Die Facebook-Agenda von Innenminister Thomas de Maizière: Mehr Überwachung und Zensurmechanismen

De Maiziere
Erstveröffentlicht: 
28.08.2016

Am Montag trifft sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit Facebook in Berlin. Dabei geht es sicher auch um „Hate-Speech“, aber vor allem um den Ausbau von Überwachungs- und Zensurinfrastrukturen.

 

Am Montag trifft sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit Facebook in Berlin. Das Treffen wird bereits seit einigen Tagen vom Innenministerium vorinszeniert. Viele denken vor allem an die sogenannte Hate-Speech-Debatte und die passende Taskforce dazu, die Bundesjustizminister Heiko Maas vor einem Jahr eingerichtet hat.

 

Aber das dürfte am Montag nur ein Nebenthema sein, denn unser Innenminister hat seine eigene Agenda. Und die verschwindet hinter Burka-Verbot und doppelter Staatsbürgerschaft leider immer aus der öffentlichen Debatte. Dabei haben es die Forderungen in sich und bedeuten nichts weniger als den Ausbau der Überwachung und die Schaffung von unkontrollierbaren Zensurinfrastrukturen, vor allem durch eine privatisierte Rechtsdurchsetzung im Rahmen von „freiwilligen Kooperationen“ mit Plattformanbietern wie Facebook.

 

Das Problem der Upload-Filter

 

Bereits seit einiger Zeit bearbeiten die EU-Kommission sowie viele Innenminister Plattformbetreiber, sogenannte „Upload-Filter“ zu installieren. Das Ziel hört sich erstmal für viele sinnvoll an. Terroristen nutzen Plattformen für ihre Propaganda und obwohl terroristische Propaganda-Inhalte häufig schnell gelöscht werden, werden sie auch wieder hoch geladen. Upload-Filter sollen das unterbinden, in dem sie zum Beispiel eindeutige Hashwerte von Videos und anderen Inhalten erzeugen und beim Upload darauf geprüft wird, ob ein Video bereits erkannt und gelöscht wurde. Das Problem daran ist vor allem, dass die Filter gegen „extremistische“ oder „radikalisierende“ Inhalte eingesetzt werden sollen. Nicht alles davon ist auch verboten und was „extremistisch“ ist, ist häufig nicht eindeutig formuliert und ändert sich auch mit der Zeit. Es gibt zudem keine rechtsstaatliche Instanz, die überprüft, ob die Filterlisten auch tatsächlich nur eindeutige terroristische Inhalte sperren. Die Upload-Filter sind damit wichtige Elemente im Aufbau einer unkontrollierbaren Zensurinfrastruktur.

 

Anbieter sollen „freiwillig“ das Netz filtern und Meinungsfreiheit regulieren

 

Bereits seit einiger Zeit treffen sich EU-Kommission, Europol und die großen US-Plattformbetreiber im Rahmen des intransparenten „Forum Internet“, um sich auszutauschen, wie „terroristische Inhalte“ gefiltert werden und auch die eingesetzte Verschlüsselung geschwächt werden könnte. Die europäische Wunschliste soll auf einem deutschen „Ergebnispapier“ (pdf) aufbauen, das Heiko Maas etwa zur gleichen Zeit von einer „Task Force“ gegen Hasskommentare im Netz ausarbeiten ließ. Das Dokument wurde von Spiegel Online zur Zeit der Veröffentlichung hauptsächlich als warme Luft abgetan, ist aber bei genauerem Hinschauen um einiges gefährlicher – vor allem, da es nun auf europäischer Ebene exportiert wird.

 

Was ist eigentlich Hate Speech und ist das verboten?

 

Das Papier würfelt dabei „rechtswidrige Inhalte“, „problematische Inhalte“ und andere Inhalte durcheinander, die zwar legal sind, aber gegen unternehmenseigene Richtlinien (wie etwa Facebooks Gemeinschaftsstandards) verstoßen könnten. Unternehmen sollen gemeldete Inhalte „in weniger als 24 Stunden“ prüfen und, falls erforderlich, ohne vorherigen Richterbeschluss entfernen. Klingt toll, ist es aber nicht.

