"Hier wurde bewusst der Tod von Menschen in Kauf genommen"

Erstveröffentlicht: 
27.09.2016
  • Zum Zeitpunkt der Explosion befand sich der Imam mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in der Moschee.
  • Später wurde die Polizei zum Internationalen Congress Center gerufen. Auch dort war ein Sprengsatz explodiert.
  • Sachsen ist in diesem Jahr Ausrichter der zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit.

 

In Dresden kam es Montagabend zu zwei Sprengstoffanschlägen, auch eine Moschee ist betroffen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière bezeichnete die Vorfälle als "empörend". "Das wollen wir in Deutschland nicht, dass so etwas geschieht, gegen wen sich das auch immer richtet." Justizminister Heiko Maas (SPD) nannte die Anschläge "erschütternd". "Sie müssen jetzt sehr sorgfältig aufgeklärt und konsequent verfolgt werden", sagte er in Berlin.

 

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sagte: "Dies ist nicht nur ein Anschlag auf die Religionsfreiheit und die Werte einer aufgeklärten Gesellschaft, sondern hier wurde auch bewusst der Tod von den in der Moschee lebenden Menschen in Kauf genommen." 

 

Die Ereignisse der Nacht


Am Montagabend um 21.53 Uhr erhielt die Polizei die Information, dass es vor der Fatih-Moschee im Dresdner Stadtteil Cotta zu einer Detonation gekommen sei. Zum Zeitpunkt der Explosion befanden sich der Imam, seine Frau und seine beiden Söhne in dem Gebäude, in dem sie auch wohnen. Sie blieben unverletzt. Unbekannte hatten an der Haustür einen Sprengsatz gezündet. Durch die Druckwelle wurde die Tür nach innen gedrückt.

 

Ibrahim Turan, einer der Söhne des Imams, berichtet als Augenzeuge: "Ich habe gehört, dass etwas geworfen wurde. Dann habe ich aus dem Fenster geschaut: Es waren drei Papiertüten und es hat Bumm gemacht und dann gebrannt", sagt er Radio Dresden. Er habe dann nach seinen Eltern gerufen.

 

Der Zehnjährige hatte in der Nacht noch das Feuer vor der Tür gesehen. Er fürchte sich, sagt der Junge am Dienstag - aber auch, dass er bald wieder in die Schule gehen wolle. "Wir haben Angst, dass sie noch mal angreifen", sagt Turan.

 

Ein weiterer Sprengsatz war in der Nacht am Internationalen Congress Center explodiert und hatte einen Glasquader auf der Freiterrasse zerstört. Um 22.19 Uhr ging bei der Polizei ein entsprechender Hinweis ein. Sie evakuierte daraufhin eine Hotelbar. Gleichzeitig forderte sie alle Gäste auf, die ein Zimmer mit Blick in Richtung der Terrasse bewohnen, sich nicht am Fenster aufzuhalten. An beiden Tatorten fanden die Beamten Reste von selbstgebauten Sprengsätzen. 

 

Die Motivlage


Das Operative Abwehrzentrum, das vor allem für politisch motivierte Straftaten zuständig ist, hat die Ermittlungen aufgenommen. "Wir gehen davon aus, dass zumindest der Anschlag auf die Moschee einen fremdenfeindlichen Hintergrund hat", sagte Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar. Die Fatih-Moschee ist ein Gotteshaus der türkisch-islamischen Religionsgemeinschaft Ditib. Mahmud Bacarum sitzt im Vorstand der Moschee. Er sagt, die Gemeinde komme mit der Nachbarschaft gut aus, auch in der Nacht des Anschlags hätten die Nachbarn geholfen. In den vergangenen Jahren habe es kaum Probleme gegeben - hin und wieder allerdings Schmierereien an der Fassade oder ein eingeworfenes Fenster. Das türkische Konsulat schickte offenbar noch in der Nacht einen Vertreter nach Dresden.

 

Bezüglich des Anschlags auf die Freiterrasse des Kongresszentrums sieht die Polizei Verbindungen zum bevorstehenden Tag der Deutschen Einheit. Sachsen ist in diesem Jahr Ausrichter der zentralen Feierlichkeiten. Auf der Freiterrasse des Kongresszentrums sollte nach Informationen der Bild-Zeitung ursprünglich ein Empfang von Bundespräsident Joachim Gauck stattfinden. Der Tatort ist nun abgesperrt. Polizisten bewachen die Fatih-Moschee sowie weitere islamische Einrichtungen in Dresden. 

 

Sicherheitskonzept vorzeitig in Kraft


Nach den Anschlägen wurden die Sicherheitsmaßnahmen für die Feierlichkeiten nun vorzeitig in Kraft gesetzt. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte am Dienstag, der Kontrollbereich für das Festgelände werde eingerichtet. Die Polizei ist mit einem Großaufgebot präsent.

 

Die Feierlichkeiten starten am Samstagnachmittag mit einem großen Bürgerfest. Am 3. Oktober selbst werden unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Dresden erwartet. Nach einem ökumenischen Gottesdienst in der Frauenkirche gibt es in der Semperoper den offiziellen Festakt.