Chronik: Rechtsextreme Vorfälle in der AfD 2016

Der Spitzenkandidat der saarländischen AfD für die Landtagswahl handelt mit NS-Devotionalien.
Erstveröffentlicht: 
22.12.2016

von Julian Feldmann

Das Credo der AfD lautet: Fischen am rechten Rand - ja. Rechtsextreme Mitglieder - nein. Doch immer wieder fallen Funktionäre der AfD mit verfassungsfeindlichen Aussagen auf oder offenbaren Verbindungen zu rechtsextremen Vereinigungen. Da die Partei in diesem Jahr mit derart vielen rechtsextremen Vorfällen und Äußerungen in Erscheinung trat, kann diese Chronik nur eine Auswahl der brisantesten Fälle zeigen.

 

Das erste Halbjahr 2016


10. März

Der saarländische AfD-Landesvorstand unterhält nach einem Bericht des Magazins "Stern" intensive Kontakte zu Rechtsextremisten. Die Führungsriege der Saar-AfD traf sich demnach mehrmals mit Mitgliedern einer NPD-nahen Gruppierung, der Landesvorsitzende Josef Dörr war persönlich bei einer Versammlung der rechtsextremen Gruppe aufgetreten. Sogar ein gemeinsamer Antritt bei den Landtagswahlen sei im Gespräch gewesen. Die Bundes-AfD will nach den Enthüllungen den Landesverband auflösen, scheitert jedoch am Schiedsgericht der Partei. Gegen Dörr, der nach wie vor im Amt ist, läuft ein Parteiausschlussverfahren.

 

Recherchen von Panorama und des "Stern" zeigen im September, dass der Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Saarland 2017, Rudolf Müller, mit Nazi-Orden und sogenanntem Lagergeld aus dem KZ Theresienstadt handelt. Da Müller in seinem Antiquitätengeschäft auch offen Orden mit Hakenkreuzen zur Schau stellt und verkauft, leitet die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ein Strafverfahren wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein.

 

15. März

Im Landesvorstand der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" in Brandenburg sitzt mit Alexander S. ein ehemaliges NPD-Mitglied. Wie die "Potsdamer Neuesten Nachrichten" weiter berichten, arbeite S. auch für AfD-Landtagsabgeordnete. Fraktionsvize  Andreas Kalbitz, bei dem S. als studentische Hilfskraft angestellt war, wusste von der Neonazi-Vergangenheit des Mitarbeiters. Die NPD steht wie viele andere rechtsextreme Parteien und Gruppierungen auf der "Unvereinbarkeitsliste" der AfD. (Ehemalige) Mitgliedschaften in diesen Vereinigungen sind nach offizieller Parteilinie nicht mit einer AfD-Zugehörigkeit vereinbar.

 

9. Mai

Andreas-Dieter "Adrich" Iloff tritt als stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Diepholz in Niedersachsen in Erscheinung. Iloff ist in der rechtsextremen Szene Niedersachsens bekannt, nahm etwa 2014 an einer "Hooligans gegen Salafisten"-Kundgebung in Hannover teil. 2011 war der Hufschmied bei einem Treffen von Rechtsextremisten auf dem Anwesen des Neonazi-Führers Thorsten Heise im thüringischen Fretterode dabei. Schon vor Jahren fielen die Aktivitäten des heutigen AfD-Funktionärs dem Verfassungsschutz auf. Der Kreisverband Diepholz wählt Iloff am 26. November zum Vorsitzenden. Die AfD Niedersachsen will sich zur Personalie Iloff nicht äußern.

 

1. Juni

Wie ein Bericht der "Bild" offenlegt, hatte der im März in den baden-württembergischen Landtag gewählte AfD-Abgeordnete Wolfgang Gedeon 2012 ein antisemitisches Buch veröffentlicht. In dem Machwerk, in dem unter anderem Holocaust-Leugner wie Horst Mahler, Ernst Zündel und David Irving verteidigt werden, heißt es: "Wie der Islam der äußere Feind, so waren die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes." Der Antisemit trat freiwillig aus der Fraktion aus, nachdem die notwendige Zweidrittelmehrheit für seinen Ausschluss nicht zustande kam. Mitglied der AfD ist Gedeon weiterhin.

 

29. Juni

Der bayerische AfD-Landesvorsitzende Petr Bystron versucht zusammen mit zwei bekannten Rechtsextremisten in eine Veranstaltung von AfD-Kritikern in München zu gelangen, wie der Bayerische Rundfunk berichtet. Anschließend besuchten die drei gemeinsam einen nahegelegenden Biergarten, wie Fotos belegen. Bystron bestreitet später eine Zusammenarbeit mit Neonazis und sagt, er kenne die beiden Rechtsextremisten  "nicht näher".

 

Das zweite Halbjahr 2016


25. August

Der AfD-Vorsitzende im hessischen Odenwald, Karl-Ludwig Kunstein, verbreitet auf seiner Facebook-Seite antisemitische Propaganda. In einem von ihm geteilten Video einer rechtsextremen Gruppe warnt die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck vor einer "Vernichtung Europas" und spricht vom "jüdischen Jahrhundert der Lüge". Haverbeck behauptet in dem Video, dass die islamistischen Terroranschläge am 11. September 2001 von Juden inszeniert worden seien und jüdische Verschwörer hinter allen Kriegen unserer Zeit stünden.

