Neue Fragen für den NSU-Ausschuss

Erstveröffentlicht: 
27.11.2016

Die Deutsche Partei bestreitet die Mitgliedschaft eines Ex-V-Mannes. Derweil wachsen die Zweifel an den Geheimdienstberichten.

 

Die Deutsche Partei (DP) hat vor dem hessischen NSU-Untersuchungsausschuss bestritten, dass der frühere V-Mann Benjamin Gärtner und weitere Neonazis Mitglieder gewesen seien. Ein Schreiben des hessischen DP-Vorsitzenden Helmut Kirchner ist nach FR-Informationen in der nichtöffentlichen Sitzung am vorigen Montag verlesen worden. Der Ausschuss beschäftigt sich mit der Frage, um zu überprüfen, wie glaubwürdig die Geheimdienstberichte des ehemaligen Mitarbeiters des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Andreas Temme und Aussagen vor dem Gremium waren. Hier dürften sich nun neue Fragen ergeben.

 

Der frühere Spitzel Gärtner und sein V-Mann-Führer Temme stehen bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes in Hessen schon lange im Fokus: Temme war kurz vor oder während des Mordes an Halit Yozgat am 6. April 2006 in Kassel am Tatort, geriet zeitweise unter Tatverdacht und beteuert, damals nichts mitbekommen zu haben. Heute wird die Tat dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) zugeschrieben. Gärtner war Temmes V-Mann in der lokalen rechten Szene, mit dem er am Tattag telefonierte.

 

Nach Aussagen von Verfassungsschutzmitarbeitern war Gärtner auf die Deutsche Partei angesetzt. Das hatten Experten aber bezweifelt – etwa Fachjournalistin Andrea Röpke. Gärtner habe weitaus interessantere Kontakte ins militante rechte Milieu gehabt, sagte sie als Sachverständige im Ausschuss. Die Kleinstpartei habe in Hessen keine Rolle gespielt. Das LfV schätzte die DP-Mitglieder damals bundesweit auf 500. 

 

Gärtner in der Kartei?


Überraschenderweise hatte auch Gärtner selbst als Zeuge im Ausschuss im Februar abgestritten, DP-Mitglied gewesen zu sein. Das bestätigte DP-Funktionär Kirchner der Frankfurter Rundschau im April auf Nachfrage. Doch aus der Partei kamen widersprüchliche Aussagen: DP-Bundesgeschäftsführer Hans-Erich Freiherr von Bodenhausen sagte dem Sender HR-Info wenig später, er habe Gärtner in der Kartei gefunden. Auf Anfrage der FR bekräftigte er dies damals. Er erinnere sich an den Mann, der sich um Einfluss bemüht habe. Später sei seine Mitgliedschaft aber wohl mangels Zahlungen „eingeschlafen“, vielleicht sei der Antrag auch nie vom Vorstand unterschrieben worden, äußerte von Bodenhausen. Am Donnerstag wollte er nicht erneut Stellung nehmen. Auch DP-Bundesvorsitzender Gerd-Uwe Dahlmann wollte sich nicht äußern; er sei vom Untersuchungsausschuss auch nicht kontaktiert worden.

 

Kirchner ist sich hingegen sicher, dass Gärtner nicht in den Listen der Partei auftaucht. Vielleicht habe er sich einmal beworben, sagte er auf Anfrage. Auch andere Neonazis aus Kassel, nach denen der Ausschuss gefragt habe, stünden nicht in seiner Datei, die vollständig sei. Das habe er dem Gremium geschrieben.

 

Interne Berichte des Verfassungsschutzes zeichnen nach FR-Informationen ein anderes Bild: Gärtner sei auf die Partei angesetzt gewesen und 2004 Mitglied geworden. Er lieferte demnach Briefe und Flugblätter beim Geheimdienst ab. Der V-Mann hat den Akten zufolge über den damals führenden Kasseler Neonazi Michel Friedrich mitgeteilt, dass dieser ebenfalls DP-Mitglied sei. Friedrich hat das als Zeuge im Ausschuss bestritten. Verfasser jener Berichte war Temme. Gärtner wurde den Unterlagen zufolge 2006, als Temme nicht mehr für das LfV aktiv war, von der DP abgezogen, weil der Versuch, sich zu etablieren, gescheitert sei.

 

In den Jahresberichten des LfV ist die DP in den Jahren 2003 bis 2005 Thema – es geht um interne Streitigkeiten, um den Umgang mit NPD und „Republikanern“ und darum, dass sie sich „Angehörigen des rechtsextremen Spektrums“ öffne. Auf mehrere Anfragen der FR, wie lange die DP mit welchen Mitteln beobachtet worden sei, wollte das LfV erst in den kommenden Tagen antworten.