Wie Georg Unland Clara Zetkin besiegen will

Erstveröffentlicht: 
29.10.2016

Pirna bekommt ein neues Finanzamt, nur die Adresse gefällt dem Finanzminister nicht. Jetzt hat er eine Idee.

Von Thomas Möckel und Christian Eissner

 

Pirna. Eines muss man Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) neidlos zugestehen: Er hat das seltene Talent, beinahe eine ganze Stadt gegen sich aufzubringen. Im richtfestbedingten Leichtrausch schwadronierte Sachsens oberster Kassenwart 2015 darüber, dass ihm der Straßenname am neuen Pirnaer Finanzamt nicht so recht in den Kram passe. Clara Zetkin klinge nicht motivierend, Steuern zu zahlen.

 

Schnell zeigte sich, dass es der Chef-Steuereintreiber tatsächlich ernst damit gemeint hatte, die Clara-Zetkin-Straße aus Pirna tilgen zu lassen. Diesen Schritt hätte das Pirnaer Rathaus schon versprochen, als der Freistaat zusagte, auf dem Areal des Liebenauschen Vorwerks das neue Kreis-Finanzamt zu errichten. Unland drängte darauf, bis zum Bauende die neue Adresse einzurichten. Ministerialer Wunsch war es, die Trasse in „Waisenhausstraße“ umzubenennen, weil eines der Finanzamt-Häuser früher einmal als solches gedient hatte.

 

Offenbar hatte Unland die antifaschistische Widerstandskämpferin persönlich auf dem Kieker. Ihr Name, so die Vermutung, passe nicht zu einer Behörde einer konservativen Landesregierung. Angesichts des ministerialen Ansinnens brach ein Sturm der Entrüstung aus. Aber auch Spott und Häme ergossen sich über Unland. Er solle doch das Amt lieber als „Taschengreif-Palais“ betiteln, so ein Vorschlag.

 

Völliges Unbehagen löste aber der Umstand aus, dass sich der Minister in ureigene Angelegenheiten der Stadt einmischte. Der Ältestenrat des Stadtrates diskutierte kurz darüber, dann winkten die Mitglieder ab. Eine Straßenumbenennung stehe nicht zur Debatte. Damit hatte sich die Sache erledigt. Glaubte man bisher jedenfalls.

 

Mit einem Trick versucht Sachsens Oberfinanzaufseher nun erneut, doch noch an eine neue Adresse für das Pirnaer Finanzamt zu kommen. Über den Staatsbetrieb „Staatliches Immobilien- und Baumanagement“ (SIB), der das Finanzamt für den Freistaat baut, ließ das Ministerium einen Antrag ins Pirnaer Rathaus lancieren. Darin wird die Namensgebung für einen Vorplatz des Neubaus als „Waisenhausplatz“ beantragt. Unter dieser Adresse wolle das Amt künftig arbeiten. Wegen der noch 2016 bevorstehenden Eröffnung bitte man um eine kurzfristige Entscheidung.

 

Ob das funktioniert, war zunächst höchst fragwürdig. Denn bei dem neuen Platz handelt es sich lediglich um eine kleine Grünfläche mit Sandstein-Einfassung, die zur Clara-Zetkin-Straße zeigt. Solchen Flächen Straßennamen zu verpassen, ist unüblich – denn dann könnte jeder Vorgartenbesitzer seine Scholle nach Gutdünken benamsen und ins öffentliche Straßenregister eintragen lassen. Nach Auskunft von Pirnas Stadtsprecher Thomas Gockel gibt es aber eine Ausnahme: Handelt es sich um einen Platz, der öffentlich zugänglich ist, kann man ihm auch offiziell einen Namen geben. Außerdem müsse man dann nicht erneut über eine Umbenennung der Clara-Zetkin-Straße diskutieren.

 

 

Aber das wollte man in Pirna ohnehin nicht. Nun haben die Stadträte das Thema unfreiwillig doch wieder auf dem Tisch. Am 8. November sollen sie darüber abstimmen, die handballfeld-große Fläche vor dem Finanzamt öffentlich als „Waisenhausplatz“ zu widmen. Die Stadtverwaltung spricht sich für eine Namensgebung aus. Damit halte man das Andenken der sozial engagierten Betreiber vergangener Zeit in Ehren, heißt es.