Demonstration in Dessau: Vor zwölf Jahren starb Oury Jalloh im Polizeigewahrsam
Von Christina Müller
Verbrannt im Polizeirevier Dessau: Am 7. Januar vor zwölf Jahren starb Oury Jalloh. Mit einer Demonstration unter dem Motto »Oury Jalloh – kein Einzelfall« wollen Aktivisten am Sonnabend an ihn und andere Geflüchtete, die unter »Polizeischutz« in Deutschland zu Tode gekommen sind, erinnern. Beginn ist um 14 Uhr am Dessauer Hauptbahnhof.
Die Initiative »In Gedenken an Oury Jalloh« ruft zu einer »kraftvollen Demonstration gegen staatlichen Rassismus in allen Behörden und Ministerien dieses Landes« auf. Der Fall Jalloh sei nur ein Beispiel dafür, wie »der Staat gegen alle Fakten bis in höchstrichterliche Instanzen hinein eine Täter-Opfer-Umkehr« betreibe. Offenkundige Beweise für einen Mord im Polizeigewahrsam würden seit Jahren ignoriert, das Opfer und dessen Familie verhöhnt sowie mögliche Täter in Uniform geschützt.
Nach Ansicht der Initiative sei jetzt der richtige Zeitpunkt, den Druck auf die ermittelnde Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau zu verstärken. Letztere rede sich gerade »um Kopf und Kragen«, heißt es. Die Behörde hatte Anfang 2014 ein neues Ermittlungsverfahren wegen Mordverdachts gegen Unbekannt eingeleitet, weil zuvor ein von der Initiative finanziertes Gutachten die Verwendung von Brandbeschleunigern nahegelegt hatte.
Passiert war zunächst wenig. Nachdem jedoch Ende 2015 zwei weitere Gutachten den Mordverdacht erhärtet hatten, ging Staatsanwalt Olaf Braun in die Offensive: Er ließ im August geladenen Medienvertretern einen Brandversuch im sächsischen Dippoldiswalde vorführen – unter vielfach kritisierten Umständen (jW berichtete). Ergebnisse, die spätestens im Oktober vorliegen sollten, sind bis heute nicht präsentiert worden. Während Braun gegenüber jW nichts Genaueres sagen wollte, erklärte er der Mitteldeutschen Zeitung kurz vor Weihnachten, dies werde vor dem 7. Januar auch nicht geschehen.
»Ich bin gespannt, was sie sich zurechtbasteln«, sagte ein Sprecher der Initiative gegenüber jW. Die Aktivisten und die Anwältinnen der Opferfamilie kritisieren die staatsanwaltliche »Transparenzoffensive« als »von vornherein nicht zielführend«. So seien mehrere seit langem bekannte Befunde und Parameter »schlichtweg ignoriert« worden, bemängelten sie unter anderem.
Um eine breite Teilnahme zu ermöglichen, haben Bündnisse und Aktivisten in verschiedenen Städten Anreisemöglichkeiten organisiert. Treffpunkte und Uhrzeiten sind im Internet zu finden. Busse fahren von Berlin, Hamburg, Köln, Hannover, Rostock (über Greifswald), Jena, Halle, Göttingen und Frankfurt am Main (über Marburg und Kassel) zur Demonstration nach Dessau. Die Organisatoren bitten Interessierte, sich rechtzeitig anzumelden. Von Berlin, Potsdam, Leipzig, Dresden, Erfurt und Magdeburg sind zudem gemeinsame Zugfahrten geplant.