Höcke kritisiert Holocaust-Gedenken und erntet Nazi-Vergleich

Erstveröffentlicht: 
18.01.2017

"Widerlicher Nazi", "lupenreiner Rechtsextremist", "gefährlicher Hassprediger". Thüringens AfD-Chef Höcke hat mit seiner Kritik am Holocaust-Gedenken der Deutschen bundesweit massive Reaktionen ausgelöst. Höcke selbst sprach von "bösartiger und bewusst verleumdender Interpretation" dessen, was er tatsächlich gesagt habe.

 

Thüringens AfD-Vorsitzender Björn Höcke hat das Holocaust-Gedenken der Deutschen massiv kritisiert und damit bundesweit Empörung ausgelöst. Offensichtlich mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin sagte Höcke auf einer Veranstaltung der Jungen Alternative am Dienstagabend in Dresden: "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat."

 

Ramelow: Höcke benutzt NS-Sprache

 

Die Reaktionen aus anderen parlamentarischen Parteien ließen nicht lange auf sich warten. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow kritisierte Höcke am Mittwoch scharf: "Dass Höcke am Tag des NPD-Verbotsverfahrens das Holocaust-Mahnmal mit dem Wort Schande und nicht den Holocaust als Schande bezeichnet, macht deutlich, in welcher geistigen Haltung Höcke agiert". Er habe schon lange darauf hingewiesen, dass Höcke die NS-Sprache benutze, sagte der Linke-Politiker. Bezeichnend sei auch, dass Höcke am Tag des NPD-Verbotsverfahrens versuche, die Achse des demokratischen Spektrums weiter nach rechts außen zu verschieben. Auch das politische Feld der AfD verschiebe sich dadurch deutlich nach rechts.

 

"Lupenreiner Rechtsextremist" und "widerlicher Nazi"

 

Ähnlich äußerte sich Thüringens Kultusminister Benjamin Hoff. Der Linke-Politiker twitterte: "Der Tag an dem das Bundesverfassungsgericht die NPD nicht verboten hat, wird alls ein Tag in Erinnerung bleiben, an dem AfD-MdL Höcke sich in Ideologie und Rhetorik als lupenreiner Rechtsextremer just like NPD bewies." Der CDU-Abgeordnete im Thüringer Landtag und Landeschef der Jungen Union, Stefan Gruhner, bezeichnete Höcke gar offen als Nazi. "Die AfD ist eine Partei der Schande und Höcke ein widerlicher Nazi. Höcke ist und bleibt parlamentsunwürdig", twitterte Gruhner.

Die Thüringer Linke-Abgeordnete, Katharina König, nannte Höcke via Twitter einen "gefährlicheren Hassprediger", der "von Thüringer Neonazis längst als legitimer parlamentarischer Vertreter wahrgenommen" werde.

 

Zentralrat der Juden reagiert entsetzt

 

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zeigte sich zutiefst empört über Höckes Äußerungen: "Das Berliner Holocaust-Denkmal als 'Denkmal der Schande' zu bezeichnen, ist völlig inakzeptabel", sagte Schuster der "Bild"-Zeitung. Damit trete der Thüringer AfD-Vorsitzende das Andenken an die sechs Millionen ermordeten Juden mit Füßen und relativiere das schwerste und in diesem Ausmaß einzigartige Menschheitsverbrechen der Geschichte. Die AfD zeigt mit diesen antisemitischen und in höchstem Maße menschenfeindlichen Worten ihr wahres Gesicht."

Auch die ehemalige Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch zeigte sich entsetzt. "Diese völkische Hetze ist unerträglich", sagte sie der "Heilbronner Stimme".  Mit diesen rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Thesen und Tiraden vergiftet die AfD die politische Kultur und die gesellschaftliche Debatte in Deutschland.

 

Massive Kritik aus Bundes-SPD

 

Auch von Seiten der Bundespolitik hagelte es massive Kritik an Höcke. SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich entsetzt. Ihm sei es "kalt den Rücken runtergelaufen", als er sich die Rede Höckes im Internet angesehen habe, schrieb der Vizekanzler auf Facebook. Er wisse, dass die AfD gezielt Aufmerksamkeit mit Provokationen erzeuge. "Wir sollten deshalb nicht über jedes Stöckchen springen, das uns die AfD hinhält."