 

Problematisch ist eine solche Aufforderung, wenn man bedenkt, dass sich US-amerikanische Unternehmen bereits zu globalen Sittenwächtern aufschwingen und tagtäglich vollkommen legale Inhalte zensieren, beispielsweise Homosexualität, stillende Mütter oder Fotos von Aborigines. Das Projekt onlinecensorship.org sammelt solche Fälle und hat etliche Löschungen in einem ersten Bericht analysiert. Fazit: Richtige Berufungsverfahren gibt es in sozialen Netzwerken nicht – meist führt ein Widerspruch ins Leere, an Wiedergutmachung ist gar nicht erst zu denken. Facebook sagt sogar, dass man leider nichts mehr machen könnte, wenn Inhalte erstmal gelöscht sind. Wir müssen als Gesellschaft Mechanismen finden, wie wir mit Hass im Netz umgehen. Der Aufbau von intransparenten Zensurinfrastrukturen im Rahmen von privatisierter Rechtsdurchsetzung ist dafür aber der falsche Weg.

 

Eine Möglichkeit, dagegen vorzugehen, wäre, wenn der Staat Gerichte und Staatsanwaltschaften aufrüsten würde, damit gegen eindeutig rechtswidrige Inhalte wie Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung konsequent vorgegangen werden würde. Und zwar ohne einfache Löschung, sondern über den Rechtsweg!

 

Solche Gespräche finden nicht nur in der EU statt: Es gibt in den USA ähnliche „Dialoge“ zwischen Strafverfolgungsbehörden, der Regierung und den Plattformbetreibern mit denselben Zielen. Es geht vor allem um mehr Kontrolle.

 

Mehr Überwachung und Zugang zu den Daten

 

Im Sommer meldeten unsere Innenminister Zweifel an, ob Facebook & Co. schnell genug reagieren würden, wenn Sicherheitsbehörden Anfragen schicken. Facebook würde viele Anfragen ablehnen und zu lange dafür brauchen. Ziel ist offensichtlich, ähnliche Zugangsmöglichkeiten zu bekommen, wie das PRISM-Programm in den USA NSA & Co Zugriff auf die Datenbanken gibt. Man muss Facebook zugutehalten, dass es sich in Sachen Datenherausgabe an Ermittlungsbehörden offenbar an rechtliche Standards hält, weitreichende Anfragen eingegrenzt haben will und nicht einfach alles so ungeprüft innerhalb von einer Stunde herausgibt. Eine bessere Schulung unserer Beamten, wie man Formulare ausfüllt und die rechtsstaatlichen Prozesse einhält, dürfte die Erfolgsquote sicher erhöhen. Ganz ohne mehr Überwachungsbefugnisse!

 

Nicht nur die Innenminister der Union fordern eine drastische Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung, die zudem auch für soziale Medien wie Facebook und Whatsapp gelten müsse. Das sind auch Fragen, die im Rahmen der Reform der ePrivacy-Richtlinie auf EU-Ebene diskutiert werden. Die Debatte dazu ist eröffnet.

Zunehmende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei sozialen Medien wie Whatsapp ist Sicherheitsbehörden ein Dorn im Auge. Auch wenn das Innenministerium derzeit erklärt, dass man Verschlüsselung wichtig finden würde, arbeitet man trotzdem dagegen an: Der Aufbau einer Zentralstelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich, kurz ZITiS, mit bis zu 400 Beamten, ist da nur ein Schritt.

 

Alles nur Wahlkampf-Theater?

 

Man könnte das auch als Wahlkampf-Theater abtun, was viele machen. Die Gefahr ist aber, dass sich das alles verselbstständigt, vor allem wenn die SPD wieder das Gefühl hat, dass sie sich ebenso für mehr gefühlte Sicherheit einsetzen sollte. Damit die Union beim nächsten Anschlag nicht den schwarzen Peter zu den Sozen rüberschieben kann. Das hat uns nicht nur die Vorratsdatenspeicherung eingebracht.