Anklage nach Angriff auf Leipziger Gemkow-Wohnung – Motiv bleibt unklar

Erstveröffentlicht: 
29.11.2016

Ein Jahr nach dem Anschlag auf die Wohnung von Justizministers Sebastian Gemkow (CDU) in Leipzig wurde gegen zwei der mutmaßlichen Täter Anklage erhoben. Hinweise auf ein politisches Motiv gibt es bisher nicht.


Leipzig. Erst flogen sechs Pflastersteine durch die Fenster, danach Weihnachtskugeln, die mit Buttersäure gefüllt waren – der nächtliche Anschlag auf die Wohnung im Leipziger Süden hat die Familie Gemkow im November 2015 hart getroffen. Nur durch viel Glück wurde ein Kinderbett nicht getroffen. Ein Jahr nach dem Angriff auf den sächsischen Justizminister, dessen Ehefrau und die beiden Kinder sind zwei mutmaßliche Täter angeklagt worden.

Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz bestätigte am Dienstag einen entsprechenden Bericht der Sächsischen Zeitung. „Wir gehen davon aus, dass die Personen an der Tat beteiligt gewesen waren. Es waren nach unseren Erkenntnissen aber nicht nur die beiden, sondern mehrere Täter“, so der Oberstaatsanwalt gegenüber der Leipziger Volkszeitung. Weitere Angreifer konnten bisher allerdings noch nicht ermittelt werden. Auf die Spur eines 29-jährigen Kirgisen und eines gleichaltrigen Deutschen, die nicht aus Leipzig stammen sollen, waren die Ermittler durch DNA-Abgleiche gekommen. Das heißt: Genetische Fingerabdrücke müssen sowohl an Geschossen, die in die Wohnung geworfen wurden, als auch in der Polizei-Datei gewesen sein. Beide Beschuldigte bestreiten die Tat und schweigen zu den Vorwürfen.

Gemkow: Bisher keine Hinweise auf ein politisches Motiv

Sebastian Gemkow, der sich bewusst als Justizminister aus dem Verfahren herausgehalten hatte, sagte am Dienstag: "Für mich wird deutlich, dass die Strafverfolgungsbehörden funktionieren. Nun muss ein unabhängiges Gericht entscheiden." Er sei bereit, als Zeuge auszusagen, wenn er geladen wird, sagte der Minister auf LVZ-Nachfrage. Eine Nebenklage schloss er hingegen aus. Nach seinem Kenntnisstand lege nichts den Schluss nahe, dass es sich um einen politisch motivierten Anschlag handelt, fügte Gemkow hinzu. Das Landesamt für Verfassungsschutz hatte zunächst von Linksextremismus gesprochen.

Bei dem Sachschaden geht es um rund 10.000 Euro. Der psychologische Schaden wiegt allerdings weitaus schwerer. Die Familie wird nicht in die Zwei-Raum-Wohnung zurückkehren, sondern wohnt jetzt inkognito. "Es hat natürlich einige Zeit gebraucht, um das Geschehene zu verarbeiten. Ich glaube aber nicht, dass bei uns etwas Längerfristiges hängen bleiben wird“, hatte Gemkow unlängst gegenüber der LVZ gesagt. Eines sei jedoch der Fall: Man nehme sein Umfeld bewusster wahr, schaue genauer hin, gestand der 38-jährige Familienvater. Dennoch verzichten die Gemkows mit ihren zwei kleinen Kindern weitgehend auf Sicherheitsmaßnahmen, nehmen nur das Notwendigste in Anspruch. „Wir wollen, dass sich für uns nicht allzu viel ändert – und so leben wir auch. Ich möchte auch einkaufen oder in die Stadt gehen können, ohne mir ständig Gedanken machen zu müssen."

 

Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren möglich

Die Verhandlung gegen die mutmaßlichen Täter wird in Leipzig vor einem Schöffengericht stattfinden, so Amtsgerichtssprecher Stefan Blaschke. Das bedeutet: Die Täter erwartet bei einem Schuldspruch eine Freiheitsstrafe von zwei bis vier Jahren. Wann das Verfahren eröffnet wird, ist offen. Vor Beginn der Verhandlungen müssen die Klageschriften den Beschuldigten zugestellt und deren Verteidigern Akteneinsicht gewährt werden. Ein Termin noch in diesem Jahr ist deshalb unwahrscheinlich.