Experten warnen bei der Anhörung des Landtags davor, dass der Linksextremismus zunehmen könnte. Denn linke und rechte Gewalt schaukele sich hoch. Dass Frankfurt häufiger zum Schauplatz von Ausschreitungen werden könnte, hat noch einen anderen Grund.
Die Blockupy-Proteste anlässlich der Eröffnung der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am 18. März 2015 haben nicht nur bei den Frankfurtern bleibende Eindrücke hinterlassen. Die Gewaltexzesse vor und neben den friedlichen Massen-Kundgebungen, verübt von extremistischen Gruppen autonomer Linker, prägen auch das Bild bei Sicherheitsbehörden, vielen Politikern und der Öffentlichkeit von linker Gewalt.
Tatsächlich hat die Zahl von politisch motivierten Straftaten aus dem linken Spektrum deutlich zugenommen. Das berichteten die Vertreter von Landes- und Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und Polizei am Mittwoch in Wiesbaden. Der Innenausschuss des Landtags hatte zur Anhörung über Linksextremismus eingeladen.
„Seit 2011 ist Frankfurt einer der Schwerpunkte linker Gewalt“, erklärte LKA-Präsidentin Sabine Thurau. Beim bisherigen Höhepunkt, der EZB-Eröffnung, seien 150 Polizisten verletzt und 60 Dienstfahrzeuge beschädigt worden, der Sachschaden habe sich in Millionenhöhe bewegt. Auch Menschenleben seien dabei gefährdet gewesen, sagte Robert Schäfer, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz.
Terroristische Strukturen seien im linken extremistischen Spektrum in Hessen zwar nicht auszumachen, so Thurau. „Mir bereitet allerdings Sorge, dass die Gewalt weiter eskalieren könnte.“ Der Ausbau Frankfurts als Finanzplatz in Folge des Brexits könnte weiteren Anlass zu Gewalttaten bieten, sagte Reinhold Petri von der Deutschen Polizeigewerkschaft Hessen.
Petri erinnerte daran, dass der Extremismus auch im Alltag angekommen sei. Immer häufiger würden Polizisten, Feuerwehrleute oder Rettungssanitäter am Rande von Demonstrationen, aber auch bei Alltagseinsätzen angegriffen. Dieses Verhalten werde vom Staat unzureichend verfolgt. „Der Frust darüber bei den Polizisten ist groß“, so Petri.
Junge Menschen vor der Radikalisierung erreichen
Zudem sei zu beobachten, dass sich die Gewalt, die von linken und rechten Gruppierungen ausgehe, gegenseitig hochschaukele, berichtete der Politikwissenschaftler Matthias Mletzko. Die Zahl der Gewaltdelikte linker Täter liege höher als jene, die von rechten Tätern begangen werden. Ein Großteil der von Linken verübten Delikte ereigne sich im Umfeld von Demonstrationen, bei Auseinandersetzung um besetzte Gebäude oder Szenetreffs. Zumeist gehe es dabei um Sachbeschädigungen und Körperverletzungen. Gezielte Anschläge und Angriffe auf Menschen, wie die Brandstiftungen an Flüchtlingsheimen, würden dagegen von rechtsextremen Tätern verübt.
Reiner Becker von Beratungsnetzwerk Hessen sprach sich dafür aus, die Demokratieerziehung und Menschenrechtsbildung zu verstärken. Es gehe darum, junge Menschen zu erreichen, bevor sie sich in die eine oder andere Richtung radikalisierten. Das gelte auch für den zunehmenden Salafismus und islamistischen Extremismus. Aktuell gebe es kaum Projekte, die sich gezielt an extremistische linke Jugendliche richteten, wohl aber an rechte. „Das zeigt vielleicht auch, wo gerade der Schuh besonders drückt“, schlussfolgerte Becker.