Jung und idealistisch trifft erfahren und etabliert. Romantisch? Kein bisschen. Die Initiative von „Socialcenter4all Leipzig“ sucht seit März ein Dach über dem Kopf – und hatte auf Unterstützung aus dem Rathaus gehofft. Doch die Beziehung steckt in der Krise.
Am Anfang war die Hausbesetzung. Dann gab es Kuchen für den OBM Burkhard Jung (SPD), Gespräche mit der Stadt Leipzig, und jetzt ist die Sache irgendwie erkaltet. Mit den Vorschlägen der Kommune konnte die Gruppe „Socialcenter4all Leipzig“ (Sc4a) nichts anfangen. Also sucht die Initiative weiter ein Dach über dem Kopf.
Aber der Reihe nach. Im Oktober 2015 blockierten Studenten die Verlegung von Flüchtlingen aus der HTWK-Turnhalle an der Arno-Nitzsche-Straße nach Heidenau. Dort hatten Rechtsextreme im August tagelang vor einer Flüchtlingsunterkunft randaliert. Aus der spontanen Aktion am HTWK-Gebäude bildete sich die Socialcenter-Bewegung in Leipzig – doch Räume fehlten.
Im März 2016 besetzte die Gruppe, der sich laut SC4a-Team Interessierte zwischen 17 und 50 Jahren angeschlossen hatten, die ehemalige Führerscheinstelle in der Platostraße. Ihre Idee: Raum schaffen für ein selbstverwaltetes Sozialzentrum für alle. Eine Anlaufstelle für Geflüchtete sollte entstehen, aber letztlich mehr als das. Unabhängig von Bildung oder Herkunft sollte sich jeder in ein offenes Plenum beteiligen können. „Jede und jeder kann etwas Einzigartiges einbringen“, sagt Socialcenter-Sprecher Alexander Herzog im Rückblick gegenüber LVZ.de.
Doch Besetzung ist Besetzung, und Ordnungsamt und Polizei verhandelten, um die Aktion friedlich zu beenden. Das gelang auch, und im Ergebnis konnten Vertreter von SC4a im Rathaus vorsprechen. Die Delegation brachte Geburtstagskuchen für den OBM mit, der verurteilte die Widerrechtlichkeit der Aktion, mahnte ernsthaftes Engagement und eine verlässliche Struktur des Projekts an. Die SC4a-Initiatoren verbuchten es als Erfolg, „mit dem OBM einer 600.000-Einwohner-Stadt“ ein Gespräch führen zu können.
Vorschläge abgelehnt
Danach stockten die Verhandlungen allerdings, und woran das liegt – da hat jeder seine eigene Perspektive. Aus Sicht der Stadt ist die Geschichte schnell erzählt: Nach dem Besuch bei Jung habe es Gespräche mit einem Vertreter des Amts für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung sowie einem Vertreter des Vereins Haushalten e.V. gegeben, teilte Stadtsprecher Mathias Hasberg auf Anfrage mit. Die Idee sei gewesen, den Besetzern ein Wächterhaus anzubieten. „Leider stehen geeignete Objekte momentan nicht zur Verfügung“, so die Stadt.
Auch ein weiteres Gespräch zwischen Vertretern des Amts für Stadterneuerung und der Socialcenter-Gruppe sei ergebnislos geblieben, so die Verwaltung weiter. Die Kommune habe kürzlich einen weiteren Vorstoß gemacht und angeboten, dass sich die Gruppe bei der Nachnutzung der Feuerwache Ost einbringen könne. „Dieser Vorschlag wurde leider abgelehnt“, heißt es weiter.
Aus Sicht der SC4a-Gruppe wurden die Verhandlungen von der Stadt ohne Begründung abgebrochen, betont Alexander Herzog gegenüber LVZ.de. Dabei habe es klare Arbeitsaufträge für beide Seiten gegeben. Wie von Jung gefordert, habe das Projekt die Gründung eines gemeinnützigen Vereins vorbereitet. „Aber ob wir das jetzt noch durchziehen, weiß ich nicht“, sagt Herzog. Die Notwendigkeit fehle nun einfach.
Für die Feuerwache stehe außerdem schon sehr klar das Konzept als Nachbarschaftstreff, erklärt Herzog. „Es erscheint uns respektlos, in einen seit langem mühevoll organisierten Beteiligungs- und Konzeptfindungsprozess einer anderen Initiative reinzugrätschen“. Die Stadt zeige mit dem Vorschlag einen Mangel an Respekt und Verständnis für eigenverantwortliche Projekte.
Flüchtlingsheim nicht geeignet?
Herzog berichtet von weiteren Vorschlägen der Stadt, die sich für die Socialcenter-Idee nicht geeignet hätten. Intensiv habe sich das SC4a-Plenum zum Beispiel mit dem Vorschlag beschäftigt, in eine zukünftige Flüchtlingsunterkunft im Leipziger Westen zu ziehen. Ergebnis: Abgelehnt. „Wir wären zwar direkt an einer Zielgruppe dran gewesen – hätten aber vielleicht viele andere Menschen ausgeschlossen“, so die Überlegung der Initiatoren. Auch für das Thema Offenheit und Selbstverwaltung, so fürchten die SC4a-Leute, wäre ein abgeschottetes Flüchtlingsheim nicht der richtige Ort.
Mit der Stadt herrsche derzeit wieder Funkstille. In der Socialcenter-Gruppe mache sich das Gefühl breit, dass man von der Verwaltung doch nicht ernst genommen werde.
Tingeln und weitermachen
Trotzdem will die Initiative nicht aufgeben. „Die Zeit hat uns gezeigt, dass wir sehr wohl im Geiste von SC4a weiter arbeiten können“, so Herzog. Am Anfang sei die Fluktuation unter den Leuten, die zu den offenen Versammlungen kamen, hoch gewesen. Jetzt gebe es einen festen Kern von bis zu zwanzig Interessierten, die sich wöchentlich treffen. „Wir haben uns weiter vernetzt, etwa bei der Global Space Odyssee mitgemacht oder Straßendialoge im Süden oder auf dem Augustusplatz organisiert“, schildert er.
Bisher tingelt die SC4a quasi durch die Stadt und hält ihre Plena in offenen Räumen statt, „im Westen, im Osten, im Conne Island“, zählt Herzog auf. Machbar, aber nicht schön. Das Ziel sei weiterhin, ein Dach über dem Kopf für das Socialcenter Leipzig zu bekommen.
Von Evelyn ter Vehn