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley warf Höcke vor, mit Nazi-Parolen auf Stimmenfang gehen zu wollen. "Björn Höcke spricht die Sprache der NSDAP." SPD-Vize Ralf Stegner sprach auf dem Kurznachrichtendienst Twitter von einer "Hetz-Rede" und forderte: "Null Einfluss für das Neonazipack!" Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter nannte die Rede des AfD-Politikers "unsäglich".

 

Linken-Politiker erstattet Anzeige

 

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm erstattete gegen Höcke wegen dessen Äußerungen zum Holocaust-Mahnmal in Berlin Strafanzeige. Höcke zeige, dass "Geschichtsrevisionisten und rechtsextreme Chauvinisten" bei der AfD ihr neues Zuhause finden sollten, erklärte der Linken-Politiker.

 

Höcke weist Vorwürfe zurück

 

Höcke selbst wies die massive Kritik an seiner Rede ebenso heftig zurück. Sie sei bösartig und bewusst verleumdend interpretiert worden, teilte der AfD-Politiker in einer persönlichen Erklärung mit. Konkret ging es um die Bezeichnung des Holocaust-Denkmals in Berlin als "Denkmal der Schande". Höcke erklärte dazu, er habe den von den Deutschen verübten Völkermord an den Juden als Schande für das Volk bezeichnet. Es zeichne die Deutschen aus, sich der eigenen Schuld zu stellen. Schuldbewusstsein allein könne aber keine gesunde Identität stiften, sondern nur eine gebrochene.

 

Gemütszustand eines "besiegten Volkes"

 

Höcke hatte in seiner umstrittenen Rede ein Ende der Kultur des Erinnerns an die Nazi-Verbrechen gefordert. Zugleich behauptete der AfD-Politiker, mit der Bombardierung Dresdens und anderer deutscher Städte am Ende des Zweiten Weltkrieges und mit der Umerziehung nach 1945 sei versucht worden, die deutschen Wurzeln zu roden.

Den Gemütszustand der Deutschen bezeichnete er dabei als den "eines brutal besiegten Volkes": "Anstatt die nachwachsende Generation mit den großen Wohltätern, den bekannten, weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und Erfindern in Berührung zu bringen, von denen wir ja so viele haben,... vielleicht mehr als jedes andere Volk auf dieser Welt ..., und anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte, mies und lächerlich gemacht."

 

Merkel mit Honecker verglichen

 

Höcke sprach in seiner umstrittenen Dresdener Rede mit Blick auf die "führenden Altparteien-Politiker" in Deutschland von "erbärmlichen Apparatschiks". Die Regierung Merkel sei "zu einem Regime mutiert". Weder "Habitus noch ihre floskelhafte Phraseologie unterscheidet Angela Merkel von Erich Honecker", sagte Höcke unter "Merkel muss weg"-Rufen der Zuhörer.

 

Das deutsche Volk, den deutschen Staat und den sozialen Frieden im Land sieht der AfD-Politiker vor allem durch "den Import fremder Völkerschaften" bedroht. Lediglich die AfD könne Deutschland noch retten, rief er seinen Zuhöreren in Dresden zu. Das Land brauche daher einen vollständigen Sieg der AfD."

 

Gezielte Provokationen und Tabubrüche

 

Höckes provokante Rede scheint nicht ohne Kalkül gewesen zu sein. Der AfD-Bundesvorstand hatte im Dezember beschlossen, im Bundestagswahlkampf auf gezielte Provokationen und Tabubrüche zu setzen. In einem Strategiepapier heißt es, mit geplanten Provokationen sollten die anderen Parteien zu übertriebenen Reaktionen verleitete werden. Je mehr die AfD von anderen Parteien angefeindet werde, desto positiver sei das für die AfD, heißt es in dem Papier, das der Berliner AfD-Landesvorsitzende Georg Pazderski verfasst hat. Über das Strategiepapier hatten die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und andere Medien berichtet.