Knapp ein Jahr nach den fremdenfeindlichen Ausschreitungen vor einem Aufnahmelager für Flüchtlinge in Heidenau ist die juristische Aufarbeitung der Vorfälle noch nicht abgeschlossen. Wie der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Wolfgang Klein, MDR SACHSEN sagte, hat es insgesamt 41 Ermittlungsverfahren gegeben. In 22 Fällen sei Anklage erhoben worden, unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Einige wenige Verfahren seien noch offen, andere mussten eingestellt
werden, da die mutmaßlichen Straftäter vermummt gewesen seien und eine
nachträgliche Identifizierung nicht möglich sei. Klein sagte, es sei
schwer, teils vermummte Personen zu überführen, wenn die Polizei zum
Beispiel aus Eigenschutz keine Personalien vor Ort aufnehmen könne.
Übersicht über die Ermittlungsverfahren
Strafdelikt | Verfahren insgesamt | Stand der Ermittlungen |
---|---|---|
schwerer Landfriedensbruch | 7 | 2 Urteile, 1 V. eingestellt, 4 V. laufen noch |
gefährliche Körperverletzung | 2 | 1 Urteil, 1 V. läuft noch |
Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen | 5 | 3 Urteile, 2 V. eingestellt |
Beleidigung I | 7 | 5 Urteile, 1 Strafbefehl, 1 V. eingestellt |
Beleidigung II | 5 | eingestellt, weil kein Täternachweis |
Verdacht der Nötigung | 1 | von der Staatsanwaltschaft eingestellt, weil kein Täternachweis |
Verstoß gegen Versammlungsgesetz | 2 | 1 Anklage; wegen geringer Schuld eingestellt |
Sachbeschädigung | 1 | wegen geringer Schuld eingestellt |
Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt | 11 | eingestellt |
Gesamt: | 41 | 22 Anklagen, 5 Verfahren offen |
Einzug nur unter Polizeischutz
Bei den Ausschreitungen in Heidenau im August vergangenen Jahres wurden 33 Polizisten zum Teil schwer verletzt. Rechtsradikale Demonstranten hatten vor einem früheren Baumarkt, der als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt werden sollte, mit Steinen, Flaschen und Böllern geworfen. Dutzende Flüchtlinge konnten die Unterkunft nur unter Polizeischutz beziehen.
Grüne: Sachsen mitnichten immun gegen Rechtsextremismus
Knapp ein Jahr vor dem "Jahrestag" von Heidenau wollten die Grünen des Sächsischen Landtages wissen, woher die Täter rechtsextremistischer Straftaten in Sachsen stammen. Sie haben dazu eine Kleine Anfrage an das Innenministerium gestellt. Ergebnis: Von den seit 2015 insgesamt 2.046 ermittelten Tatverdächtigen im Bereich politisch motivierte Kriminalität Rechts stammen 1.859 Personen aus Sachsen. "Die Sachsen sind mitnichten immun gegen Rechtsextremismus", schlussfolgert der Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann. "Wer anderes behauptet und von zugereisten rechten Gewalttätern spricht, hat nicht verstanden, wie es um die rechtsextremen Einstellungen im Freistaat bestellt ist."
Offenbar fühlen sich die potenzielle Täter von einer starken, rassistischen Stimmung in diesen Orten angespornt und die Hemmschwelle zu den Taten wird gesenkt.
Valentin Lippmann Innenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag
Meißen, Heidenau, Freital und Hoyerswerda stechen hervor
Lippmann verwies darauf, dass gerade in jenen sächsischen Orten, die zuletzt wegen rassistischer Krawalle und Übergriffe bundesweit traurige Bekanntheit erlangt hätten, auffällig viele Tatverdächtige wohnen. "Während im sachsenweiten Durchschnitt im 'Phänomenbereich Rechts' 46 Tatverdächtige auf 100.000 Einwohner entfallen, liegen die Werte in manchen Teilen Sachsens deutlich, zum Teil bis zum fünffachen Wert darüber", sagte er. "So entfallen auf die Stadt Meißen 27 Tatverdächtige, was einem statistischen Vergleichswert von 98 Tatverdächtigen pro 100.000 Einwohner entspricht." In Heidenau und Umfeld seien es 31 Tatverdächtige und damit umgerechnet 127 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner. Auch Orte wie Freital, Hoyerswerda und die Gemeinde Rechenberg-Bienenmühle, zu der Clausnitz gehört, stächen hervor.