Interview mit Bettina Kudla "Man muss die Folgen beleuchten"

Erstveröffentlicht: 
10.06.2016

Der Bundestag hat fast geschlossen die Gräueltaten an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord benannt. Nur die CDU-Abgeordnete Bettina Kudla aus Leipzig stimmte gegen die Resolution. Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur erläuterte Kudla ihre Beweggründe.

 

Ihr Abstimmungsverhalten im Bundestag hat für großes Aufsehen gesorgt. Was hat Sie bewogen, mit Nein zu stimmen?


Der Antrag hatte sich verändert gegenüber dem von vor einem Jahr, der von CDU/CSU und SPD vorgelegt worden war. Es ist neu ergänzt worden die Mitschuld der damaligen deutschen Reichsregierung. Ohne dass genauer beschrieben wurde, wie die deutsche Beteiligung ausgehen hatte. Es wurde lapidar darauf verwiesen, dass Deutschland damals militärischer Hauptverbündeter war. Wenn man eine solche Aussage trifft, muss man die Folgen beleuchten. Diese könnten beispielsweise Wiedergutmachungsforderungen sein. Insofern sah ich das doch als erhebliches Risiko, eine solche Beteiligung, über die man nicht genau weiß, in welcher Form und ob sie überhaupt in dieser Schärfe stattgefunden hat, zu beschließen.

 

Sie haben also mehr mit Blick auf mögliche Wiedergutmachungsforderungen aus Armenien diesen Antrag abgelehnt als mit Blick auf den Streit mit der Türkei?


Das ist der zweite Punkt. Natürlich sehe ich es als schwierig an, wenn man gemeinsam mit der Türkei Lösungen für die Flüchtlingskrise finden möchte im Rahmen eines europäischen Abkommens, dass man dann einen Beschluss fast, mit dem die türkische Regierung einfach Probleme hat.

 

Die Türkei wird in vielerlei Hinsicht als schwierig angesehen. Sollte man die Lösung der Flüchtlingsfrage mit der Armenienfrage in Verbindung bringen?


Die türkische Regierung hat es ja in Zusammenhang gebracht. Es ist wie immer in Beziehungen: Wenn eine Seite ein Problem mit bestimmten Aussagen hat, dann ist es oft besser, man hält sie mit solchen Aussagen zurück.

 

Hätten Sie erwartet, dass Ihre Nein-Stimme für solch großes Aufsehen sorgt.


Nein, das habe ich nicht erwartet. Und ich würde mir auch wünschen, dass man sich inhaltlich mit den Redebeiträgen und mit dem Antrag selbst nochmal auseinandersetzt. Denn die Befürworter des Antrags haben klar betont, sie möchten auf die damaligen Verhältnisse aufmerksam machen und möchten ein besseres Verhältnis zwischen Türkei und Armenien erreichen im Hinblick auf die Aufarbeitung von Geschichte. Natürlich zeigt die Erfahrung, dass eine geschichtliche Aufarbeitung den Weg für neue, gute Beziehung bereitet.

 

Zur Person Bettina Kudla (53) ist seit 2009 Bundestagsabgeordnete für Leipzig und gehört der CDU/CSU-Fraktion an. Vor ihrer Wahl war die Diplomkauffrau von 2005 bis 2009 Finanzbürgermeisterin der Stadt Leipzig. Kudla stammt gebürtig aus München.