit glänzender Zukunft.

Wer ihm auf Twitter folgt, versteht bald: Die Welt des Mannes, der Amerika zur alten Größe verhelfen möchte, ist klein. Trump geht es um Dominanz oder wenigstens um die perfekte Illusion seiner Dominanz. Zur Aufrechterhaltung dieser Illusion gehört zwingend auch die Dominanz über Fakten, die das perfekte Bild stören könnten. Deshalb twittert Trump, dass er niemanden beleidigt habe, auch wenn davon Videos existieren. In seinem Kommunikationsmodell gibt es nicht den dritten Punkt, auf den sich Aussagen beziehen, sondern nur subjektive Urteile im Widerstreit. Und den gewinnt immer er.


Lügen sind ihm Mittel zum Zweck
- und zugleich Gift für den öffentlichen Diskurs. Denn wo ein Abwägen von Argumenten, eine Prüfung von Behauptungen unmöglich werden, kann sich eine Demokratie nicht mehr verständigen. Die Republik würde nach dem Modell von Twitter umgestaltet: Einer sendet, alle staunen.

In Trumps Selbstbild als Krieger, als "Killer", sind Zustände wie Unsicherheit oder Zweifel nicht vorgesehen. Den Kampf annehmen, das ist die Maxime. Risiken gehören dazu. Trump hat während seines Berufslebens viermal Bankrott anmelden müssen und wurde doch zum Milliardär. Im Wahlkampf wurde er als chancenloser Clown verlacht - nun wird er Präsident. In den Augen seiner Wähler verstärkt dieser überraschende Triumph Trumps Charisma der Unbesiegbarkeit - und es ist zu befürchten, dass diese Allmachtsfantasien ihn, den Narzissten, noch mehr beflügeln. Die Wochen seit seinem Wahlsieg ließen jedenfalls keine Zeichen von Demut oder Mäßigung erkennen.

Zugleich ist Trumps Aggressivität, seine Lust am Risiko, die Jagd um der Jagd willen, Trumps große Schwäche. Sein weltweites Geflecht aus Firmen und Familie, seine unbedingte Forderung nach Loyalität an seine Umgebung, in der er nur Jasager duldet, das alles könnte auch schnell zu einem Amtsenthebungsverfahren führen.

Wenn nicht, werden Amerika und der Rest der Welt bald einen Weg finden müssen, wie sie mit diesem in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Mann umgehen. Es gibt kaum Erfahrungswerte, zumindest nicht an der Spitze westlicher Demokratien. Am ehesten passt wohl die Analogie zu Silvio Berlusconi, an dessen Wahlsieg Mitte der Neunziger auch niemand glauben mochte.

Wie Trump war auch Berlusconi erfolgreicher Unternehmer, Medienprofi und zugleich narzisstisch veranlagt. Er versuchte, den Staat wie ein Unternehmen zu führen, und scherte sich wenig um demokratische Werte wie die Freiheit der Presse oder die Unabhängigkeit der Justiz.


Es dauerte lange,
bis Berlusconi über eine der vielen Ungeheuerlichkeiten, Rechtsbrüche und Korruptionsversuche zu Fall kam. Die bei vielen Narzissten ausgeprägte Gabe, Menschen zu manipulieren und für sich zu begeistern, sicherten ihm insgesamt zehn Jahre im Amt des Ministerpräsidenten.

Was also ist der richtige Umgang mit Donald Trump? In seiner grotesk wirkenden Selbstbewunderung und dem kindlichen Bedürfnis, geliebt zu werden, stecken Risiko und Chance. Und hinter der Inszenierung von Stärke ist zugleich eine Schwäche, eine Anfälligkeit. So irrational Trumps Verhalten auf den ersten Blick erscheint, so absehbar ist es oft.

Die effektivste Form, ihn zu beeinflussen, wäre wohl, ihm zu schmeicheln, ihm jenen Respekt zu gewähren, nach dem er sich sehnt. Wladimir Putin ist nicht der Einzige, der das begriffen hat. Auch Barack Obama scheint diese Strategie nun zu verfolgen. Er war es, der nach Trumps Wahlsieg als einer der ersten Demokraten umschaltete und seinen Nachfolger respektvoll im Weißen Haus empfing. Trump, der Obama noch im Wahlkampf als größten Versager aller Zeiten geschmäht hatte, schmolz dahin und bedankte sich überschwänglich.

Nach einem solchen Auftakt ließe sich vermutlich besser mit ihm reden und verhandeln. Das mag etwas simpel klingen, aber vielleicht ist genau das die Voraussetzung für den richtigen Umgang mit Trump: simpel zu denken.