 

Gegenüber Panorama erklärt Kunstein, der bei Facebook auch rechtsextreme Seiten mit "Gefällt mir" markiert hat: "Das Teilen dieses Beitrages liegt für mich zu weit in der Vergangenheit, um noch nachvollziehen zu können, aus welchem, leichtsinnigen Grund ich das geteilt haben könnte. Ich distanziere mich in aller Deutlichkeit von der Meinung dieser Dame."

 

11. September

AfD-Vorsitzende Frauke Petry will den Begriff "völkisch" positiv besetzen, wie sie in der "Welt am Sonntag" verkündet. Ihr missfalle es, "dass er ständig nur in einem negativen Kontext benutzt wird". "Völkisch" ist der Kurzbegriff für völkischen Nationalismus und kennzeichnet seit Ende des 19. Jahrhunderts eine politische Strömung, die rassistische und antisemitische Ideologien verbindet. Die Völkische Bewegung ging weitgehend in der NSDAP auf. Völkische Ansichten werden ausschließlich von Rechtsextremisten vertreten.

 

11. September

Bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen werden mehrere ehemalige Angehörige rechtsextremer Organisationen in die Räte gewählt. Im Peiner Kreistag sitzt für die AfD mit Andreas Tute ein ehemaliges Mitglied der rechtsextremen Partei "Pro Deutschland". Im Rat der Stadt Springe bei Hannover ist Wolfram Bednarski vertreten, der dem vom Bundesinnenministerium verbotenen rechtsextremen Verein "Bauernhilfe" angehörte.Die "Bauernhilfe" war laut Innenministerium ein "Sammelbecken organisierter Holocaust-Leugner" und steht auf der "Unvereinbarkeitsliste" der AfD. In den Göttinger Kreistag zog auf der Liste der AfD Philipp Göthel ein, der zuvor der rechtsextremen Szene im thüringischen Nordhausen angehörte. In die AfD-Kreistagsfraktion wurde Göthel nach Bekanntwerden seiner Neonazi-Aktivitäten nicht aufgenommen.

 

16. September

Der AfD-Kreisverband Plön in Schleswig-Holstein wählt mit Sebastian Pella ein ehemaliges CDU-Mitglied in den Kreisvorstand. Allerdings hatte Pella die hessische CDU 2011 verlassen müssen, als bekannt wurde, dass er für extrem rechte Zeitschriften schrieb. AfD-Funktionär Pella arbeitet für die rechtsextreme Zeitschrift "Zuerst" und war Vorstandsmitglied der "Gesellschaft für freie Publizistik", der laut Verfassungsschutz "größten rechtsextremen Kulturvereinigung in Deutschland". Pella scheidet "aus familiären Gründen" bereits im Oktober aus dem Kreisvorstand wieder aus.

 

16. September

Die AfD stellt Frank Legrum als Direktkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein 2017 im Wahlkreis Rendsburg auf. Auf seiner Facebook-Seite präsentiert sich AfD-Aktivist Legrum mit einem Foto, auf dem er und andere in T-Shirts posieren, auf denen die "Schwarze Sonne" und die Worte "Söhne Odins" aufgedruckt sind. Die "Schwarze Sonne" zählt zu den mystischen Symbolen des Nationalsozialismus, im Besonderen Heinrich Himmlers mörderischer SS.

Weil das Zeigen des Zeichens nicht verboten ist, zählt die "Schwarze Sonne" heute zu den wichtigsten Erkennungssymbolen der rechtsextremen Szene. Nach einer Anfrage von Panorama an den AfD-Landesvorstand verschwand das Bild von Legrums Facebook-Seite. Die AfD teilte lediglich mit, dass das Foto "dem Landesverband nicht bekannt" sei.

 

18. September

Kay Nerstheimer wird als Direktkandidat der AfD in das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. Das ehemalige Mitglied der rechtsextremen "German Defence League" bezeichnete syrische Flüchtlinge als "einfach widerliches Gewürm" und Homosexuelle als "degenerierte Spezies". Obwohl Nerstheimers Ansichten bekannt waren, stellte die Partei ihn als Kandidaten auf. Nerstheimer verzichtet nach der Wahl auf die Fraktionsmitgliedschaft, die AfD leitet nach scharfer Kritik ein Parteiausschlussverfahren ein.

 

5. November

Der niedersächsische AfD-Landeschef Armin Paul Hampel tritt auf einer Tagung des rechtsextremen "Arbeitskreis für deutsche Politik" in Hollenstedt bei Hamburg als Referent auf. Gegenüber dem NDR behauptet Hampel, von dem verfassungsfeindlichen Hintergrund des "Arbeitskreises" nichts gewusst zu haben.

 

15. November

Die Staatsanwaltschaft Berlin lässt die Wohnung von AfD-Politiker Wolfgang Hebold durchsuchen. Gegen den 57-Jährigen, der weiterhin das Vertrauen der AfD in Berlin-Lichtenberg genießt, wird wegen Volksverhetzung ermittelt. Im Juni war Hebold bereits wegen fremdenfeindlicher Aussagen als Hochschuldozent entlassen worden.