Die türkisch-islamische Gemeinde in Öhringen ist zum wiederholten Mal Ziel von Angriffen geworden.
Früher habe ich gedacht: Es ist Freital und Dresden. Jetzt ist es Pfedelbach und Öhringen", sagt der Mann, der früher kein Problem damit gehabt hätte, seinen Namen in der Zeitung zu lesen. Jetzt möchte er lieber anonym bleiben. Aus Angst. Denn er spricht für den türkisch-islamischen Kulturverein, der die Aksemseddin-Moschee trägt.
Das Gebetshaus im Öhringer Gewerbegebiet Sichert ist in jüngster Zeit verstärkt zum Ziel islamfeindlicher Attacken geworden. Vorläufiger Tiefpunkt: In der Nacht zum zweiten Advent spießten Unbekannte einen Schweinskopf auf dem Zaun vor der Moschee auf.
Angefangen hatte es im August vergangenen Jahres. Ein Unbekannter sprühte "Scheiß Islamisten sollen verrecken!" auf das Trafohäuschen vor der Moschee. "Die Stadt hat sich schnell bemüht, das zu überstreichen", berichtet der Vereinssprecher. Einige Wochen später habe es dann einen "Eieranschlag" auf die Moschee gegeben. Erneut reagierten die Muslime gelassen: "Es stand ohnehin ein Anstrich an."
Ende November diesen Jahres kreuzte ein weißer Golf vor dem Vereinsgelände auf. Vorstand und Imam verabschiedeten gerade Besucher. Aus dem Auto habe ein Unbekannter "Scheiß-Kanaken" gebrüllt, berichtet der Sprecher. Dann sei der Golf davongerast. Das Kennzeichen konnten die Muslime auf die Schnelle nicht erkennen.
Anzeige
Am Morgen des 4. Dezember dann entdeckte der Vater eines Koranschülers den aufgespießten Schweinskopf am Eingang zum Moschee-Gelände. Nun war es dem Vereinsvorstand zu viel: Er erstattete Anzeige gegen unbekannt. Große Hoffnung, dass der Täter gefasst wird, haben die Muslime nicht: "Die Polizei hat uns die Aussichtslosigkeit gleich klargemacht."
Der Hass auf Flüchtlinge und auf Muslime wird in und um Öhringen seit mehr als einem Jahr auf vielerlei Weise laut, vor allem in den Facebook-Tiraden und bei den zweiwöchentlichen Kundgebungen des rechten Bündnisses "Hohenlohe wacht auf". Am Nachmittag, bevor der Schweinskopf vor der Moschee aufgespießt wurde, traf sich das Bündnis übrigens zur Kundgebung auf dem Hafenmarkt. Und auch am Nachmittag vor der Nacht zum 9. Oktober, nach der an mehreren Stellen in Öhringen fremdenfeindliche Aufkleber und Plakate auftauchten, fand eine Kundgebung von "Hohenlohe wacht auf" statt.
Im Kulturverein wachsen die Sorgen: Wer schützt den Imam und seine junge Familie, die seit August in der Moschee leben? Für vier Jahre ist der Vorbeter vom türkischen Staat − die Moschee gehört dem Ditib-Verband an − nach Öhringen entsandt. Wer schützt die knapp 280 Vereinsmitglieder, wer die mehr als 1000 Gläubigen, die zum Freitagsgebet kommen (mehr als 1500 sind es an hohen Festtagen)? Vom Oberbürgermeister kommt moralische Unterstützung: "Wir verurteilen die Tat aufs Schärfste und hoffen, dass die Polizei die Täter findet", sagt Thilo Michler.
Polizei
Die Polizei jedoch hat bisher keine "konkreten Ermittlungsansätze", wie ihr Sprecher Rainer Ott mitteilt. Übrigens auch nicht im Fall der Brandstiftung von Pfedelbach, wo in der Nacht zum 17. November eine geplante Unterkunft für bis zu 50 Flüchtlinge in Flammen aufging. Konkrete Hinweise könnten neue Ermittlungsansätze liefern, so Ott. Im Fall Pfedelbach haben Staatsanwaltschaft und Gemeinde Belohnungen ausgesetzt.
Die Öhringer Moschee-Gemeinde konnte der Polizei immerhin die Aufzeichnungen ihrer Überwachungskamera überlassen. Eine konkrete Anfrage, die Moschee zu bewachen, gebe es nicht, so Ott. Aber gefährdete Örtlichkeiten beziehe die Polizei in ihre Streifenfahrten ohnehin ein.
"Was derzeit auf die türkischen Muslime einprasselt, ist schwer zu verdauen", sagt der Öhringer Vereinssprecher. Von Frotzeleien am Arbeitsplatz ("Na, du Bombenleger") bis zur Schweinskopf-Attacke reiche die Bandbreite. Das sei "schwierig für Leute, die seit 50 Jahren hier leben und Wurzeln geschlagen haben".
Der Kulturverein ist vielfältig aktiv, pflegt den Austausch mit der Stadt und den christlichen Gemeinden. Die Öhringer Muslime öffnen ihr Haus für Flüchtlinge, auch für christliche. In der Moschee bietet die Akademie Würth Integrations- und Sprachkurse an. Der Verein engagiert sich in Bündnissen gegen Flüchtlings- und Islamfeinde. Beim Freitagsgebet sind die unterschiedlichsten Islamtraditionen vertreten. "Der Imam dringt stets auf Mäßigung und Gemeinschaft", berichtet der Vereinssprecher.