Die AfD Nürnberg fordert von der Stadt die Adresse von Asylheimen. Die lehnt das ab, um Flüchtlinge nicht in Gefahr zu bringen. Nun will die Partei selbst die Informationen sammeln.
von Matthias Meisner
Die Masche ist bekannt von der Neonazi-Kleinpartei "Der III. Weg". Im Sommer vergangenen Jahres hatte sie einen Leitfaden "Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft" veröffentlicht. Und rief dazu auf, Adressen von Unterkünften zu melden. Die wurden dann von den Rechtsextremisten in einer Karte auf Google Maps gelistet. Ziel der unter maßgeblicher Beteiligung ehemaliger NPD-Funktionäre gegründeten Partei: die Errichtung von Unterkünften für Asylbewerber zu be- oder am besten gleich ganz zu verhindern.
Die AfD in Nürnberg gibt eine andere Begründung an, wenn sie nun dazu aufruft, ebenfalls Adressen von Flüchtlingsunterkünften in der Stadt zu melden, um anschließend eine Übersicht nach Stadtteilen öffentlich zu machen. Bürger hätten, so die AfD, von einer ungleichen und ungerechten Verteilung von Asylunterkünften im Stadtgebiet berichtet. "Anscheinend gibt es in mehreren Stadtteilen keine Unterkünfte, in anderen teils eine Vielzahl im Abstand von wenigen hundert Metern."
Stadt fürchtet rechtsextreme Straftaten gegen Asylbewerber
Der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) hat es zuvor abgelehnt, der AfD die Adressen der Flüchtlingsunterkünfte zukommen zu lassen - "aus sicherheitsrechtlichen Gründen", wie er am 20. Oktober an den Nürnberger AfD-Kreisvorsitzenden Martin Sichert schrieb. "Jede Maßnahme, die die freie Zugänglichkeit der Adressen fördert, kann die Gefahr von rechtsextremen Straftaten gegen die Einrichtungen erhöhen. Diese Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gehen auch den Interessen der Allgemeinheit an möglichst umfassender Information vor."
Die AfD beklagte sich auf Facebook: "Das öffentliche Interesse steht hinter der angeblichen Angst vor Anschlägen auf diese Unterkünfte. OB Maly zieht also die Nazikeule und verweigert mit der fadenscheinigen Begründung ,Angst vor Nazis' seine Auskunftspflicht. (...) Wenn der OberBÜRGERmeister seine Bürger nicht informieren will, werden wir das für ihn übernehmen."
Grenzt sich die AfD überzeugend gegen Neonazis ab?
In Kommentaren zu dem Facebook-Posting nannten Anhänger ihnen bekannte Adressen von Unterkünften. Andere sehen sich durch das Posting ermuntert, den Stadtchef zu attackieren: "Der Maly ist echt nicht mehr tragbar. Anscheinend vernebelt die Position den Realitätssinn. Die eigene Bevölkerung und die eigenen Wähler im Unklaren lassen, nur um illegale Wirtschaftsmigranten zu schützen. Abwählen!" In einem anderen Eintrag heißt es: "Anscheinend lieben alle die Islamisierung und die Ausnutzung Deutschlands durch Millionen von Afrikanern und Moslems."
Die "Main Post" hatte im Mai über die AfD in Franken berichtet, Rechtsextreme suchten die Nähe der Partei, auch vom Verfassungsschutz beobachtete Pegida-Ableger würden auf ihren Demonstrationen auf. "Offiziell wehrt sich die Partei – doch mit einer überzeugenden Abgrenzung tut sich die AfD schwer."
Von mehreren Initiativen in Nürnberg wurde die Absicht der AfD, auf eigene Faust die Adressen von Flüchtlingsunterkünften zu sammeln, scharf kritisiert. Das Nürnberger Bündnis Nazistopp fragte, ob die AfD Nürnberg dem rechtsextremistischen "III. Weg" Konkurrenz machen wolle: "Was wird mit den Adressen geschehen? Wird es nach der Veröffentlichung vermehrt Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und/oder Flüchtlinge in Nürnberg geben?"
Auch die gegen den Nürnberger Pegida-Ableger gerichtete Initiative "No Nügida" nahm auf die Aktivitäten der rechtsextremen Partei "Der III. Weg" Bezug. Sie schrieb, der Nürnberger AfD-Kreisverband sei als "extrem rechts" bekannt. Eine Übersicht über Flüchtlingsunterkünfte, wie sie offenbar nun auch die AfD für Nürnberg veröffentlichen wolle, habe auch der "III. Weg" bundesweit erstellt. "Seitdem sind die Anschläge auf Flüchtlingsheime und Flüchtlinge in die Höhe geschnellt. Solche Karten dienen dazu, Anschlagsziele bekannt zu machen. Sie dienen dazu, die Jagd auf Flüchtlinge gezielt zu eröffnen."
Im September 2016 lebten nach Angaben der Stadtverwaltung rund 8400 geflüchtete Menschen im Nürnberger Stadtgebiet. Die größte Gruppe stellten dabei Flüchtlinge aus Syrien, gefolgt von Asylsuchenden aus dem Irak, dem Iran, Äthiopien und der Ukraine.