Merbitz: „Es fehlt an klaren Ansagen“

Erstveröffentlicht: 
13.10.2016
Polizeipräsident diskutiert im Pöge-Haus mit Politikern
VON MATTHIAS KLöPPEL

 

Es ist ein besorgniserregendes Fazit, das Jürgen Kasek, Chef der Grünen in Sachsen, zur aktuellen Sicherheitslage in seinem Bundesland fällt. „Es entsteht der Eindruck, dass die Gewalt unentwegt zunimmt. Zugleich wächst die Unsicherheit in der Bevölkerung.“ Damit eröffnete er am Dienstagabend eine Diskussionsrunde im Pöge-Haus über Gewalt und Sicherheit im öffentlichen Raum. Gesprächspartner waren Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz, Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke), Valentin Lippmann von der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen sowie Irena Rudolph-Kokot (Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“).

 

Die Aussagen der Teilnehmer zeigten, das Problembewusstsein ist da. „Es fehlt an klaren Ansagen“, stellte Merbitz mit Inbrunst fest. Und die Ängste der Leute würden nicht richtig ernst genommen. Sein Nebenmann Lippmann beklagte einen „Kampf um den öffentlichen Raum“, der von einem zunehmend enthemmten Personenkreis ausgetragen werde. Eine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des staatlichen Gewaltmonopols habe die Abwärtsspirale ebenfalls vorangetrieben. Für Rosenthal spielt der Bevölkerungsschwund in den ländlichen Regionen eine große Rolle. Eine verspätete Reaktion der Politik bemängelte Rudolph-Kokot.

 

Konkrete Angaben zur Kriminalitätsentwicklung im laufenden Jahr wollte keiner in der Runde anführen. Die Zahlen für 2015 sprechen allerdings eine deutliche Sprache: So habe besonders politisch motivierte Gewalt zugenommen – um mehr als ein Drittel, bilanzierte das Operative Abwehrzentrum bereits im Januar. Festgehalten wurden 242 Fälle, 208 davon seien politisch rechtsmotiviert gewesen (2014: 159). Laut der sächsischen Polizei habe es 559 Übergriffe gegeben, 213 mit rechtem Einschlag und 292 mit linkem.

 

Für Leipzig besonders unrühmlich: der 12. Dezember 2015 und der 11. Januar 2016. Da wurden die Südvorstadt und Connewitz von schweren Ausschreitungen heimgesucht. Folgerichtig erging an den Ordnungsbürgermeister die Frage: „Gibt es in der Stadt No-go-Areas?“ Mit einem entschiedenen „Nein“ verwies dieser auf lokale Besonderheiten. „Man kann Leipzig nicht mit Sachsen vergleichen, auch nicht mit Dresden. Das liegt zum Beispiel an der sozialen Durchmischung und am Bevölkerungswachstum.“ Mithin müsse die Messestadt mit anderen europäischen Großstädten in Beziehung gesetzt werden.

 

Aber wie lässt sich der Gewalt-Anstieg nun stoppen? Zum einen brauche es mehr Polizei. Darin waren sich die Diskutierenden einig. Außerdem müsse die politische Bildung gestärkt werden, um Jugendliche zu mündigen demokratischen Bürgern zu erziehen. Rudolph-Kokot trat darüber hinaus für eine ordentliche Stärkung der Zivilgesellschaft ein. Und Merbitz? „Was man mit Gewalt erreicht, kann man nur mit Gewalt behalten. Um Barrieren effektiv abzubauen, muss man mit den Leuten ins Gespräch kommen. Fragen, was sie bewegt.“ Aufeinander zugehen, miteinander reden – das ist doch eine Botschaft, bei der es sich lohnt, sie in die Tat umzusetzen.