CDU verbietet CDU-Gründung

Erstveröffentlicht: 
21.10.2016

Den Franken wird Willensstärke und Kampfbereitschaft nachgesagt. Auf einen Nürnberger Anwalt trifft das ganz besonders zu. Er will mit seiner Klage zur Bundestagswahl 2017 das jahrzehntealte Machtgefüge in der Union ins Wanken bringen.

 

Nürnberg. Der Nürnberger Rechtsanwalt Rainer Roth ist es satt: Sollte bei der Bundestagswahl 2017 in Bayern neben der CSU nicht auch die CDU wählbar sein, will er klagen. „Die Abgabe der Zweitstimme an die CDU muss bundesweit möglich sein. Das ist der Grundsatz freier Wahlen für etablierte Parteien“, sagt Roth. Er führe keinen Rachefeldzug gegen die in Bayern allgegenwärtige CSU, sondern sehe schlicht und einfach seine Grundrechte beschädigt.

 

Roth hat auch ein praktisches Ziel: Er will die in der CSU nicht besonders beliebte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützen. Dies sei wegen der Meinungsunterschiede in der Flüchtlingspolitik durch ein Kreuz bei der CSU nicht möglich. Und er sei mit der Meinung nicht alleine im Freistaat: „Ich erhalte sehr viele zustimmende Kommentare.“

 

Dass er im Falle eines Sieges vor Gericht die kriselnde Union weiter in Zugzwang bringen könnte, dessen ist er sich bewusst. Das Machtgefüge mit klar getrennten Wahlorten der beiden Parteien würde ausgehebelt, die CSU könnte im Gegenzug auch bundesweit antreten.

 

„Dadurch, dass die CDU nicht wählbar ist, wird mir und sämtlichen Wählern in Bayern eine Möglichkeit genommen, die das Grundgesetz ausdrücklich vorsieht“, betont Roth. Ein Parteibuch habe er nicht mehr. Früher sei er SPD-Mitglied gewesen, das sei lange her. „Danach habe ich die SPD manchmal beinahe nur aus Mitleid gewählt.“ Seine Kreuze habe er aber auch schon bei der FDP und aus Not auch bei der CSU gemacht. Damit soll nun Schluss sein. So der Plan.

 

In den Parteizentralen von CDU und CSU ist Roths Plan längst bekannt. Echte Sorgen macht man sich dort nicht. Dies war in einem weiteren Fall anders, wie die „Süddeutsche Zeitung“ (Freitag) berichtet. Per einstweiliger Verfügung durch das Landgericht Bonn ließ die Bundes-CDU dem ehemaligen CSU-Mitglied Michael Kosmala aus Amberg (Oberpfalz) verbieten, im Internet zur Gründung eines CDU-Landesverbands in Bayern aufzurufen. „Notfalls gehe ich bis vor das Bundesverfassungsgericht“, erwiderte Kosmala.

 

Das behält sich auch Roth vor. Zunächst schrieb er im September den Bundeswahlleiter in Wiesbaden an. Auf acht Seiten begründet Roth, warum die CDU bei Bundestagswahlen auch in Bayern wählbar sein müsse. Die Rede ist von den Grundgesetzartikeln 20 und 38, von einem „Klassenwahlrecht“ nach Wohnsitz.

 

Die Antwort kam nur acht Tage später, auf fünf Seiten: „Ihrem Antrag kann nicht entsprochen werden. Weder ist eine Rechtsgrundlage vorhanden, auf die Sie ihren Anspruch stützen könnten, noch ist der Bundeswahlleiter für Wahlprüfungsbeschwerden zuständig.“

 

So sieht es auch der Münsteraner Politikwissenschaftler Wichard Woyke: „Parteien sind eigenverantwortliche Wahlvereine, sie gründen sich selbst und bestimmen auch das Gebiet, in dem sie antreten.“ Eine juristische Handhabe könne er nicht erkennen. „Die CSU steht in Bayern bei der Zweitstimmenabgabe stellvertretend für CDU, ist Teil der Unionsgemeinschaft.“ Wer in Bayern den innigsten Herzenswunsch habe, die CDU wählen zu wollen, dem bleibe nur der Umzug. „So wie es umgekehrt schon Menschen gemacht haben, die die CSU wählen wollten“, sagt Woyke.

 

Roth sieht das anders und hat am Freitag am Verwaltungsgericht Wiesbaden beantragt, die Entscheidung des Bundeswahlleiters aufzuheben. Sollte er das Gericht überzeugen, könnte es den Antrag direkt beim Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen.

 

Sollte dies nicht geschehen und sich die Wahlmöglichkeit nicht von alleine verändern, werde er die Verfassungsbeschwerde selbst in Karlsruhe einreichen. „Denn dann ist mein Recht auf eine freie Wahl verletzt“, sagt er. „Die dritte Möglichkeit wäre es, die Wahl nachträglich anzufechten.“ Dann müsste im Falle von Roths Sieg die Bundestagswahl wiederholt werden. „Das ist aber nicht mein Ziel.“

 

Dem streitbaren Juristen ist klar, dass die CDU nicht zum Antritt in Bayern gezwungen werden kann, „entscheidend ist aber, dass die CDU als bundesweit etablierte Partei wählbar sein muss. Das ist im Grundgesetz klar geregelt.“