Patriotische Ebbe

Erstveröffentlicht: 
17.08.2016

Sinkende Teilnehmerzahlen, Führungsstreit und unklare Finanzen: Wie lange kann Pegida noch Anhänger mobilisieren?

Von Tobias Wolf

 

Die fetten Monate scheinen vorbei zu sein. Nicht einmal die Ereignisse von München, Würzburg oder Ansbach konnten Pegida bislang neuen Schwung bringen. Seit Monaten dümpeln die Teilnehmerzahlen im niedrigen vierstelligen Bereich. Das Bündnis, das am Anfang 20 000 Menschen auf die Straße brachte, wird von vielen kaum noch wahrgenommen.

 

 

Ohne echtes Thema wollen immer weniger montags demonstrieren


Das islamfeindliche Bündnis hat an Zugkraft verloren. Das letzte große Aufgebot mobilisierten die Organisatoren um Gründer Lutz Bachmann zum Jahrestag im Oktober – mit bis zu 20 000 Menschen, teilweise aus dem ganzen Bundesgebiet angereist. Danach ging die Zahl drastisch zurück und hat sich nun zwischen 2 000 und 3 000 eingependelt. Offenbar gibt es keine Themen mehr. Montag für Montag wiederholen die Frontleute um Lutz Bachmann die immer selben Vorwürfe gegenüber Regierung, Gesellschaft und Presse.

 

Dabei lockte Pegida einst als vermeintlich bürgerliches Protest-Bündnis. Mit der Kandidatur von Tatjana Festerling zur Dresdner Oberbürgermeisterwahl fand Pegida ein Thema, das über Monate bis zum Sommer 2015 funktionierte. Schnell stieg die gebürtige Wuppertalerin in die Pegida-Führung auf, als wichtigstes Gesicht neben Bachmann. Politikwissenschaftler Werner Patzelt beobachtet Pegida seit Anbeginn, sieht jetzt ein „Abebben“. Am Montag sei er am Altmarkt vorbeigekommen, so der 63-Jährige.

 

Es hätten so wenige demonstriert wie vor dem Aufschwung im Sommer 2015. Pegida drohte damals das Ende, erst die Flüchtlingskrise trieb wieder Tausende auf die Straße. Inzwischen ist der Zustrom fast versiegt und Europas Grenzen sind weitgehend dicht. Momentan deutet nichts auf eine neue Migrationswelle hin. Bachmann redet nicht mit Medien, verkündete am Montag aber, dass die Sommerpause vorbei sei und demnächst mehr Demonstranten kommen.

 

 

Führungsstreit entzweit die Patrioten nicht zum ersten Mal


Lutz Bachmann und die Frauen – eine unglückliche Verbindung, wenn es um politische Gefährten geht. Verkrachte er sich Anfang 2015 mit Kathrin Oertel und anderen Mitstreitern, ist nun auch Tatjana Festerling raus. Im April fiel auf, dass sie kaum noch Reden hielt. Transparente mit Worten wie „Tatjana, wo bist du?“ tauchten auf. Da war der Bruch schon nicht mehr aufzuhalten. Die Schlammschlacht lieferten sich die Kontrahenten im Juni bei Facebook. Dabei ging es wohl ums Ego und die Macht der selbst ernannten Patrioten. Bachmann-Kritiker ätzten, er fasele ständig von direkter Demokratie, „ist aber selbst nicht dazu bereit, diese auch nur im Ansatz umzusetzen“. Festerling verhalte sich vereinsschädigend, tönte es zurück.

 

„Bachmann beißt alle weg, die etwas können“, sagt der Politikprofessor. Festerlings Abgang habe Pegida weniger attraktiv gemacht. „Bachmann ist unfähig, als politischer Anführer zu agieren, auch wenn er ein guter Organisator ist“, so Patzelt. „Aber er arbeitet nicht auf die Verwirklichung von Zielen hin, er hat keine politischen Fähigkeiten.“

 

Intransparente Finanzen kratzen an der Glaubwürdigkeit der Anführer

 

Wie viele Spenden hat der Pegida Förderverein bisher erhalten, und wofür wird das Geld ausgegeben? Das fragen sich selbst viele Anhänger. Nachvollziehbare Zahlen wurden bislang nicht vorgelegt. Auch das war ein Streitpunkt mit Festerling. Im Gegensatz zu gemeinnützigen Vereinen muss der Pegida-Förderverein seine Finanzen nicht veröffentlichen.

Zuletzt tauchten Vorwürfe auf, der Freistaat habe Pegida mit Steuergeld gefördert, angeblich nach einem Gespräch des Orga-Teams mit CDU-Innenminister Markus Ulbig im Januar 2015. Einen Tag später verließen Oertel und einige Mitstreiter Pegida. Eine finanzielle Förderung habe es zu keinem Zeitpunkt und von keinem Ministerium gegeben, sagt Ulbigs Sprecher Andreas Kunze-Gubsch. „Pegida hat keinen Cent vom Freistaat erhalten“, stellt er klar. „Das gilt für Personen und Verein.“

 

 

Aktionen werden angekündigt, und nichts passiert

 

Ein Konsum-Boykott und der Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik gehören zu den Ideen, die auf der Pegida-Bühne verkündet wurden. Auch den Stadtrat wollte Lutz Bachmann schon mal abwählen lassen, obwohl das die Sächsische Gemeindeordnung nicht zulässt. Der Applaus war ihm trotzdem sicher. Egal, was angekündigt wird: Es gerät zuverlässig in Vergessenheit. Wieder hervorgekramt hat Bachmann die seit über einem Jahr angepriesene Pegida-Partei. Sie soll nun Mitte Juni unter dem Namen „Freiheitlich Direktdemokratische Volkspartei“ (FDDV) gegründet worden sein, so Bachmann.

 

An einer Wahl könnte die angebliche Partei aber nicht teilnehmen. Dafür müsste sie beim Bundeswahlleiter angezeigt werden und mindestens eine Satzung, die Mitgliederliste des Vorstands und ein Programm vorlegen. Beim Bundeswahlleiter ist noch nichts über die FDDV bekannt. „Bei uns sind keine Unterlagen eingegangen“, sagt der zuständige Mitarbeiter Kersten Buchholz. Bleibt die Partei auch ein unerfülltes Versprechen?

 

 

Die lange Flaute könnte ein langsames Sterben der Bewegung bewirken

 

Dass Pegida-Demos wieder ganze Plätze füllen, erscheint unwahrscheinlich. „Alles, wofür Pegidianer auf der Straße demonstriert haben, erhofft man sich nun von der AfD“, sagt Politikprofessor Patzelt. „Sie ist das Gleiche, aber in anderer Form und bereits in Parlamenten.“ Einen weiteren Grund sieht Patzelt im Abebben des Flüchtlingsstroms, der Pegida im vergangenen Jahr noch „Wind unter die Flügel“ gebracht habe. Nur, wenn die Zuwanderung deutlich steigen würde, gebe es einen höheren Anreiz zu demonstrieren. Ebenso, wenn es hier zu Anschlägen käme wie in Frankreich. „Ich glaube nicht, dass eine neuerliche Flüchtlingswelle wahrscheinlich ist“, sagt Patzelt. „Es ist auch nicht zu erwarten, dass Bachmann noch sonderliche politische Fähigkeiten entwickelt.“ Da müsste sich schon die AfD zerstreiten, damit mehr zu Pegida kommen.