Gleichgeschlechtliche Paare können sich ab kommendem Jahr in evangelischen Gottesdiensten in Sachsen segnen lassen. Diesen Grundsatzbeschluss fasste die Leitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche (EVLKS). Bisher war eine solche Segnung nur in der persönlichen Seelsorge möglich. Voraussetzung ist, dass die Paare bereits eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind und mindestens ein Partner Mitglied der evangelischen Kirche ist.
Pfarrer dürfen Segnung verweigern
Allerdings haben homosexuelle Paare keinen Anspruch auf eine Segnung im Gottesdienst. Dem Beschluss zufolge müssen sich Pfarrer und Pfarrerinnen zuvor mit dem Kirchenvorstand beraten und können den Wunsch ablehnen. Begründen müssten sie dies nicht, sagte EVLKS-Pressesprecher Matthias Oelke MDR SACHSEN. Er betonte, die Geistlichen seien in ihrer Entscheidung frei und auch nicht an eine Empfehlung des Kirchenvorstands gebunden.
Kein Konsens für eine Trauung
Die sächsische Landeskirche gab mit dem Beschluss eine Handreichung für einen solchen Segnungsgottesdienst heraus. Darin wird ausdrücklich betont, dass es sich nicht um eine Trauung handelt, sondern um eine Willensbekundung, "eine Partnerschaft in Verlässlichkeit, verbindlicher Treue und Verantwortung füreinander zu begründen". Die Segnungen werden deshalb auch in einem gesonderten Register eingetragen. Die Autoren der Handreichung begründen dies ebenso wie die Möglichkeit zum Verweigern des Segens damit, dass aufgrund der stark unterschiedlichen Auffassung zu dem Thema innerhalb der Landeskirche derzeit kein weiter reichender Konsens möglich sei.
Glättet der Beschluss die Wellen?
Pressesprecher Oelke gab auch zu, der jetzt von der Kirchenleitung gefasste Beschluss sei ein Angebot für einen Burgfrieden. Ob er entsprechend wirke, bleibe abzuwarten. Oberlandeskirchenrat Peter Meis sagte MDR SACHSEN, Landesbischof Carstzen Rentzing stehe voll hinter der Entscheidung. Es handle sich deshalb um einen Beschluss, der eher befriede als Konflikte schüre, zumal auf keine der verschiedenen Strömungen in der Landeskirche Zwang ausgeübt werde.
Für die Landeskirche hat es die Bedeutung, dass viele Betroffene und viele liberal denkende ChristInnen sich vielleicht verbundener fühlen mit dieser Kirche – wieder verbundener.
Peter Meis, Oberlandeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen
Starke konservative Kräfte in sächsischer Kirche
Innerhalb der evangelischen Kirche im Freistaat gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen zum Umgang mit Schwulen und Lesben. Dies zeigte sich zuletzt im immer noch andauernden Streit über gleichgeschlechtliche Paare im Pfarrhaus. Während 2010 die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland es homosexuellen Geistlichen grundsätzlich erlaubte, mit ihrem Partner im Pfarrhaus zu leben, schränkte die sächsische Landeskirche dies in ihrem Beschluss 2012 ein: Der Kirchenvorstand der jeweiligen Gemeinde muss ausdrücklich seine Zustimmung erklären. Doch auch dies reichte konservativen Protestanten nicht aus. Sie gründeten die Sächsische Bekenntnis-Initiative und forderten ein generelles Verbot. Damit hatten sie zwar keinen Erfolg. Dennoch bewohnt aktuell nur in Chemnitz ein gleichgeschlechtliches Paar ein Pfarrhaus, wie Kirchensprecher Oelke MDR SACHSEN sagte.
Trotz allem ein großer Schritt
Angesichts solcher Widerstände begrüßte das Leipziger Forum für Gemeinschaft und Theologie den Kirchenleitungsbeschluss zur Segnung von Paaren in eingetragenen Lebenspartnerschaften als großen Schritt in die richtige Richtung. Groß auch deshalb, weil die homosexuellen Paare laut der Handreichung ein Treueversprechen abgeben können. Dieser liturgische Baustein sei in vergleichbaren Segenshandlungen bisher nicht vorgesehen, erklärte Pfarrer und Forumssprecher Christoph Maier. Er verwies zum Vergleich auf Gottesdienste zur Eheschließung für heterosexuelle Paare, bei denen ein Partner nicht der Kirche angehört.
Langes Ringen, um es allen recht zu machen
Auch Kirchensprecher Oelke sieht in dem Beschluss einen Fortschritt. Damit sei eine Segenshandlung offiziell, die im Verborgenen schon mehrfach in evangelischen Kirchen in Sachsen vollzogen worden sei - meist mit dem Einverständnis der jeweiligen Gemeinde. Der "Legalisierung" war Oelke eine gut dreijährige Diskussion vorausgegangen. Die Ausarbeitung der zwölfseitigen Handreichung beschäftigte eine sechsköpfige Arbeitsgruppe ein Jahr.
Homo-Trauung - im Osten Sachsens möglich
Die benachbarte Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EBKO) fährt eine wesentlich liberalere Linie. Hier können sich Homosexuelle zusätzlich zur eingetragenen Lebenspartnerschaft trauen lassen – mit Trauversprechen, Ringtausch und Eintrag ins Kirchenbuch. Wollen homosexuelle Protestanten sich also in Sachsen nicht nur segnen, sondern trauen lassen, können sie dies in den Kirchgemeinden des Sprengels Görlitz der EBKO tun, zum Beispiel in Görlitz, Hoyerswerda, Weißwasser oder Niesky. Neben der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz erlauben zwei weitere der bundesweit 20 Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland Schwulen und Lesben eine herkömmliche Trauung.