Sächsische Justizfarce gegen Berliner Antifaschisten geht womöglich weiter / Staatsanwaltschaft will Urteil prüfen
Berlin. Fast sechs Jahre lang ist die angebliche Tat her, die die Dresdner Staatsanwaltschaft Tim H. vorwirft. Doch die sächsischen Behörden lassen den mittlerweile 40-jährigen Familienvater trotz eines kürzlichen Freispruchs immer noch nicht in Ruhe. Sie legten Revision gegen das Urteil von Freitag vergangener Woche ein, wie das »nd« am Donnerstag erfuhr.
Die Staatsanwaltschaft hatte Tim H. vorgeworfen, bei Anti-Nazi-Protesten in Dresden am 19. Februar 2011 eine Art Rädelsführer bei gewalttätigen Übergriffen auf Polizisten gewesen zu sein. Er soll damals laut den Behörden Ansagen durch ein Megafon gemacht haben. In einem ersten Verfahren hatte das Amtsgericht Dresden das als erwiesen angesehen und den nicht vorbestraften Angeklagten im Januar 2013 zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Die schwache Beweislage hatte sich bereits im ersten Berufungsverfahren am Landgericht im Januar 2015 gezeigt. Damals wurde Tim H. nur noch wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 45 Euro verurteilt. Selbst davon sah das Gericht vergangene Woche ab. Es habe nicht festgestellt werden können, dass Tim H. aufwiegelnd auf die Menge eingewirkt habe, sagte der Richter: »Es konnte ihm nicht einmal nachgewiesen werden, dass er überhaupt Ansagen mit seinem Megafon gemacht hat.«
Bei der Staatsanwaltschaft bestätigt man die Revision. Man wolle zunächst das schriftliche Urteil abwarten und dann entscheiden, ob es »überzeugend« sei und ob die Revision aufrecht erhalten werde oder nicht. Ob die Behörde diesbezüglich eine Tendenz habe, dazu wollte sich ein Sprecher der Staatsanwaltschaft nicht äußern. nd