Naziparolen im »Bürgerbüro«

Erstveröffentlicht: 
18.01.2017
Strategisch günstige Lage: Im westsächsischen Plauen hat die rechte Kaderpartei »Der III. Weg« ein »nationales Zentrum« eröffnet Von Marek Yanowski

 

Eine vierspurige Ausfallstraße, Leerstand, soweit das Auge reicht, das Rotlichtviertel in Sichtweite: Die Pausaer Straße scheint exemplarisch für den Verfall der Gegend zu stehen. Doch Haselbrunn, ein Altbaustadtteil im Plauener Norden, gilt nicht nur als sozial benachteiligt: Nach Berichten antifaschistischer Gruppen ist das Viertel seit Jahren ein Mittelpunkt rechter Aktivitäten. Wo sich schon seit Jahren eine rechte Kneipenkultur etablieren konnte, hat sich mit dem Zuzug mehrerer Kader der Partei »Der III. Weg« die Situation deutlich verschärft. Nun verkündeten lokale Neonazis die Eröffnung eines »Parteibüros« in einem Ladengeschäft an der Pausaer Straße.

 

»Spätestens seit dem Jahr 2015 beobachten wir hier einen spürbaren Anstieg rechter Übergriffe und Propagandaaktivitäten«, berichtet Susann Fischer, Pressesprecherin der Antifaschistischen Gruppen des Vogtlandes (AGV). Vor wenigen Wochen hatten die AGV zu einer Demonstration aufgerufen, um auf die Gefahr der Herausbildung eines rechten Kiezes im Stadtteil Haselbrunn aufmerksam zu machen. Etwa 150 Menschen folgten der Mobilisierung unter dem Motto »Den III. Weg zerschlagen«. Nun fühlen sich die Plauener Antifaschisten bestätigt: »Die örtlichen Führungskader wie Tony Gentsch sind seit Jahren überregional vernetzt. Seit der Beschlagnahmung des Nazizentrums in Oberprex durch bayerische Behörden war absehbar, dass sich die Nazis erneut öffentliche Räume suchen werden«, so Fischer.

 

Die Presseerklärung der neofaschistischen Partei platzt vor Zuversicht: Es gelte, »nationale Freiräume« zu schaffen, weitere Räumlichkeiten nach dem Beispiel des Plauener Büros würden folgen. In jeder Hinsicht hat Plauen eine Modellwirkung für neonazistische Kräfte. Erstmals organisierten hier im Jahre 2014 Strukturen des »III. Wegs« eine bundesweite rechte Demonstration – zuvor war dies Aufgabe des Kameradschaftsnetzwerks »Freies Netz Süd«, dessen Verbot 2014 ebenso wie die Restrukturierung als Partei schon absehbar schienen. Im Jahr 2015 bekannte sich mit dem extrem rechten Unternehmer Thomas Lauter in Plauen erstmals in Deutschland ein Stadtrat öffentlich zur Zusammenarbeit mit dem »III. Weg« – auch wenn er dies später widerrief. Und nun versuchen die lokalen Kader mit der Büroeröffnung in Plauen massiv auf soziale Konzepte zu setzen (Jugend­angebote, eine sogenannte »nationale Volksküche« sowie Kleiderspenden – natürlich nur an ethnisch definierte »Deutsche«).

 

Doch warum ausgerechnet Plauen? Da wäre einerseits die strategisch günstige Lage im »Dreiländereck« zwischen Sachsen, Bayern und Thüringen. Im Vogtlandkreis begünstigte die Existenz gefestigter Kameradschaftsstrukturen wie der vor wenigen Jahren aufgelösten »Revolutionären Nationalen Jugend Vogtland« (RNJ) und der eher im gewaltaffinen Naziskinmilieu angesiedelten »Rechten Aktionsfront Sektion Reichenbach« den Aufbau von Parteistrukturen des »III. Wegs«. Im nahegelegenen Landkreis Hof hatte sich unterdessen Hammerskinsmitglied Tony Gentsch niedergelassen, um neonazistische Politik voranzutreiben. Nach der Beschlagnahme der überregional für Neonaziveranstaltungen genutzten Immobilie »Oberprex 47«, offiziell Eigentum seiner Mutter, zog Gentsch nach Plauen und siedelte sich dort unter anderem mit Patrick Fehre an, einem ehemaligen NPD-Kader aus Berlin-Pankow.

 

Ganz in der Nähe, im Feilitzscher Ortsteil Unterhartmannsreuth, hat sich währenddessen der bundesweit bekannte Liedermacher und Neonazi Frank Rennicke angesiedelt. Und im wenige Kilometer entfernten Greiz dominiert »Thügida«-Führungskader David Köckert eine rechte Szene, die seit Jahren als besonders gewaltaffin gilt und beispielsweise im Juni 2011 durch einen koordinierten Überfall auf das Park- und Schlossfest von sich reden machte. Plauen ist strategisch gesehen ein potentieller Schnittpunkt mehrerer rechter Strömungen – und diese werden seit Jahren offenbar weitgehend in Ruhe gelassen, sieht man mal von einigen engagierten Antifaschisten ab. »In Plauen gibt es keine Zivilgesellschaft. Mit wenigen Ausnahmen ist die Extremismustheorie hier Konsens. Wer gegen die rechte Vorherrschaft über ganze Stadtteile kämpft, macht sich verdächtig«, erklärt die Pressesprecherin der AGV. Zumindest gebe es kleine Lichtblicke zu verzeichnen: Im Vorfeld der letzten Antifademo sei die rechte Unterwanderung eines Sportvereins im Plauener Norden öffentlich Thema gewesen, auch die Lokalzeitungen berichteten von der Gefahr eines rechten Rückzugsraums in Haselbrunn. Des weiteren gebe es eine aktive linksalternative Jugendszene in Stadt und Umland.

 

Auf seiten der Rechten ist unterdessen eine strategische Trendwende zu verzeichnen: Während die traditionelle braune Szene seit jeher vor allem auf Kneipen, Fußball und Musik als Rekrutierungspunkte setzt, stellt sich der »III. Weg« ausgerechnet in einem vernachlässigten Stadtteil an der sächsischen Peripherie als soziale Alternative dar.

 

So wird auch auf den Bedeutungsverlust des lokalen NPD-Kreisverbands reagiert, der schon seit Jahren trotz der Entsendung des Bundesvorstandsmitglieds Arne Schimmer nicht in der Lage war, Akzente zu setzen. Dies schaffte vielmehr die nationalistische Bürgerbewegung »Wir sind Deutschland«, die im Herbst 2015 mit dem Slogan »Nicht ganz rechts – nicht ganz links. Nicht ganz Gutmensch – nicht ganz Pack« für sich geworben hatte. Nun stehen im Vogtland neue Bündnisse an – die Gruppierung »Wir für unser Vogtland« sucht den Schulterschluss zwischen Anhängern des »III. Wegs« und verbliebenen radikalisierten Aktivisten von »Wir sind Deutschland«. Die Bewegung konnte im Winter 2015 mehrere tausend Menschen auf die Straßen der westsächsischen Kreisstadt bringen.