Internationaler „Blood and Honour“-Treff im Nazi-Clubhaus

„Voice of Anger“-Mitglieder am Clubhaus am 12.11.2016
Erstveröffentlicht: 
14.11.2016

Der kanadische Neonazi David Allan Surette alias „Griffin“ besuchte das neue Clubhaus der Neonazigruppe „Voice of Anger“ bei Memmingen. Bis zu 50 Personen nahmen an dem Treffen vergangenen Samstag teil. 

 

Von Sebastian Lipp 

 

Nach der Veranstaltung am 12.11. meldet die örtliche Polizei lapidar, es hätten sich „40 – 50 Personen von ‚Voice of Anger‘ und deren Umfeld (rechtsgerichtete Szene) in Memmingen – Ortsteil Hart“ in ihrem neuen Clubhaus getroffen. Dabei wird die tatsächliche Dimension des Treffens völlig verkannt. Die Polizei zeigte massiv Präsenz und versperrte sämtliche Zugänge, um die Teilnehmer vor Einlass einer genauen Kontrolle zu unterziehen. Der Einsatz wurde vom Unterstützungskommando (USK) abgesichert. Das USK zählt zu den Spezialkräften mit besonderen Aufgaben der Bayerischen Polizei und wurde zur Bekämpfung von Schweren Ausschreitungen und zur Absicherung von Einsätzen mit besonders hohem Gefährdungspotential aufgestellt.

 

„Balladenabend“ mit „Vandale“

 

Unter den Neonazis befand sich David Allan Surette alias „Griffin“, der mit seinem Dudelsack zum „Balladenabend“ anreiste. Surette gründete 1992 in Kanada die Band „Aryan“ (englisch für Arier oder arisch), mit der er einen religiösen Rassismus besang, wie er auch vom „Ku-Klux-Klan“ oder „Aryan Nations“ gepredigt wird. Das erste Album erschien bei „Resistance Records“, dem Label des Frontmannes der Band „Rahowa“. Der Name steht für „Racial Holy War“, also „Heiliger Rassenkrieg“. Nach vielen Konzerten in den USA und Kanada soll er 1996 einer Einladung aus „Blood and Honour“-Kreisen nach Berlin gefolgt und einschlägige Kontakte ins Milieu geknüpft haben. Noch immer tritt „Griffin“ mit seiner inzwischen in „Stonehammer“ umbenannten Band oder Solo mit Dudelsack auf.

 

„Ariogermanische Kampfgemeinschaft“

 

Ein Emblem auf seiner „Kutte“ verweist auf die rechtsextremen Berliner „Vandalen“. Surette gilt als „Ehrenmitglied“. Die „Neonazi-Combo mit Rocker-Habitus“ wurde 1982 in Berlin von Michael Regener und Jens K. gegründet. Regener galt lange als Chef der Truppe, die mit dem Namenszusatz „ariogermanische Kampfgemeinschaft“ sowohl ihre Ideologie als auch ihre Gewaltbereitschaft offenbaren. Surette und Regener hatten schon Ende der 90er Jahre guten Kontakt, als Surette die „Landser“-Musiker bei ihren Aufnahmen in einem Studio in den USA besucht hatte. Der kanadische Neonazi war an der konspirativen Herstellung der frühen „Landser“-CD „Republik der Strolche“ beteiligt. 2003 wurde die Rechtsrock-Band zur kriminellen Vereinigung erklärt. Heute tritt Regener unter dem Pseudonym „Lunikoff“ und mit der Band „Die Lunikoff Verschwörung“ auf.

 

Im September sollte „Griffin“ auf dem „Ian Stuart Donaldson Memorial“ Konzert in Großbritannien auftreten. Allerdings soll ihm die Einreise verweigert worden sein. Der Namensgeber des jährlich stattfindenden „Memorial“ gründete 1987 das „Blood and Honour“-Netzwerk (B&H). In Deutschland bildete sich unter dem Label ein Netzwerk, das ein Millionengeschäft mit der Verbreitung von neonazistischer Musik organisierte, aber laut „NSU Watch“ auch „über Zeitschriften, Booklets und Liedtexte Terrorkonzepte verbreitete und diese mit den Aufrufen koppelte, zur Tat zu schreiten. Denen, die den Kampf gegen System und Volksfeinde als ›Untergrundgruppen‹ aufnehmen wollten, lieferte B&H Anleitungen und bot ihnen Anlaufstellen.“ Auf einem Divisionstreffen am 24. September 1999 in Berlin wurde ein 25-Punkte-Programm zur Bildung einer „politischen Kampfgemeinschaft“ beschlossen, das an das 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 angelehnt gewesen sei. Maßgebliche Unterstützung erhielt der NSU aus diesem 2010 in Deutschland verbotenen Netzwerk.

 

„Faustrecht“

 

Auch „Faustrecht“, eine Unterallgäuer Rechtstrock-Band, war unter den Besuchern des „Balladenabend“ vertreten. Die Band tritt regelmäßig international auf „Blood and Honour“-Konzerten auf. Der Mindelheimer Sänger „Nogge“ soll „seit vielen Jahren regen Kontakt“ mit dem kürzlich verstorbenen Hammerskin und V-Mann Roland Sokol betrieben haben. Dieser sprach selbst von Faustrecht als „meine Freunde“.

 

Ein Teil der Besucher in der ehemaligen „Gartenschänke“ wollte eigentlich an diesem Abend ein Rechtsrock-Konzert in Nordhessen besuchen. Statt Bands wie „Endstufe“ und „Kraft durch Froide“ (KdF) zu sehen, musste man aber mit „Griffin“ auf dem heimischen „Balladenabend“ vorlieb nehmen. Das als Geburtstagsfeier mit Coverbands getarnte Event in der Stadthalle in Diemelstadt-Rhoden (Landkreis Waldeck-Frankenberg) wurde von der Polizei verhindert, die hunderte Neonazis nach Hause schickte.

 

„Voice of Anger“

 

Ähnlich wie die „Vandalen“ bedient sich „Voice of Anger“ (VoA) einem Rocker-Habitus, ohne ein echter Motorradclub zu sein. Tatsächlich handelt es sich um die wohl größte noch aktive Nazi-Skinheadkameradschaft Bayerns, die seit Jahren um ein eigenes Clubhaus kämpft und gerade dabei ist, mit ihrem neuen Clubhaus, der ehemaligen „Gartenschänke“ in Hart bei Memmingen, Fakten zu schaffen. Allerdings stellen sich Stadt und Antifa gegen den Kauf. Es ist noch nicht endgültig entschieden, ob der Eigentümerwechsel schließlich trägt. Falls der Kauf gelingt, kann die Allgäuer Neonazi-Szene, zusätzlich zum Geschäft mit Produktion und Vertrieb von Neonazi-Musik, in der Region auch wieder Neonazi-Konzerte organisieren – und einen Treffpunkt für das internationale „Blood and Honour“-Netzwerk etablieren.