Antifaschistischem Pressearchiv droht Rausschmiss

Erstveröffentlicht: 
22.12.2016

Kreuzberger Wohn- und Gewerbekomplex in der Lausitzer Straße soll vergoldet werden

 

»Für uns ist schon im März Schluss«, sagt Anna Rossetti vom Projekt »Flucht nach vorn«, das unbegleiteten jungen Flüchtlingen unter anderem Deutschkurse anbietet und Bildungsperspektiven eröffnet. Der alte Mietvertrag in dem Wohn- und Gewerbekomplex Lausitzer Straße 10/11 läuft dann aus. Die neue Miete kann sich das Projekt nicht leisten, das seit 1990 in dem Haus ist. Die neue hohe Miete ist allerdings nicht im luxuriösen Zustand des Gebäudes begründet. »Die Heizung funktioniert andauernd nicht und der Wasserschaden, den es Anfang des Jahres gab, ist immer noch nicht behoben«, berichtet Rossetti. Es ist einfach die Lage, Lage, Lage, wie Makler sagen würden.


»Seit Google seinen Campus in der Ohlauer Straße gleich um die Ecke aufgemacht hat, scheint Taekker Blut geleckt zu haben«, sagt Laura Maikowski. Die Mediengestalterin ist mit ihrer Firma »Bildargumente« Mieterin in dem Objekt. »Alle Gewerbemieter haben neue Verträge bekommen, die 2017 auslaufen«, berichtet sie.


Die dänische Unternehmensgruppe Taekker, Eigentümerin nicht nur dieses Hauses in Kreuzberg, möchte nicht mehr vermieten, sondern lieber verkaufen. Das haben die Mitglieder des sich in Gründung befindlichen »Mieterinnenvereins Lause-Bleibt« herausgefunden. Fast 20 Millionen Euro soll der veranschlagte Preis sein. Der Plan sieht eine Umwandlung in ›Geschäftshäuser mit Loftkomplex‹ vor, heißt es in der Mitteilung des Vereins.


»Wir haben Taekker schon das Angebot gemacht, selber zu kaufen«, berichtet Laura Maikowski. »Die haben sich nicht einmal gemeldet.« Zwar sei der angesetzte Kaufpreis mit etwa 3500 Euro pro Quadratmeter Mietfläche sehr hoch, aber zumindest einen Versuch, sich über Verhandlungen zu einigen, sei es wert, findet Maikowski.


Sollte es wirklich zu einem Verkauf zu diesen Konditionen kommen, ist die typische Kreuzberger Mischung Geschichte, die den Komplex heute charakterisiert. »Hier arbeiten mehrere hundert Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen«, sagt Maikowski. »Das macht doch Berlin aus.«


Unter den Gewerbemietern sind verschiedene Werkstätten, Bildungseinrichtungen, Bürogemeinschaften und zahlreiche Vereine wie etwa das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum »apabiz«, die Videowerkstatt »autofocus«, oder das »Umbruch-Bildarchiv«, die in diesem Gewerbehof seit mittlerweile zwanzig Jahren angesiedelt sind.

 

Angst haben auch die Wohnungsmieter. »Wir wohnen seit über 40 Jahren hier. In der Wohnung wird nichts gemacht. Die Fenster isolieren schlecht, einige sind seit Jahren kaputt. Wir heizen mit Kohle. Es zieht«, sagt eine Mieterin, die ihren Namen nicht nennen will. »Aber das ist unsere Wohnung, unser Kiez. Wir wollen hier wohnen bleiben.«


»Der Fall Lausitzer Straße 10 ist uns leider sehr gut bekannt«, sagt der frischgebackene Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Der Bezirk musste schon vor einiger Zeit die Genehmigung für die Umwandlung der Gewerbeflächen in Mietraum erteilen. Deswegen wurde im Frühjahr ein Gutachten in Auftrag gegeben zum Gewerbeflächenmanagement. »Das gibt uns in Zukunft hoffentlich die Möglichkeit, solche Dinge anders zu behandeln«, sagt Schmidt. »Für diesen Fall kommt das leider zu spät.« Er werde aber trotzdem versuchen, Verhandlungen mit dem Eigentümer aufzunehmen. Die Mieter des Hauses sind bereit zu kämpfen: »Wir lassen uns nicht im Interesse höherer Profite verdrängen: Wir bleiben alle!«