Bautzen-Debatte im Landtag „Die haben sich nicht zum Kaffeekränzchen getroffen“

Erstveröffentlicht: 
29.09.2016

Das spezielle Sachsen-Problem: Nach den Ausschreitungen in Bautzen diskutieren Abgeordnete über Rechtsextremismus und dessen Ursachen sowie über Konsequenzen aus der Jagd auf die Flüchtlinge.

 

Die Ausschreitungen in Bautzen und die Konsequenzen, die daraus gezogen werden müssen, waren am Mittwochvormittag das Thema einer aktuellen Stunde im Landtag. Sachsen habe augenscheinlich ein Problem mit Neonazis und Rassismus, erklärte Linken-Angeordneter Lutz Richter zu Beginn der Debatte. Die Regierung müsse dies endlich offen zugeben und das Problem nicht länger mit Begriffen wie dem vom "besorgten Bürger" zu kaschieren. So lange das Problem nicht eingestanden werde, so lange gebe es auch keine Lösung. Die Linke-Fraktion hatte die die aktuelle Stunde mit dem Titel "Integration ‘eventbetonter Jugendlicher‘ gescheitert“ beantragt.

 

Politische Nebelkerzen und zunehmende Gewalt


Christian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion konterte: "Wir stellen uns der Verantwortung, Menschen in Not zu helfen“, sagte er. Ein Bild des braunen Sachsens zu zeichnen, sei nichts weiter als das Zünden einer „politischen Nebelkerze“ und verwies auf die zunehmend gewaltbereite linksextreme Szene. „Wir haben ein Problem mit Radikalismus in unserer Gesellschaft – an den rechten und linken Rändern“, konstatierte er und schob nach: "Ja, wir haben in Sachsen ein Problem mit zunehmender Gewalt und Radikalisierung – dazu gehören rechte Gewalt und rechte Strukturen.“ Allerdings dürfe im Fall Bautzen nicht "Schwarz-Weiß“ gemalt werden. Immerhin habe es eine Vorgeschichte gegeben mit über 70 Polizeieinsätzen gegeben, dies dürfe nicht einfach außer Acht gelassen werden.

 

Der SPD-Abgeordnete Henning Homann verwies auf die Strategie der rechtsextremen Gruppen. "Die Zusammenstöße zwischen Flüchtlingen und Neonazis sind für mich kein Zufall. Das ist das Ergebnis einer bewussten Strategie von Rechtsaußen“, sagte Homann. Auch die Stadt Bautzen sei Opfer dieser Neonazis geworden. "Sie wollen die Gesellschaft erreichen und sie entsolidarisieren.“ Gleichzeitig warnt der SPD-Politiker vor einer Relativierung der Ereignisse: "Wer Rettungswagen mit Steinen beschmeißt und Leute durch die Stadt jagt, ist kein Opfer.“

 

Verfestigte rechtsradikale Strukturen


Rückendeckung bekam der SPD-Politiker, der seit Jahren mit rechtsextremen Anschlägen in seinem Wahlkreis konfrontiert ist, vom Linken-Abgeordneten Heiko Kosel. "Das gravierende Problem sind nicht die Flüchtlinge, sondern die über Jahre verfestigten rechtsradikalen Strukturen und Vernetzungen“, erklärte er und bemerkte gleichzeitig, dass auch Flüchtlinge gegen das Gesetz verstoßen haben. Er fuhr fort. "Selbst wenn keine Flüchtlinge da sein würden, fallen diese Strukturen den Anwohnern zur Last.“ Opfer wären dann – wie in den vergangenen Jahren auch Sorben, Behinderte, Homosexuelle, alternative Jugendliche oder Obdachlose.

 

Am Lagerfeuer hat es angefangen


Kosel konstatierte: "In Bautzen hat sich eine Neonazistruktur warmgelaufen“. Angefangen habe es in den 90er-Jahren in Jugendclubs, am Lagerfeuer. Damals habe es die ersten Übergriffe auf Denkmäler gegeben, auf Obdachlose, Sorben und eben – auf Ausländer. Jetzt sei Zeit, über Gründe dieser starken rechten Vernetzung nachzudenken und Konsequenzen zu ziehen.

 

AFD: Linke nicht weiter mit Demokratieprojekten stärken

 

AFD-Abgeordneter Sebastian Wippel fragte in seinen Ausführungen nach der Rolle der Linken. „Bis zu 400 gewaltbereite Linke sind durch Bautzen gezogen“, sagte er. "Ich wünsche mir auch eine Integration Linksradikaler“. Zudem solle die linke Szene nicht weiter mit Demokratieprojekten gestärkt werden. Das wiederum brachte den Linken-Abgeordneten Enrico Stange so in Rage, dass er wild gestikulierend in den Saal zischte. "So viel wirres Zeug auf einem Haufen habe ich in diesem Haus schon lange nicht mehr gehört.“

 

Über die Ursachen des Imageproblems reden


Grünen-Abgeordneter Valentin Lippmann erschien fast resigniert gelassen: "Was soll man hierzu eigentlich noch sagen“, konstatierte er. "Hatten wir uns nichts nach Heidenau und Claußnitz versprochen, dass wir darüber nicht noch einmal diskutieren wollen?“ Natürlich habe Sachsen ein Nazi-Problem. „Wie sonst ist es zu erklären, dass sich 80 Menschen zusammenrotten“, fragte Valentin. „Sie haben sich sicher nicht zum Kaffeekränzchen getroffen.“ Valentin wetterte: „Ich bin es leid, dass man in Sachsen nach rassistischen Übergriffen als erstes permanent nach Entschuldigungen sucht.“

 

Schließlich war Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) diejenige, die auf weitere Wurzeln des Problems verwies. "Es ist nicht nur die Flüchtlingskrise, die uns in Sachsen bewegt. Wir haben auch eine wendebedingte Problematik im Osten“, erklärte sie. Viele Menschen hatten nach der Wende hohe Erwartungen und seien enttäuscht worden. "Integration gilt für alle –  auch für die Menschen, die da sind.“